Am 22. September entscheidet das Volk über die Abschaffung der Wehrpflicht. Mit wenigen Mitteln kämpfen die Initianten gegen propagandistische Argumentationen der Gegner. Bundesrat und Parlament haben es versäumt, mit einem idealen Gegenvorschlag einen für beide Parteien vertretbaren Kompromiss ins Spiel zu bringen. Cabo Ruivo empfiehlt eine Annahme der Initiative, zeigt aber auf, was die optimalste Lösung in diesem Dilemma wäre.
Ein verstaubtes Relikt
Im Kampf um die gut ausgegangene Abstimmung zum UNO-Beitritt 2002 argumentierten rechtsbürgerliche Kreise mit der bei einer Annahme verlorenen Neutralität der Schweiz, die jeder politischen und kriegerischen Auseinandersetzung fernbleibt. Nicht umsonst existiert jedoch das Bonmot, dass die Schweiz als einziges Land Kriegsverbrechen beging, ohne aktiv am Krieg teilgenommen zu haben, Der Raubgoldskandal im Zweiten Weltkrieg, die Das Boot ist voll-Vorgehensweise der Bundesräte Eduard von Steiger und Marcel Pilet-Golaz sowie Waffenlieferungen in alle Herren Kriegsgebiete sprechen Bände.
Wieso beharren dann just diese neutralitätspropagierenden bürgerlichen Kreise an der Wehrpflicht? Sie ist ein verstaubtes Relikt aus einer Zeit, wo die Landesverteidigung aufgrund äusserer Umstände noch tagesaktuell war. Heute herrscht eine ganz andere Kriegsführung als während des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges – das sinnlose Töten hält aber leider an. Tausende Soldaten müssen ihr Leben lassen, nur weil sich zwei Staatsmänner irgendwie uneins sind. Wann werden kriegserklärende Präsidenten vors Den Haager Tribunal gezerrt?
Andere Staaten haben bereits realisiert, dass die Wehrpflicht als solche längst überholt ist. Deutschland beispielsweise, in der Vergangenheit ein oftmals kriegsführendes Land hat nach zweimaligem Anzetteln und Verlieren von Weltkriegen mit den daraus folgenden Konsequenzen wie Reparationszahlungen oder jahrzehntelange Teilung realisiert, dass es auch anders ginge und hat die Wehrpflicht ausgesetzt, im erneuten Kriegsfalle könnte sie jedoch in Form einer Mobilmachung wieder eingesetzt, was in der Schweiz ohne Verfassungsänderung nicht möglich, aber auch nicht notwendig wäre.
Man erinnere sich an den Zweiten Weltkrieg, als General Henri Guisan seine Gefolgsleute zum Rütli-Rapport rief und die Réduit-Strategie als Heldentum hochgepriesen wurde, auch wenn sie heute nichts anderes als Feigheit darstellt. Irgendwann hätte der Feind auch mal an der Bunkertür im Gotthard angeklopft.
Die Volksinitiative zur Abschaffung der Wehrpflicht wird unter Anderem unterstützt von der SP und den Grünen, deren Jungparteien und einem Komitee Bürgerliche gegen Wehrpflicht.
Streitgespräch in der Rundschau von Schweizer Radio und Fernsehen mit GSoA-Mitglied Jo Lang und Marcus Lang, dem Vizepräsidenten der Schweizer Offiziersgesellschaft (SOG)
Warum eine freiwillige Milizarmee besser wäre
Abgesehen von Militärfanatikern gibt es auch solche, die aufgrund des gesprochenen Wortes bei der Rekrutierung gezwungenermassen mitmachen müssen. Einige von ihnen erreichen dann mit psychologischen Tricks ihre Untauglichkeit, was den administrativen Aufwand erhöht. Und um die spirituelle Hilfe von St. Bürokratius betet man ja nicht freiwillig. Bei einer freiwilligen Milizarmee könnten jedoch einige Herren grösser gleich Gruppenführer ihren sadistischen Zwang nicht mehr so befriedigend ausüben… Die aktuelle Grösse von 200’000 Armeeangehörigen ist im Vergleich zur Bevölkerungsgrösse der Schweiz mit rund 8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und auch im Vergleich zum Aufgabenbereich der Armee klar überdimensioniert, die jährlich 4.7 Milliarden Franken wären in anderen Bereichen wie Bildung oder Entwicklungshilfe besser aufgehoben.
Welchem Rekrut nützen 100 Kilometer Marsch?
Die Leistungsfähigkeit einer Truppe wird durch die grössere Motivation nach der Abschaffung der Wehrpflicht auch erhöht und durch die tiefere Anzahl Züge können auch Synergien geschaffen werden. Dass die Armee in der jüngeren Generation nicht mehr hundertprozentigen Zuspruch aufweist, hat sie realisiert und reagiert, in dem sie mit propagandistischen Werbefilmen und Aktionen angehende Rekruten zu beeinflussen versucht. Selbst die Argumentation der Initiativgegner, dass bei einer freiwilligen Milizarmee Personalengpass drohe, spiegelt doch die reale Meinung wieder.
