Nachdem im ersten Teil der zweiteiligen Serie die Brunnen–Morschach–Bahn (BrMB) und das Tram von Seewen über Schwyz nach Brunnen (Schwyzer Strassenbahnen, SStB) behandelt wurden, wird jetzt im zweiten und letzten Teil auf den Spuren des ehemaligen Gotthardbahn-Trasses in Brunnen und der als Mühlibähnli bekannten Holcim-Werkbahn gewandelt.
Die alte Gotthardbahn-Trasse in Brunnen
Geschichtlicher Überblick
Bevor die Doppelspur der Gotthardbahn zwischen Brunnen und Sisikon 1948 dem Verkehr übergeben werden konnte, hatte die Bahn eine leicht abweichende eingleisige Linienführung, welche durch den Ausbau auch gestrafft wurde. Vom heute noch bestehenden seeseitigen Gleis, auf dem fahrplanmässig die Züge in Fahrtrichtung Brunnen fahren, führte die Gotthardbahn entlang des heutigen Uferwegs am Mythenstein vorbei, um dann vor dem Bellevue im Gütschtunnel zu verschwinden, den sie bei der Olympstrasse wieder verliess, diese und die Suststrasse mit Niveauübergängen querte, ehe sie dann nach einer Brücke über den Chloschterbach auf Höhe der heutigen Coop-Überbauung die heute noch bestehende Linienführung zum Bahnhof Brunnen innehatte. Die Wasiwand wurde bei der Sturmwarnung mittels Tunnel gequert, hier befinden sich mit dem ehemaligen Wasiwandtunnel der Brunnen–Morschach–Bahn innerhalb weniger Meter Entfernung zwei stillgelegte Bahntunnel verschiedener Gesellschaften.
Ein Bahnhof Brunnen am Bellevuequai?
Der Mythenstein war der von den Brunnern favorisierte Standort eines Bahnhofs Brunnen gewesen, jedoch setzen sich in der dorfinternen Auseinandersetzung die Ingenbohler durch, welche den heutigen Standort priorisiert hatten. Aus verkehrstechnischer Sicht war diese Wahl sicherlich die bessere, da mit dem Bau des Morschachertunnels der Doppelspurausbau ohne grössere Probleme vonstatten gehen konnte, während die Gütsch- und Wasiwandtunnels kaum Möglichkeiten für ein zweites Gleis besassen, weswegen auch die geradlinige Variante gewählt wurde. Aus verkehrsbedeutender Sicht wäre ein Bahnhof Mythenstein weitaus besser gewesen, insbesondere für die Brunnen–Morschach–Bahn, welche auf der anderen Seite der Axenstrasse ihren Ausgangspunkt fand. Jedoch bestand bei Betriebsaufnahme der Gotthardbahn 1882 noch keine konkrete Idee einer Zahnradbahn, da mag es beinah ironisch anmuten, dass ausgerechnet die grosse Distanz zwischen den Bahnhöfen der BrMB und der SBB in Brunnen das Todesurteil für die BrMB war. Jedoch hätte man insbesondere nach der Betriebsaufnahme der BrMB 1905 eine Zwei-Bahnhofs-Lösung analog zu Linthal (Linthal und Linthal Braunwaldbahn) mit je einer Station in Ingenbohl und am Mythenstein ins Spiel bringen können; wohlverstanden war zwar der Haltestellenabstand von knapp einem Kilometer für damalige Verhältnisse zu gering gewesen, um diese Idee Realität werden zu lassen, nach heutigen Massstäben aber, wo je nach Strecke der Abstand gerade mal rund 500 Meter (Zug–Zug Schutzengel beispielsweise) beträgt, wäre dies zu verwirklichen gewesen.
Heutige Überreste in der Gemeinde Ingenbohl
Die ehemalige Linienführung ist heute noch erkennbar, ist sie doch grösstenteils Bestandteil der Brunner Uferpromenade und östliche Erweiterung des Bellevuequais. Der Endpunkt des Weges unmittelbar vor dem seeseitigen Gleis ist mit einem Tor markiert. Der Tunnel durch die Wasiwand ist als Teil dieses Uferwegs begehbar, dies im Gegensatz zum Gütschtunnel, für den es in letzter Zeit zahlreiche neue Nutzungsideen in Form eines Käselagers oder eines Parkhauses gab, bis Sommer 2014 dient er vorwiegend als Baustellenzufahrt für den teilweisen Neubau des ehemaligen Hotels Bellevue. Auf dem ehemaligen Trasse verläuft heute parallel zur neuen Linie zwischen Sust- und Olympstrasse ein Verbindungsweg.
