Um eins vorweg zu nehmen: Es ist mir schon bewusst, dass schon zigtausende vor mir ihren Senf zur Costa Cordalis-… Oh! Ich bitte um Verzeihung! – Costa Concordia-Havarie vor der toskanischen Küste gegeben haben. Und nein, ich mache mich nicht lustig darüber, doch gewisse seltsame Eigenarten haben schon zu dieser Katastrophe geführt, bei der bislang 15 Menschenleben zu beklagen sind. Menschen mussten sterben, nur weil alles mit Handgelenk mal Pi durch den Tag manövriert wurde. Es kann tausend Mal gelingen, aber einmal nicht – und das mit fatalen Folgen…
Die Geschichte über einen Kapitän auf Abwegen…
Das Riff ist wohlbekannt
Nach seiner Festnahme gab der Kapitän F. S. zu Protokoll, das Riff, auf das die Costa Concordia aufgelaufen war, sei auf seiner Seekarte gar nicht verzeichnet gewesen. Die Bewohner der Insel Giglio können dieser Aussage zu ein müdes Lächeln abgewinnen. Denn die Brocken haben gar einen Namen: Le Scole. Gerüchten zufolge hat er weit vor Ende der Evakuierungsmassnahmen das Schiff verlassen und kehrte auch nicht auf Aufforderungen von Rettungskräften zurück – er bestieg ein Taxi, das ihn so weit wie möglich hätte bringen sollen. Illegal ist es nicht, aber extrem unethisch. Nicht umsonst hat sich folgendes Sprichwort etabliert: Der Kapitän sinkt mit dem Schiff.
15 Tote wegen einer blöden Idee
Es scheint sich immer mehr herauszukristallisieren, was zum Unglück führte. Der Kapitän habe ganz bestimmt die Bestimmungen verletzt, die Insel mit einem Abstand von drei Seemeilen (5,4 Kilometer) zu passieren. Der Grund ist eine so genannte “Tradition” zur Belustigung von Schiffspassagieren, Inselbewohner und Inseltouristen gleichermassen. Die Kreuzfahrtschiffe fahren nah am Ufer vorbei, was vor allem für die sich auf der Insel befindenden Menschen sehr eindrucksvoll erscheinen mag, aber für die Schiffsreisenden zur tödlichen Gefahr wird. In einem italienischen Nachrichtenportal wurde eine E-Mail publiziert, in der der Bürgermeister der Insel Giglio dem Kapitän dankt, der die Costa Concordia Anfangs August ebenfalls auf dem Weg von Civitavecchia nach Savona nah an der Insel vorbeigesteuert hatte und beschrieb, wie eindrücklich die Vorbeifahrt war – kurzum, ein Spektakel für die Touristen am Hafen. Es scheint auch Usus zu sein, bei der Vorbeifahrt am Hafen von Porto Giglio das Schiffshorn zu betätigen. In der Nacht vom 13. auf den 14. Januar wollte der Kapitän dem ganzen Treiben noch einen draufsetzen: Weil sich in seiner Mannschaft ein auf Giglio aufgewachsener Mitarbeiter befand, der kurzfristig eines kranken Kollegen wegen zum Dienst beordert wurde, wollte er, wie die Schwester des Mitarbeiters auf Facebook postete, noch näher an der Insel vorbeikreuzen, damit der Mitarbeiter seine Eltern grüssen könne. Wie sich herausstellte, zu nah…
Die Reederei Costa Crocieres S.p.A. hatte bei einer Pressekonferenz ihr Bedauern über den Vorfall geäussert.
Alles fürs Fotosujet? – SF Tagesschau-Reporter Florian Inhauser geht dem Gerücht nach, dass die Costa Concordia nur dem Spektakel wegen so nah an der Insel vorbeigefahren war.
Bei Nacht ist das Manöver noch gefährlicher, weil man im Gegensatz zum Tag nicht auf Sicht fahren kann. Die Havarie ereignete sich um 21:30 Uhr, zwei Stunden nach Ablegen in Civitavecchia. Der Alarm ging erst eine Stunde nach dem Auflaufen bei der Küstenwache ein, auch die Evakuierungsaktion sorgte für heftigste Kritik vonseiten der Reisenden.
In der Zeit zwischen dem Aufprall und dem Notruf versuchte der Kapitän, den Hafen von Porto Giglio anzulaufen. Er musste den Luxusliner deshalb drehen, was erklärt, wieso das Wrack mit der Bugspitze Richtung Süden, also Richtung Civitavecchia und somit in der Gegenrichtung des Verkehrswegs, liegt. Allerdings tat er dieses Wendemanöver erst lange nach dem Unfall, zunächst war er nach Norden weitergefahren, wenn während das Wrack nördlich des Giglieser Hafens liegt, befindet sich Le Scole südlich davon als Fortsetzung einer Landspitze.
Ein Unglück für die Abergläubischen
Die Katastrophe vor der italienischen Küste scheint ein Fressen für Abergläubische zu sein, da sie deren Thesen bestätigt. Einerseits das Unglücksdatum, die Kollision mit dem teilweise im Riss feststeckenden Felsen passierte an einem Freitag, dem 13. Man beachte aber, dass im Standortstaat Italien, nicht wie in unseren Gefilden der Freitag der 13. als Pechdatum gilt, sondern Freitag, der 17.
