Sommerserie Architektur: Teil 6: KKL Luzern

Architektur Ingenieurwesen Magazin Musik Physik Schweiz Sommerserie 2011: Architektur Wissenschaft

Obwohl es schon seit geraumer Zeit in kalendarischer Hinsicht Herbst ist, kommt die Architektur-Sommerserie noch einmal zum Zug. In der letzten Folge geht es in die Schweiz, zum Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). 2000 offiziell eröffnet, erhebt sich die 226.5 Millionen Franken teure Konstruktion mit dem gigantischen Dach markant am Ufer des Vierwaldstätter Sees.

Architektonische Meisterleistung

Für Architekturfans soll der Luzerner Europaplatz eigentlich ein Mekka sein. Am Seeufer das KKL als Werk des französischen Stararchitekten Jean Nouvel, Seite an Seite mit dem 1991 eröffneten, von Nouvels spanisch-schweizerischem Pendant Santiago Calatrava geplanten Luzerner Bahnhof. Doch weil es die SBB aus irgend einem Grund geschafft haben, Calatravas Werk (der Bahnhof sähe gar nicht so scheusslich aus – insbesondere die Querhalle hat eine Genialität in sich) zu verschandeln und eintönig aussehen zu lassen, ist er leider nicht als Sehenswürdigkeit zu sehen, und das Doppelgestirn geht somit im ganzen Trubel um die Kapellbrücke unter. Ganz im Gegenteil zum KKL, das mit kubischen Formen und eleganten Konstruktionen das wohl einzige Werk der Superlative, das auch als solches erkennbar ist, der Zentralschweiz darstellt. Chapeau, Monsieur Nouvel!
Seit Anfang September ist das Doppelgespann KKL-Bahnhof noch um eine weitere architektonische Sehenswürdigkeit ergänzt worden, das Gebäude der Universität Luzern und der Pädagogischen Zentralschweiz. Die bisherige Hauptpost wurde umgebaut und mit einer pyramidenähnlichen Fassade neu verkleidet.

Kunstwerk 1: Der Konzertsaal

Bekannteste Räumlichkeit innerhalb der Mauern des Gebäudes ist sicherlich der grosse Konzertsaal, dessen Akustik als hochkarätig gilt. Der Klangkörper wurde in der Form eines Schiffrumpfs angelegt und verfügt über Gipsreliefs. Ebenfalls wurden die Türen als Schleusen konzipiert, so dass eine Isolation zwischen dem Konzertsaal und dem restlichen Gebäude existiert. Die Akustik ist insbesondere für klassische Musik hervorragend geeignet, Mittelpunkt des Jahres ist das im August und September stattfindende Lucerne Festival. Der italienische Stardirigent Claudio Abbado eröffnete den Saal 1998 mit einem Auftritt der Berliner Philharmoniker und ist seit 2003 musikalischer Leiter des Lucerne Festival Orchestra.

Kunstwerk 2: Das Dach

Untersich des KKL-Dachs
Das KKL in Luzern
In architektonischer Hinsicht sehr interessant ist das gigantische, auskragende Dach, das eine gewisse Symbolik ausstrahlt: Anlässe und Einrichtungen diverser Kategorien (Konzerte, Kongresse, Gastronomie) finden sich unter einem Dach. 12’000 Quadratmeter misst das Dach, wovon jedoch nur 5000 das eigentliche Gebäude bedecken. Die restlichen 7000 reichen in den See hinein und sorgen dafür, dass man den Europaplatz trockenen Fusses queren kann. Das Gebäude mit einem doch auch beachtlichen Grundriss geht unter dem Dach fast unter, was für eine gewisse Leichtigkeit sorgt. Je näher man sich zum Dachrand begibt, desto kleiner wird die Höhe. Insgesamt reduziert sich die Dachhöhe von 3,7 Metern bis auf wenige Zentimeter, zwischen der aluminiumverkleideten Untersicht und dem Boden befinden sich stets 21 Meter Höhendifferenz.

Durch die Verkleidung der Unterkante mit Aluminium reflektiert sich das Wasser der Vierwaldstättersees, welches wiederum das Dach reflektiert. Unter dem Dach findet sich zudem noch ein künstliches Bassin, mit Wasser gefüllt. Dieses Verhältnis zum Wasser ist der zentrale Aspekt Nouvels, denn ursprünglich plante er, das KKL in Schiffsform direkt in den See hinein zu errichten, was jedoch nicht funktionierte. Also brachte er das Wasser zum Gebäude. Nebst der Dachreflexion und dem Bassin gibt es noch zwei Wasserkanäle, die in das Gebäude hinein reichen und dort die drei Trakte (Konzertsaal, Luzerner Saal, Kongress- und Museumstrakt) voneinander trennt. Die drei Trakte sind eigenständig und voneinander unabhängig, werden jedoch durch das Dach miteinander vereint.

