Ruhe in Frieden Timo: Ein Leben für den Fussball und Poulets

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Die Fussballwelt trauert um den ersten Torschützen der Bundesliga – der an Krebs erkrankte ehemalige Fussballspieler und -trainer Timo Konietzka setzte gestern Abend seinem Leiden ein Ende. Zuletzt führte er gemeinsam mit seiner Frau Claudia in Brunnen/SZ am Vierwaldstättersee das für seine Poulets bekannte Gasthaus Ochsen. Das Leben eines Mannes, der sein Leben geschickt zu vermarkten wusste, ging damit zu Ende. Mit seinem Ableben erreichte Konietzka ein weiteres Ziel: Sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz ist, wie von ihm beabsichtigt, die Diskussion über Sterbehilfe neu entfacht.

Schütze des ersten Bundesligators
Der vor seiner Fussballerkarriere im Bergwerk malochende Konietzka sagte einmal, dass er, hätte er – im Trikot Borrussia Dortmunds – den ersten Treffer der 1963 neu gegründeten Deutschen Fussball-Bundesliga, von dem übrigens keine Foto- und Filmaufnahmen existieren, nicht erzielt, hätte die Sportwelt kaum von ihm Kenntnis genommen. Dies mag der Wahrheit entsprechen, obwohl er mit Borussia Dortmund und 1860 München Erfolge feierte, ist er auf positive Weise vor allem mit seinem ersten Tor gegen Werder Bremen (die Borussia verlor die Partie danach noch) bekannt. Jedoch massiv zu Unrecht. Seine Quote von 72 Toren in 100 Bundesligaspielen wurde von genau einer Person übertroffen: Gerd Müller, der in Deutschland schlicht Bomber der Nation genannt wird. Auf der anderen Seite jedoch hält Konietzka auch einen Negativrekord in der Bundesliga: Nach einem Angriff auf einen Schiedsrichter wurde er derjenige Spieler, der vom Sportgericht am längsten aus dem Verkehr gezogen wurde, bis heute. Diese monatelange Sperre veranlasste den 1938 als Friedhelm Konietzka im deutschen Lüden (NRW) geborenen Stürmer, in die Schweiz auszuwandern. Hierzulande war er vor allem als Trainer tätig, mit seinem konsequenten Stil in der Anfangsphase auch mit Erfolg. Sowohl die Grashoppers (1982) als auch den FC Zürich (1974-1976) führte er zum Meistertitel, letztere führte er 1977 gar in den Halbfinals des Europapokals der Landesmeister, wo die Stadtzürcher allerdings gegen den FC Liverpool die Segel streichen mussten – eine Errungenschaft, die bisher seinesgleichen sucht.
Letztmals auf dem Fussballfeld aktiv war er nach einem Marketinggag von Radio Sunshine, als er die offiziell schlechteste Mannschaft, die Fünftligaquipe des FC Ebikon, spasseshalber für eine Partie übernahm und sie sogleich zu einem Unentschieden führte.

Er wusste sich zu vermarkten
Nachdem modernere Trainingsmethoden seinen eigenen den Rang abgelaufen hatten, zog sich Konietzka aus dem Profigeschäft zurück und engagierte sich auf andere Weise. Er wusste sich selbst dank besagtem Tor zu vermarkten und verfügte ebenso über die Erkenntnis, dass Schlagzeilen seinen Lebensunterhalt bedeuten. Neben seiner Wirtetätigkeit zuerst im Drei Königen zu Schwyz und später dann im Brunner Ochsen arbeitete er bis zuletzt als freier Mitarbeiter bei der Schweizer Boulevardzeitung Blick und bewarb Pflegeschuhe. Die meiste Zeit sass er in traditioneller Schweizer Kleidung mit möglichst viel Schweizerkreuz im Wintergarten des Ochsen. Wenige Wochen vor seinem Tod, am 7. Januar 2012, wurde er als Bartlivater eingesetzt und galt damit als höchster Fasnächtler von Brunnen – ein Amt, dass er für ein Jahr lang zu bekleiden habe. Im Rahmen der Brunner Fasnacht hatte er am Schmutzigen Donnerstag seinen letzten öffentlichen Auftritt, die Tagwache wurde gar von einem Team des Fernsehsenders Tele 1 begleitet.
Seit 2010 trat er in diversen Werbespots im Schweizer Fernsehen auf, in denen er seine Unterstützung für die Sterbehilfeorganisation Exit bekundete. Zudem erklärte er, bei allfälligen Leiden auch so den Weg ins Jenseits anzutreten, statt jaherlang künstlich am Leben gehalten zu werden. Eine Aussage, die er am 12. März 2012 in die Tat umsetzte. Um 18:52 verstarb Konietzka im Beisein seiner Familie und Exit-Vertretern zuhause in seiner Wahlheimat Brunnen, nachdem er einen Giftcocktail eingenommen hatte. Seit Februar litt er an unheilbarem Gallenkrebs und wollte seiner Ankündigung getreu nicht mehr weiterleiden. An seiner Krankheit, im medizinischen Jargon Gallengangskarzinom genannt, erkranken nur etwa 1 bis 2 Personen pro 100’000 Einwohner pro Jahr. Sobald sich dieser Tumor nicht mehr operativ entfernen lässt, sinkt die Fünfjahresüberlebensrate auf null – konkret gesagt, keiner lebt noch fünf Jahre nach der Diagnose. Zuvor musste der gesundheitlich schon seit geraumer Zeit angeschlagene Konietzka bereits mehrere Herzattacken überstehen, eine während der FIFA Ballon d’Or-Gala 2011. Sein letzter Wunsch war nebst dem letzmaligen Sehen seiner Enkel, ganz einfach ein Bierchen zu trinken. Konietzkas Ableben steht seinem Leben in keiner Weise nach: Konsequentes Handeln prägte ihn. Er schafft es sogar, irgendwie seinen Tod zu vermarkten: Aufgrund der Tatsache, dass er den Weg via Sterbehilfe wählte, stieg dieses heftig umstrittene Thema während des heutigen Tages zum Tagesthema Nummer 1 in Deutschland und der Schweiz empor. Ganz nach Konietzkas Gusto bekommen Organisationen wie Exit oder Dignitas die mediale Aufmerksamkeit, die ihnen seiner Ansicht nach gebühren sollte.