Des Weiteren zerbrach die vom Topmodel Eva Herzigová bei der Schiffstaufe 2006 an den Rumpf geworfene Champagnerflasche nicht, was Seemannslegenden nach für Unglück sorgen wird. Auch der Name Concordia – zu deutsch Eintracht – ist in der Verkehrs- und Tourismusbranche nicht gerade mit Erfolg gesegnet. Das Experiment mit dem Überschallflugzeug Concorde als Verkehrsmittel zwischen Paris beziehungsweise London und New York misslang gründlich, auch infolge eines Absturzes im Juli 2000 in Gonesse nahe Paris mit 155 Toten.
Experten zufolge sei das Schiff wegen der extremen Schlagseite von rund 80 Grad kaum mehr zu retten, bisher hat Costa Crociere allerdings noch keinen offiziellen Verlust bekannt gegeben, obwohl sie auf der firmeneigenen Website nicht mehr als Teil der Flotte erscheint. Aber dieser Fakt sei aufgrund der Opfer auch nebensächlich.
Angst vor einer Ölpest
Eine weit verheerende Katastrophe könnte die Havarie vor Giglio zur Folge haben: In den Tanks der Costa Concordia befinden sich noch 2400 Tonnen Schweröl. Zur Zeit befindet sich der Kreuzer auf seichtem Wasser mit nur 20 Meter Tiefe. Jedoch gibt es zwei pessimistische Szenarien: Der Kahn könnte einerseits in tiefere Gewässer abrutschen, was für die an der Bergung beteiligten Rettungskräfte lebensbedrohlich werden wird, oder aber auch auseinanderbrechen, was für die toskanische Küste eine nie gesehene Umweltkatastrophe bedeuten würde. In akuter Gefahr würde sich auch das Naturschutzgebiet am Monte Argentario befinden, zudem ist die Gegend rund um Giglio als Walreservat bekannt. Aus Sicherheitsgründen wurde das Wrack an sich nicht bewegt, obwohl es fast im Fahrwasser der Fähre von Porto Giglio nach Porto Santo Stefano, das auf dem Festland gelegen ist, liegt.
Das Unternehmen Costa
Die Reederei Costa gehört seit 1997 zum weltgrössten Kreuzfahrtschiffbetreiber Carnival Corporation & plc (P&O Cruises, Carnival, AIDA). Zudem ist sie ein Schwesterunternehmen der historischen Schifffahrtsunternehmen Cunard Line (Besitzerin der drei Schiffe Queen Mary 2, Queen Elizabeth und Queen Victoria) und Holland-America Line. Die Carnival ist eine dual-listed-company, das heisst, der gesamte Besitz des Konzerns (Firmen, Schiffe, etc.) werden von zwei Gesellschaften gehalten, eine mit Domizil in Panama City, die andere in Southampton/GBR.
Costa Crociere an sich ist nebst der Genfer MSC Cruises eine der wichtigsten Kreuzfahrtschiffbetreiberinnen im Mittelmeer. Die meisten Schiffe wurden von der italienischen Fincantieri-Werftgruppe vornehmlich an den Standorten Monfalcone, Venedig-Marghera und Genua-Sestri Ponente gefertigt. Als Heimathafen gilt Savona in Ligurien, doch vor allem für Fahrten ins östliche Mittelmeer dient der Hafen von Venedig als Ausgangspunkt, obwohl Costa dort im Gegensatz zu Savona kein eigenes Abfertigungsgebäude besitzt. Alle ihre zur Zeit 15 Schiffe (inklusive der Concordia) sind mit ockerfarbenen Schornsteinen ausgestattet, auf denen ein schwarzes C prangt.
Nebst dem Mittelmeer ist die Costa auch in Asien mit dem Label Costa Asia präsent, zudem ist sie auch auf Kreuzfahrten in der Karibik aktiv.
100 Jahre nach der Titanic
Durch die Havarie werden Erinnerungen an die Titanic-Katastrophe vor 100 Jahren wach, auch wenn das Unglück im Mittelmeer mit bisher elf Toten gegenüber deren 1502 bei der Titanic weit glimpflicher ausgegangen war. Übrigens sind die Wurzeln der Costa-Schwesterfirma Cunard Line auf die britische Reederei White Star Line zurückzuführen, welche die RMS Titanic ihr Eigen nennen konnte. Als bisher schlimmstes Schiffsunglück gilt die Versenkung der nazideutschen Wilhelm Gustloff durch das sowjetische U-Boot S-13 vor der Küste Pommerns, was über 9000 Tote forderte. In Friedenszeiten forderte die Kollision der philippischen Fähre Doña Paz mit einem Tanker zwischen Manila und der Insel Leyte offiziellen Angaben nach 4317 Todesopfer. In Europa forderte der Untergang der Ostseefähre Estonia im Jahre 1994 852 Menschenleben, für Aufsehen sorgen vor allem die hartnäckigen Gerüchte über eine Sprengung der Bugklappe aufgrund angeblicher Transporte von Rüstungsmaterialien auf dem Schiff.
An Bord der Concordia war übrigens ein britischer Musiker, dessen Vorfahr beim Untergang der Titanic musiziert habe. Des Weiteren war ein Grossonkel zweier Überlebender der Concordia-Havarie bei der Titanic als Kellner angestellt und eins der 1502 Todesopfer.
SF Tagesschau vom 14. Januar 2012 zur Havarie der Costa Concordia.
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