Die Bauingenieure der damals noch existierenden und für den Bau zuständigen Electrowatt mussten dabei auch berücksichtigen, dass das Gebäude wegen seiner windexponierten Lage Geschwindigkeiten von 160 km/h standhalten und auch trotzen kann. Durch Temperatureinflüsse und Windwirkungen entstehen Durchbiegungen von maximal 284 Millimetern, bei Abmessungen von 112.7 und 107.2 Metern doch beachtlich gering. Noch vor der offiziellen Eröffnung hatte das Dach im Rahmen des Orkans Lothar vom 26. Dezember 1999 seine Bewährungsprobe, die es ausgezeichnet überstanden hatte. Ebenfalls konnten die immensen Schneefälle im Februar desselben Jahres dem Dach nicht zusetzen.

Beeindruckend, weil das Dach keine Stützen umfasst, obwohl es bis zu 44.8 Meter weit vom eigentlichen Gebäude weg hinausragt. Vor dem Bau wurde das Gebäude in Kanada im Massstab 1:200 nachgebaut und im Windkanal den verschiedensten Verhältnissen ausgesetzt.

Trivia

An der Westfront des Gebäudes, dem Bahnhof zugewandt, prangt in grossen Lettern der Schriftzug KKL Luzern an der Fassade. Diese Formulierung sorgte bei Germanisten und anderen Sprachwissenschaftlern für Belustigung, denn sie ist ein Pleonasmus, weil Luzern schon im L enthalten ist und die Stadt eigentlich keine zusätzliche Erwähnung im Slogan mehr benötigt. Pleonasmen werden oft als Verstärkung genutzt, der vorliegende Fall ist der gleiche wie zum Beispiel LCD-Display, IT-Technologie oder tote Leiche. Der Zusatz ist eigentlich überflüssig, weil der Zustand oder das Produkt schon im Hauptwort erkennbar ist. Oder hat schon jemand eine lebendige Leiche gesehen, und zwar nicht metaphorisch gemeint?

Wieso dieser Bau in die Sommerserie gehört

Die Schweiz ist trotz Exponenten wie Le Corbusier, Herzog & De Meuron oder Mario Botta nicht gerade für aussergewöhnliche wie imposante Architektur bekannt. Klar gibt es einige Schaffer, die sich mit einem Denkmal verewigen wollen, auch wenn es in stilistischer Hinsicht ungenügend ausfällt. Als jüngstes Beispiel soll hier der Prime Tower in Zürich dienen, mit 126 Metern Höhe immerhin das höchste Gebäude des Landes. Trotz seiner Schlankheit hat es eine schwerfällige, klumpe Erscheinung. Ganz anders hier das KKL. Es steht zwar wuchtig am Ufer des Sees, mit dem verjüngenden Dach erscheint es jedoch nicht so. Auch Nouvels Konzept mit der Vereinigung des Wassers beeindruckt mich, genauso die Symbolik der Vereinigung für das Dach. Sowieso ist das Dach nebst dem Konzertsaal das Meisterwerk, denn trotz allen Kräftegleichungen und Statiktheorien befindet es sich im Gleichgewicht. Jedoch muss bei Mängeln besonders vorsichtig, aber schnell reagiert werden, denn die Auswirkungen wären verheerend. So musste das Dach bereits nach 13 Jahren von März bis Mai 2011 saniert werden, weil es undicht war.

Als Anerkennung wurde das Gebäude 2001 als eine der 10 weltweit massgebendsten Ingenieurbauten seit 1991 ausgezeichnet.

Schlusswort zur Sommerserie

Mit dem KKL endet die Sommerserie über bekannte und beeindruckende Gebäude und Stadtviertel. Leider muss ich die Bilanz als sehr durchzogen bezeichnen, denn die Beliebtheit hielt sich in Grenzen. Mir ist schon klar, dass diese Artikel nur eine bestimmte Zielgruppe interessieren, jedoch konnte ich diese mangels Verknüpfungen und Verlinkungen in spezifischen Blogs der Architektur und des Bauwesens nicht erreichen, wie das beispielsweise bei der Eisenbahn gelungen ist. Beträge in Architektur und Ingenieurwesen werden trotzdem folgen, vor allem, wenn es um aktuelle Beiträge geht.

Siehe auch

  • 30 St Mary Axe, London
  • Elevador do Carmo, Lissabon
  • Canary Wharf, London
  • Forth Bridges, South Queensferry/North Queensferry, Schottland
  • Potsdamer Platz, Berlin
  • Links

  • PDF-Datei mit Einzelheiten zum Dach des KKL
  • Beschreibung der Architektur und Nouvels Hintergedanken
  • 2 thoughts on “Sommerserie Architektur: Teil 6: KKL Luzern

    Comments are closed.