In diesen Tagen gelangt Berlin wieder einmal in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Diesmal geht es jedoch nicht um politische Entscheidungen, sondern um den 25. Jahrestag der Öffnung der Berliner Mauer – umgangssprachlich als Mauerfall bezeichnet. Zahlreiche Aktionen und Feierlichkeiten lassen die verschiedenen Aspekte der DDR auferleben: Das unterdrückende Regime, die miserable Infrastruktur, das minimal vorhandene Hab und Gut und auch die Revolution von 1989 wird in diversen Zeitskalen den Menschen wieder vor Auge geführt. Bei all den Feierlichkeiten stellt sich jedoch die Frage, inwiefern Deutschland seit diesem bedeutenden geschichtlichen Ereignis tatsächlich wieder zusammengewachsen ist.
Die stille Revolution als Weg zum Erfolg
So einig das Ziel damals war, so uneinig ist man sich heute im Konflikt, wer jetzt wirklich den Mauerfall ausgelöst hat. War es das Volk, das sich mit einer stillen Revolution in Form von Grossdemonstrationen, die aus irgendwelchen Gründen vom Regime nicht blutig niedergeschlagen wurden, die Freiheit erkämpfte – oder war BRD-Bundeskanzler Helmut Kohl, der das Land einte. Nicht zu vergessen Michail Gorbatschow mit seinen Glasnost– und Perestroika-Reformen oder die stattliche Anzahl US-Präsidenten, welche im Kalten Krieg agierten. Statt sich auf das Erreichte zu fokussieren, streitet man sich darüber, wer jetzt der wichtigste Akteur der Wiedervereinigung, die ja faktisch “nur” ein Beitritt der DDR zur BRD war.
Mittlerweile macht sich die Sicherheit breit, dass das Volk selbst mit seinen Grossdemonstrationen den Weg zur Freiheit geebnet hat. Die Aufruhr gegenüber dem Regime, das die Vorzüge des Kapitalismus auslebte und dem Volk nur spärliche Brosamen übrig liess.
Helmut Kohl wiederum setzte alle Hebel in Bewegung, dass die Wiedervereinigung in seine Amtszeit fällt um danach als Kanzler der Einheit angesehen zu werden. Mit Erfolg. Doch die Wiedervereinigung ging in einigen Bereichen zu schnell vonstatten.
Beitrag der SRF Tagesschau vom 9. November 2014 zu den Feierlichkeiten an der Gedenkstätte Bernauer Strasse in Berlin
Chronologie der Ereignisse
Die Geschichte der deutschen Teilung beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg, als zwischen Rhein und der Oder/Neisse-Linie das Staatsgebiet unter den vier Siegermächten – USA, Grossbritannien, Frankreich und der Sowjetunion – aufgeteilt wird. 1949 wird aus den drei westlichen alliierten Besatzungszonen die Bundesrepublik Deutschland (BRD) gegründet, aus der sowjetischen die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Vor allem das zweite ‘D’ war nicht viel mehr als Etikettenschwindel. Inmitten der SBZ verfügten die drei Westalliierten mit dem späteren West-Berlin über eine Exlave, die ebenfalls Teil der BRD wurde. Da der Grenzverkehr innerhalb Berlins ab 1949 bis 1952 weiterhin problemlos möglich war, nutzten viele DDR-Bürger West-Berlin als Schlupfloch. Bald mehrten sich Gerüchte, dass das ZK des SED-Politbüros unter Walter Ulbricht eine Mauer zu bauen beabsichtigte. Nur zwei Monate nach einem öffentlichen Dementi Ulbrichts startete am 13. August 1961 der Bau der Berliner Mauer, im typischen Propagandastil als antifaschistischer Schutzwall bezeichnet. 28 Jahre lang sperrte sie das eigene Volk buchstäblich ein. Nach Ulbricht folgte Erich Honecker als Staatschef der DDR und die Verblendung ging weiter. Bis das Volk genug hatte. Genug vom armen Leben, während die Führung in Saus und Braus badete. Genug von den Bespitzelungen durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), kurz Stasi genannt. Nachdem Gorbatschow in Moskau das Ruder übernommen hatte, schien sich im Ostblock eine Kehrtwende anzubahnen. 1989 feierte sich die DDR-Führung beim 40. Jahrestag der Staatsgründung selbst. Während Honecker Gorbatschow die angebliche wirtschaftliche Stabilität der DDR lobpreiste, wusste dieser von der desolaten Finanzlage. Zudem begann sich das Volk aufzulehnen. In Leipzig fand der Startschuss zu den Montagsdemonstrationen statt. Auch andere Ostblockstaaten lockerten ihre Reisebestimmungen, so dass es im Spätsommer 1989 zur Besetzung der bundesdeutschen Botschaft in Prag kam. Die Flüchtlinge konnten danach per Zug nach Bayern ausreisen. Am 9. November 1989, drei Wochen nach der Absetzung Honeckers, hielt das SED-Politbüro eine Pressekonferenz zu neuen Reisebestimmungen ab. Politbüro-Mitglied Günther Schabrowski verkündete, dass die Ausreise in andere Staaten visafrei möglich sei. Auf Nachfrage musste er verdutzt angeben, dass die Bestimmung per sofort gelte. Sofort versammelten sich unzählige DDR-Bürger am Grenzübergang Bornholmer Strasse.
