Kapitän F. S. war wohl tatsächlich nicht ganz bei Sinnen, als er am Abend des 13. Januars 2012 den Luxuskreuzer Costa Concordia bei der Insel Giglio vor der toskanischen Küste in ein Felsriff setzt. Will man italienischen Medienberichten glauben, hatte der Maestro auf der Brücke Besuch von einer 25-jährigen jungen Dame, welche den Commandante “abgelenkt” haben soll. Immerhin besser als die Ausrede, einfach ins Rettungsboot gefallen zu sein. Nebst der Frau, die dem Käpt’n die Sinne raubte, kristallisierte sich der diensthabende Beamte der Livorneser Hafenbehörde als Held der Gesellschaft heraus.
Angebliche Begleiterin als Zeugin gesucht
Gemäss italienischen Medien soll eine junge Frau indirekt Schuld an der katastrophalen Havarie vom 13. Januar, welche bisher fünfzehn Menschen das Leben gekostet hat, tragen, weil sie mit Gelächter unabsichtlich den Capitano bei seiner “Verneigung” vor der Insel Giglio abgelenkt habe.
Die Dame, welche sich den Medienberichten zufolge Zugang zur Kommandobrücke verschafft hatte, als F. S. das misslungene Manöver vor Giglio ausführte, ist 25 Jahre alt und stammt aus Moldawien. Die junge Frau mit dem Namen D. C. ist bei Costa Crociere S.p.A. angestellt, war jedoch urlaubshalber auf dem Schiff – ohne jedoch auf den Passagierlisten vermerkt gewesen zu sein, weil Offiziere und Kommandanten Freunde und Bekannte auf die Fahrt mitnehmen dürfen, die jedoch nicht als Gäste im engeren Sinne registriert werden. Bereits nach dem Unfall gab es Gerüchte, dass sich der Kapitän in weiblicher Gesellschaft befunden habe und sich an der Bar ein paar Gläser Wein gegönnt habe. Im Gegensatz zum Strassenverkehr gibt es in der Nautik keine Regelung in punkto Promillegrenze.
Die junge Moldawierin hat sich in ihrer Heimat gemeldet, sie wird als Zeugin gesucht, weil sich die Staatsanwaltschaft Grosseto und die Polizei von ihr wichtige Hinweise erhoffen, was sich kurz vor dem Unglück auf der Kommandobrücke der Costa Concordia abgespielt hat.
Seit dem Rücktritt von Silvio Berlusconi am 12. November als Ministerpräsident hat dieser nun einen würdigen Nachfolger als Lustmolch erhalten.
Mitarbeiter der Hafenbehörde gilt als Held
Für Entsetzen hat das nun in den Medien veröffentlichte Telefonat zwischen F. S. und dem Leiter der Hafenbehörde in Livorno gesorgt. Sie lassen darauf schliessen, dass der Kapitän tatsächlich frühzeitig das kenternde Schiff verlassen habe, während sich noch eine vierstellige Anzahl Menschen an Bord befand – somit hat er gegen das eiserne Gesetz der Schifffahrt verstossen, dass der Kapitän als letztes ein havariertes oder sinkendes Boot verlässt. F. S. hat sich verplappert, in dem er sagte, dass er keine Ahnung habe, wie das Schicksal der Menschen an und über Bord aussehe, weil er nicht mehr auf dem Schiff sei. Als der Geduldsfaden des diensthabenden Beamten der Hafenbehörde riss, donnerte er lauthals Gehen Sie an Bord, verdammt noch mal! in den Hörer – ein Spruch, der bereits jetzt Kultstatus erlangte, weil sogar mit dem Satz – zu italienisch Vada a bordo, cazzo! – bedruckte T-Shirts in Italien erhältlich sind. Der diensthabende Beamte, übrigens mit Namen Gregorio de Falco, habe während des Telefonats vor Wut geweint, und wird in Italien als Held verehrt.
F. S. als Buhmann, de Falco als Held und Vorbild – die Figuren, die Italien und die restliche Welt womöglich braucht, um den ganzen Schlamassel zu überstehen.