Diskussion über Sterbehilfe entfacht
Während in zahlreichen Staaten wie beispielsweise Deutschland Sterbehilfe allgemein verboten wird, ist in der Schweiz seit 1918 zumindest die Beihilfe zum Suizid legal, jedoch nicht, wie fälschlicherweise in den Medien behauptet wurde, die Sterbehilfe an sich. Die Organisationen treffen die Vorbereitungen, wie in seinem Falle das Mixen des Drinks, doch der letzte Schritt – also das Trinken – muss von dem Sterbenden bei seinem vollen Bewusstsein vollzogen werden. Wäre Konietzka das Gift beispielsweise durch Dritte in seinen Körper geführt worden, wäre die Sachlage gemäss Schweizer Recht ganz einfach Mord. Beispielsweise wurde vor zehn Jahren ein Pfleger wegen Mordes verurteilt, weil er in Pflegeheimen in Luzern, Küssnacht am Rigi/SZ und Sarnen/OW dutzende Pflegebedürftige getötet hat, ohne dass diese das wollten. Seine Aussage, dass er seinen Opfer habe helfen wollen, liess die Richter keine Gnade walten und der Herr verbringt jetzt seine Tage hinter Schwedischen Gardinen.
Konietzka amtete seit Jahren als Botschafter von Exit, die auch von anderen Prominenten unterstützt wird, so beispielsweise von Kabarettist Viktor Giacobbo. Die Sterbehilfe ist vor allem in (christlich-) konservativen Kreisen höchst umstritten, da sie für Respektlosigkeit vor dem Leben steht. Zudem sorgt der Gedanke für Unbehagen, jemandem den Auftrag für den Mord an der eigenen Person zu geben. Doch der mutige Schritt Konietzkas ist zu verstehen, denn wer will schon monatelang im Wissen, bald sterben zu müssen, mit Schmerzen und mit grossem Leiden dahinsiechen? Und es soll jetzt niemand behaupten, die Sterbehilfe verstosse gegen christliche Werte. Das Bodenpersonal Christi auf Erden hat in jüngster und älterer Vergangenheit selbst oftmals bewiesen, es nicht so genau mit Legalitäten zu leben. Ich persönlich befürworte die Sterbehilfe, denn man entscheidet ganz alleine über sein eigenes Leben. Wenn man nicht mehr leben möchte, dann darf man doch gehen. Oder etwa nicht? Aber ob ich den Mut zu diesem Schritt aufbringen könnte, weiss ich nicht. Deshalb ziehe ich meinen Hut vor Timo Konietzka!
Nachdem Konietzka in seiner selbst verfassten Todesanzeige uns aufgefordert hatte, dass wir das Beste aus unserem Leben machen sollen, möchte ich ihm nun mit folgenden Worten Antwort geben: Mache ich! Und basierend auf eine Diskussion zwischen ihm und meiner Wenigkeit möchte ich noch anfügen, dass ich hoffe, dass er im Himmel Georgie Bests Gesellschaft geniessen wird!
Ruhe in Frieden!

Was selbstverständlich an dieser Stelle nicht fehlen darf sind dieverse Videoaufnahmen.


Vom Boten der Urschweiz zusammengestelltes Video zum Abschied von Timo Konietzka

Bericht des Sportinformationsdienstes (SID) über Konietzkas Ableben:

Schweiz aktuell vom 18.04.2011
Schweiz aktuell-Reportage über Konietzkas Engagement beim FC Ebikon

Und abschliessend das jüngste Dokument über Konietzkas Tätigkeit als Bartlivater – der legendäre Tele 1-Beitrag über die Brunner Tagwache mit Konietzka und all den Schorschs, Ginas, Linggis und Simones…