Bilderstrecke
Die Bilder befinden sich in Eigentum von Daniel Wachter. Zuwiderhandlung wird umgehend geahndet.
Mühlibähnli – Werkbahn Ingenbohl–Unterschönenbuch
Geschichtlicher Überblick
Als der Schweizer Zementkonzern Holcim im Frühling 2008 die Schliessung des Werks Brunnen inklusive Entlassung der 44 Beschäftigten verordnete, fiel auch die letzte Klappe der Lebenshistorie der Werkbahn vom Steinbruch Unterschönenbuch in die Zementfabrik. Dies obwohl der Steinbruch samt Schotterwerk weiterhin bestehen bleibt, da der Wegtransport per Lastwagen jedoch kostengünstiger und weniger aufwändig ist als eine Verladestation von der Werkbahn auf die SBB, war ihr Schicksal besiegelt. Die Bahn mit Spurweite 750 mm hatte in der Bevölkerung viele Namen, so beispielsweise Beton-TGV, die offizielle Bezeichnung im Volksmunde lautete aber Mühlibähnli. Nachdem Karl Hürlimann 1882 sein Zementwerk nördlich des Brunner Bahnhofs errichtet hatte, wurde dieses ab 1885 per Pferdebahn mit dem Steinbruch in Unterschönenbuch verbunden. Ab 1912 wurden die animalischen Zugmaschinen durch Dampflokomotiven ersetzt, ehe die Bahn 1940 auf Dieselbetrieb umgestellt wurde. Ab 1990 bis zum Abbruch der Strecke 2009 wurden Pendelzüge mit Steuerwagen eingesetzt, damit in Unterschönenbuch und in Ingenbohl auf ein Umsetzen der Lokomotiven verzichtet werden konnte.
Nach vierjähriger Lagerung bei der Firma Tafag AG in Goldau/SZ wurden die beiden Lokomotiven des Typs DIEMA CFL 150 im Jahre 2013 an die Zillertalbahn verkauft, für diese sollen sie im Rangierdienst im Bahnhof Jenbach/AUT eingesetzt werden. Dafür erhielten sie bereits eine rote Lackierung und die Bezeichnung D1 bzw. D2, sie ersetzen die defekte Schublok D11 und die Schublok D12, welche von der Zillertalbahn an die deutsche Rhein-Sieg-Bahn zurückverkauft wurde. Weil die Führerstände der ehemaligen Mühlibähnli-Lokomotiven den Normen der Zillertalbahn nicht vollends genügen, sollen diese erhöht werden.
Heutige Zeitzeugen in der Gemeinde Ingenbohl
Die Schienen wurden bis auf ein paar Gleisstränge auf dem Areal der stillgelegten Zementfabrik, welche ab Sommer 2014 abgebrochen und dem Neubaugebiet Nova Brunnen weichen muss, vollständig abgebaut. Jedoch ist der Trassenverlauf noch weitestgehend nachvollziehbar. In Unterschönenbuch ist die Abfüllstation noch vorhanden, sie dient jetzt aber den Lastwagen. Entlang der Schönenbuchstrasse ist das Trasse in ein Trottoir umgewandelt worden, die lichtraumprofilbedingte erhöhte Linienführung gegenüber der Strasse in der Unterführung unter der Autostrasse A4 wurde beibehalten. Die Querung der Schwyzerstrasse, welche zunächst aus Andreaskreuzen mit Blinklicht bestand und in den 1990er-Jahren aus Sicherheitsgründen auf Lichtsignalanlagen umgestellt wurde, ist dank nur notdürftiger Strassensanierung weiterhin erkennbar, sogar einzelne Markierungen wurden noch nicht entfernt. Das parallel zur Seewenstrasse führende Gleisbett fiel der Verbreiterung der Strasse zum Opfer, während die Unterführung unter der SBB-Gotthardbahn heute der Versorgung durch Fernwärme der Agro Energie Schwyz dient. Nebst der noch vorhandenen Entladehalle befinden sich auf dem ehemaligen Holcim-Areal noch diverse Geleise und Weichen, die aber nicht für den Schottertransport, sondern internem Rangierverkehr dienten. Bereits zu Betriebszeiten der Zementfabrik nicht mehr benötigte Schienenstränge wurden notdürftig mit Beton überdeckt, sind aber noch erkennbar. Signalisationen wie Lichtsignale oder Warnschilder finden sich ebenfalls nur noch auf dem Holcim-Areal, die entsprechenden Vorrichtungen an der Schwyzerstrasse wurden mit dem Streckenabbruch ebenfalls beseitigt.
Bilderstrecke
Die Bilder befinden sich in Eigentum von Daniel Wachter. Zuwiderhandlung wird umgehend geahndet.