Der Meister der faulen Ausreden
Bisher war ich der Ansicht, dass die teilweise hetzerische Berichterstattung gewisser “seriöser” Medien nicht fair war, doch F. S. hat sich sein Grab selbst geschaufelt. Nicht nur hat er das Schiff frühzeitig verlassen, dieses Vorgehen auch noch geleugnet und sich stets geweigert, zurückzukehren, nein, jetzt hat er sogar versucht, sein womöglich nagendes Gewissen mit einer höchst fadenscheinigen Ausrede zu bereinigen: Bei der Koordinierung der Evakuierung sei er gestrauchelt und in ein Rettungsboot gefallen, das unmittelbar danach gewassert wurde. Sehr interessante Ausrede – dumm nur, dass per “Zufall” sich auch der Zweite und der Dritte Offizier auf besagtem Rettungsboot befunden haben. Kollektiv-Stolpern – die neue olympische Paradedisziplin? Denkste, gibt es nur in der Politik.
Nicht nur das, F. S. versucht, sich in rechtes Licht zu rücken, was zwar nicht unwahr ist: Mit seiner Kehrtwende Richtung Hafen von Porto Giglio hat er dafür gesorgt, dass sich das Kentern in seichtem Wasser ereignete, was zahlreichen Menschen das Leben gerettet haben mag. Jedoch: Das Wendemanöver ging er erst zahlreiche Minuten nach der Kollision mit dem Felsenriff Le Scole an, und das Drehen löste die heftige Schlagseite auch erst aus. Also scheint auch diese Aussage relativiert. F. S. muss sich wohl damit abfinden, der aktuell meistgehasste Mann Italiens zu sein – seit Berlusconis Abgang wurde auf dem Stiefel nach einem Schwarzen Peter gesucht, der für alle Miseren herhalten muss. Jetzt bekamen sie ihn vor Giglio auf dem Silbertablett serviert.
Auch Reederei gerät in Zugzwang
Nicht nur F.S., sondern auch die Offiziere auf der Brücke wurden in Gewahrsam genommen. Schliesslich hätten Sie ja F.S. auch an seinem Vorhaben hindern können – er ist nicht Alleinschuldiger. Zudem scheint auch die Reedere Costa Crociere nicht ganz unschuldig zu sein. Berichten zufolge wurde der Entscheid für die am bitteren Ende fatale Annäherung an Giglio nicht spontan gefällt, denn die Angelegenheit soll bereits beim Ablegen in Civitavecchia beschlossene Sache gewesen sein. Ob der Flottenmanager von Costa Crociere die Finger ebenfalls im Spiel hat, ist Gegenstand laufender Ermittlungen. Das so genannte “Verneigen” vor der Insel Giglio wurde schon von einigen Kapitänen und Schiffen der Flotte praktiziert, selbst F. S. gab bei Verhören an, das illegale Manöver bereits drei bis vier Mal absolviert zu haben.
Wettlauf gegen die Zeit
Noch immer werden über 20 Personen vermisst, die Rettungskräfte arbeiten auf Hochtouren. Ein riskanter Job – das Plateau, auf dem das Wrack liegt, ist kurz nach diesem zu Ende, es öffnet sich der Abgrund. Spätestens morgen wird in der Region schlechtes Wetter erwartet, die Bergungsarbeiten müssten abgebrochen werden, weil sich des rauhen Seegangs wegen das Wrack bewegen wird – und abzustürzen droht. Bei diesem Fall wäre eine Umweltkatastrophe wahrscheinlich, da sich noch 2400 Tonnen Schweröl und 200 Tonnen Diesel in den Tanks des Luxusliners befinden. Öl, das das als Walreservat bekannte Naturschutzgebiet um die Halbinsel Monte Argentario um Porto Santo Stefano akut gefährden würde.
Schwesterschiff passiert Wrack
Zu einer eigenartigen Szene kam es gestern Nacht, als die gekenterte Costa Concordia Gesellschaft von einem ihrer Schwesterschiffe, der baugleichen Costa Serena erhielt, als diese nach dem Auslaufen in Civitavecchia mit Ziel Savona (der gleiche Laufweg wie die Concordia) die Insel Giglio und somit auch das Wrack passierte. Während die Serena an der Concordia vorbeifuhr, gedachten die Passagiere und Besatzungsmitglieder auf ihr den Opfern der Havarie. Die Costa Serena ist das zur Zeit grösste Schiff der Costa Crociere-Flotte, sie ist mit 290 Metern gleich lang wie die Concordia und wurde auch zur selben Zeit wie diese in Dienst gestellt.
Video der italienischen Website CORRIERETV, das zeigt, wie die Costa Serena die teilweise gesunkene Costa Concordia passierte.
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