In der Schweiz liegen sich die Autolobby und die Befürworter eines Bahnausbaus in den Haaren und bremsen so den dringend notwendigen Ausbau der Bahninfrastruktur. Cabo Ruivo-Chefautor Daniel Wachter publizierte diesen Artikel über das Dilemma der Schweizer Verkehrspolitik bei der deutschen Online-Zeitung Der Freitag.
Der unumgängliche Ausbau der Bahninfrastruktur

Warum die Bahn von Quersubventionen profitieren muss
Die Autolobby geht bei ihren Gedankengängen viel zu wenig weit: Auch sie profitieren von der Bahn. Man stelle sich nur den Zustand auf den Autobahnen vor, würde die Eisenbahn nicht existieren und der gesamte Pendlerverkehr auf die Strasse verlagert werden. Zudem sind fossile Brennstoffe bekanntlich endlich und die Bahn leistet ebenso einen Beitrag zum Umweltschutz. Leider aber wird die SBB vom Bund nicht als Service public angesehen, sondern als wirtschaftliches Unternehmen, weswegen auch die SBB dem Gewinnzwang unterliegt, was in fehlenden Investitionen in Infrastruktur und Sicherheit sowie Personalabbau mündet. Ein Aufhänger für die Boulevard-Presse, wie nach dem schweren Zugunglück in Granges-près-Marnand/VD im Juli dieses Jahres lang wie breit über die fehlende Sicherheit der Bahn durch alle Medienkanäle diskutiert wurde, ohne jedoch über den Horizont zu blicken und die wahren Gründe zu suchen.
Ungleichmässige Verteilung der Infrastrukturprojekte
Für die Schweizer Eidgenossenschaft hat sich in den letzten Jahren jedoch der Trend eingesetzt, vorwiegend Bauvorhaben an der West-Ost-Achse zu unterstützen, da die Nord-Süd-Achse durch die NEAT genügend Zuwendungen erhalten hatte. Während jedoch bei der Ost-West-Achse alle Anrainer davon profitieren, konzentrieren sich die meisten Ausgaben der Nord-Süd-Achse auf die drei Basistunnels am Lötschberg, Gotthard und Ceneri. Aus finanziellen Gründen wurde beispielsweise der Axentunnel der NEAT zwischen Brunnen/SZ und Erstfeld/UR als unmittelbar nördliche Fortsetzung des Gotthard-Basistunnels gestrichen, während an derselben Stelle bis 2025 für 740 Millionen Schweizer Franken zwei Strassentunnels errichtet werden, weil es auf der heutigen Axenstrasse alle paar Jahre zu ein paar kleinen Felsabbrüchen kommt
Auch innerhalb der Ost-West-Achse sind die Verteilschlüssel unterschiedlich, die Ostschweiz geht bei Bundeszuwendungen beinahe leer aus, während in der Metropolregion Bern-Solothurn, dem sogenannten Espace Mittelland, die Bauprojekte zu einem grossen Prozentsatz durch den Bund finanziert werden.
Über FABI entscheidet das Schweizer Stimmvolk am 9. Februar 2014 an der Urne.
Der umstrittene HGV-Investitionstopf
Für den Anschluss der Schweiz ans europäische Hochgeschwindigkeitsnetz wurde ein separater Finanzierungstopf aufgebaut, mit dem unter anderem Projekte wie die Schnellfahrstrecke Rhin-Rhône in Frankreich, der Rosshäuserntunnel an der Linie Bern–Neuenburg oder der Ausbau der Strecke Lindau–Geltendorf in Deutschland finanziell unterstützt wurden. Insbesondere der Rosshäuserntunnel sorgt für rote Köpfe. Mit dem Bau wurde letztes Jahr begonnen, der Tunnelneubau dient der Errichtung einer neuen Doppelspurinsel auf der Linie Bern–Neuenburg, die einmal pro Tag durch das TGV-Zugspaar (Interlaken Ost–) Bern–Paris Gare de Lyon befahren wird. Jedoch wird die Betreibergesellschaft TGV Lyria den Zug ab Dezember nicht mehr via Neuenburg, sondern via Basel verkehren lassen, um eine Zeitersparnis zu erreichen. Aus diesem Grund sei die Finanzierung des Rosshäuserntunnels aus dem HGV-Topf für viele nicht mehr legitim. Ebenso umstritten ist die Beihilfe am Ausbau und der Elektrifizierung der Strecke Lindau–Memmingen–Geltendorf, wo die Schweiz ein Unterstützungskredit von 50 Millionen Schweizer Franken zur Verfügung gestellt hat, unter der Bedingung, der Ausbau wird bis 2015 vollendet. Allerdings gehen neuste Schätzungen nun davon aus, dass der Baubeginn frühstens 2017 sei und sich die Fertigstellung bis 2020 hinziehe. Die SBB und die DB reagieren übrigens nicht mit einer Beschleunigung des Projektierungsverfahrens auf die neu entstandene Konkurrenz durch Fernbusse, sondern mit vier eigenen Bussen.
Der Streit um die Autobahnvignette
Bisher kostet die Autobahnvignette, welche für ein Jahr lang den Zugang zu den Schweizer Autobahnen und Autostrassen gewährleistet, 40 Schweizer Franken. Der Bund plant die Erhöhung auf 100 Schweizer Franken, um aus dem dadurch gewonnenen Geld neue Mittel für den Ausbau der Strassenverkehrsinfrastruktur zu gewinnen. Ausgerechnet diejenigen Kräfte, die von der Bahn eine Selbstfinanzierung verlangen, wehren sich mit allen Kräften gegen die Erhöhung. Sie realisieren nicht, dass wenn man drüben eine Selbstfinanzierung verlangt, dies auch hüben der Fall sein muss. Verschiedene poltische Organisationen haben das Referendum gegen die geplante Erhöhung ergriffen, die Schweizer Stimmberechtigten entscheiden am 24. November 2013 über die Erhöhung der Autobahnvignette.
Hinweis
Erstpublikation dieses Artikels von Daniel Wachter bei Der Freitag am 12. Oktober 2013