Von da an dauerte es 11 Monate, ehe aus zwei deutschen Staaten wieder einer wurde. In diesen 11 Monaten erlebten die Bürgerinnen und Bürger DDR am 18. März 1990 die einzige freie Volkskammerwahl, die nicht nur von der SED und ihren Blockparteien mit überwältigender Mehrheit gewonnen wurden.
Verblendung als roter Faden durch die Geschichte
Verblendung und Manipulation waren die zwei roten Fäden der DDR-Geschichte. Das Volk unterstand dem Gemeinwohl, Eigenbesitz gab es kaum. Für den bestellten Trabbi oder Wartburg waren Wartezeiten von über zwölf Jahren keine Seltenheit. Während das Volk bescheiden lebte, genoss die politische Führung in der Waldsiedlung Bernau oder zuvor in Berlin-Pankow alle Vorzüge des Kapitalismus. Es wurde mit grosser Kelle angerührt: Gigantische Plattenbauten dienten als Wohngebäude, Statuten Lenins und Stalins waren überall anzutreffen und die DDR-Regierung beschenkte sich 1976 mit dem mittlerweile abgerissenen Palast der Republik als Sitz der Volkskammer und Kulturzentrum in Ost-Berlin selbst. Mehr Schein als Sein. Auf kaum eine andere Staatsführung trifft diese Floskel am ehesten zu.
Wer nach 1961 flüchten wollte, riskierte den Tod durch Erschiessung. Die Stasi liess Regimeuntreue und -kritiker bespitzeln, teils von Familienmitgliedern und (vermeintlich) engsten Freunden.
Karl Marx’ und Friedrich Engels’ Ideen einer Gleichheit unter den Menschen – eine Utopie, die nicht möglich ist. In seinem Innersten ist der Mensch auf sich fixiert, er strebt nach Macht. Wieso soll der ehrgeizige Arbeiter gleich wenig erhalten wie der Faulpelz nebenan? Die Führungen der Ostblockstaaten verdrehten diese Ideen und die Grundgedanken der beiden Philosophen aufs Übelste und verwandelten sie in eine Dystopie. Ein Image, das sowohl Marx, als auch Engels nicht verdient haben.
Die Unterschiede sind bis heute ersichtlich
Seit 24 Jahren sind die BRD und die DDR wieder ein Staat. Zahlreiche Infrastrukturprojekte wurden oder werden verwirklicht, um die beiden Landesteile zusammenwachsen zu lassen. Trotz allen Bemühungen sind die Unterschiede klar ersichtlich. Für die Bevölkerung aus den Neuen Bundesländern war in erster Linie der Umstieg zwischen Systemen zu bewältigen – von der Planwirtschaft mit Fremddenken bis hin zur Marktwirtschaft mit individuellem Denken. Leider ein Ziel westdeutscher Spekulanten.
Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall sind die infrastrukturiellen Unterschiede klar ersichtlich. Auch im sozialen Bereich hinken die Gebiete der ehemaligen DDR hintennach: So sind die Renten in Ostdeutschland tiefer als in den Alten Bundesländern.
Die Spuren sind beseitigt. Bereits in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 wurden Teile der Mauer von eigener Hand niedergerissen. Einige wenige Teilstücke wie die East Side Gallery in Friedrichshain oder an der Bernauer Strasse in Berlin-Wedding.