Leider gehören immer noch Sprüche wie Wer nicht ins Militär kann, ist kein Mann zum Alltag, insbesondere in Gefilden, wo der Sichtwinkel der Bewohner gerade mal bis zum nächsten Berg reicht. SP-Nationralrat Cédric Wermuth erzürnte vor geraumer Zeit die Gemüter, als er das Sturmgewehr als Phallussymbol bezeichnete. Hiermit zwei kurze Fragen an die damals Entrüsteten: Wer von euch weiss überhaupt, was ein Phallus ist? Hat Wermuth nicht ein kleines bisschen recht, denn wozu wird es dann von den Dienstleistenden immer so offen präsentiert?
Sendung Club Extra: Wehrpflicht abschaffen? von Schweizer Radio und Fernsehen
Die Schweiz: Ein Land von Militärfanatikern?
Die Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht wird wohl leider an der Urne Schiffbruch erleiden. Die Initiantin, die Gemeinschaft für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) wird immer wieder belächelt, und ihre Anliegen werden immer bachab geschickt. Doch wozu muss ein Land, das so auf seine Neutralität pocht, Waffen in kriegstreibende Nationen liefern? Damit sich die Damen und Herren MitarbeiterInnen der RUAG weiterhin ihre Finger blutig machen können? Weil man auch dann noch neutral ist, wenn man beide Seiten beliefert? Auch Armeewaffen dürfen weiterhin zu Hause gelagert werden, ungeachtet der grossen Anzahl Tötungsdelikte – ja, Käufer von halbautomatischen Waffen müssen sich nicht mal registrieren. Es ist irgendwie paradox, dass ein Land, dass sich mit Frieden rühmt, die vierthöchste Waffendichte aller Staaten aufweist. Die Liste solcher Schusswaffendelikte ist lang, alleine in diesem Jahr verheerend waren die Amokläufe von Daillon/VS mit drei Toten und Menznau/LU mit fünf Todesopfern, just heute erschoss in der Tiefgarage des Toys’R’us/Athleticum-Komplexes an der Industriestrasse in Dietlikon/ZH ein Mann sich selber, nachdem er seine Frau niedergeschossen und schwer verletzt hatte.
Für Aufsehen sorgte auch der Vorsteher der den Initiativgegnern zugehörigen Gruppe Giardino, Hermann Suter, mit seiner Äusserung, dass die Bundesräte Alain Berset (SP/FR), Simonetta Sommaruga (SP/BE), Johann Niklaus Schneider-Ammann (FDP/BE), Didier Burkhalter (FDP/NE), Doris Leuthard (CVP/AG) und Eveline Widmer-Schlumpf (BDP/GR) hingerichtet gehören.
Der Nutzen der Schweizer Armee
Die beste Armee der Welt! – mit diesen Worten trat SVP-Bundesrat Ueli Maurer im Dezember 2008 sein Amt als Vorsteher des Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) an. Sie könnte im Ernstfall zwar auf einen grossen Teil der Bevölkerung zurückgreifen, doch bis auf zahlreiche Verluste auf Schweizer Seite und einen verlorenen Kampf gäbe es für die Armeeführung nichts zu verbuchen, vor allem in einer Zeit, wo nicht mehr Truppenstärke über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, sondern die verwendete Technologie. Lieber weniger menschliches Kanonenfutter produzieren, als den Kampf stellvertretend via Drohnen auszutragen.
Gegen wen hätte die Schweiz eine Chance? Vielleicht gegen Kleinstaaten wie Liechtenstein (wo ohnehin die Schweizer Armee für die nationale Sicherheit zuständig ist) oder Andorra – aber dafür bräuchte es keine Streitkräfte solcher Grösse.
Die Ideallösung
Sowohl Bundesrat als auch Parlament haben auf einen Gegenvorschlag verzichtet und somit die Möglichkeit eines Kompromisses nicht genutzt. Die beste Möglichkeit besteht aus einer Absolvierungspflicht, die jeder Bürger, männlich und weiblich, ab dem 19. Lebensjahr oder nach Abschluss der Matura beziehungsweise der Ausbildung zu entrichten habe. Was man genau während dieser Zeit leisten will, darf jeder Bürger selbst entscheiden. Zur Auswahl stehen Militärdienst, Zivildienst, Zivilschutz oder Arbeitseinsatz auf einem Bauernhof in einem anderssprachigen Gebiet. Jeder dieser vier Varianten würde gleich lange dauern, über den Daumen gepeilt rund 400 Tage, was für Militärdienstler nebst der Rekrutenschule auch noch Weiterbildungen zum Gruppenführer oder Offizier beinhalten würde. Die Wehrpflichtersatzabgabe würde hiermit ebenfalls entfallen und nicht nur Armeeangehörige kämen in Genuss einer kostenlosen Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern alle Dienstleistenden, um die zusätzlich anfallenden Kosten reduzieren zu können, werden jedoch nur Fahrten in der zweiten Klasse bezahlt.
Es ist ohnehin nicht verständlich, wieso Zivildienstleistende militärdiensttauglich sein müssen.