Heute hat die italienische Eisenbahngesellschaft Trenitalia ihr neues Flaggschiff präsentiert. Insgesamt 50 achtteilige Triebzüge hat sie beim für den Bau der ETR 1000 beauftragten Konsortium bestehend aus Bombardier und AnsaldoBreda bestellt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 400 km/h, vorerst sollen im fahrplanmässigen Betrieb jedoch nur 360 km/h gefahren werden.
Was das neue Wunderwerk der Technik alles vorweisen kann.
Ein Zeichen an die Konkurrenz
50 Züge für den Hochgeschwindigkeitsverkehr
Der von allen Seiten als neues Superlativ gelobte Zug basiert auf der Zefiro-Plattform des kanadischen Schienenfahrzeug- und Flugzeugherstellers Bombardier, gebaut wird der Zug jedoch bei AnsaldoBreda in Neapel. Die Trenitalia bestellte im August 2010 50 dieser aus zwei End- und sechs Zwischenwagen bestehenden Züge. Insgesamt erreichen sie eine Länge von 202 Metern und sollen insgesamt bis zu 600 Personen Platz bieten. Die Designgeschwindigkeit beträgt 400 km/h, was sie zum serienmässig schnellsten Schienenfahrzeug der Welt macht – TGV und ICE absolvierten ihre Rekordfahrten in speziell für diese Rekordfahrt zugeschnittenen Konfigurationen – jedoch sind im Plandienst nur maximal 360 km/h vorgesehen, vor allem, um den Energieverbrauch in Grenzen zu halten, denn dieser steigt im Vergleich zur Geschwindigkeit kubisch an. Total ist das Auftragsvolumen rund 1.5 Milliarden Euro wert, als weiterer interessanter Aspekt ist zu beachten, dass die Züge zu 97 Prozent aus Recycling-Material bestehen.
Die Reisezeit zwischen Milano Rogoredo und Roma Tiburtina soll mit der Inbetriebnahme der Züge Ende 2014 auf 2:15 Stunden sinken.
Das italienische Hochgeschwindigkeitsnetz ist zur Zeit stark im Ausbau, vom avisierten T mit den Eckpunkten Turin, Venedig und Neapel sind bereits etliche Teilstücke in Bau, so unter anderem Turin–Mailand und Mailand–Bologna. Die heutigen Flaggschiffe der Trenitalia, die ETR 500, die unter dem Namen Frecciarossa (ehemals Eurostar Italia) verkehren, werden nun für andere Schienenwege frei.
Auch Einsatz in der Schweiz möglich
Die Züge sind mehrsystemfähig, nebst den beiden in Italien genutzten Spannungen (25 kV 50 Hz Wechselstrom und 3000 Volt Gleichstrom) sollen die Züge auch für Einsätze in der Schweiz, Österreich, Deutschland und den Niederlanden ausgerüstet werden. Es ist denkbar, dass der ETR 1000 nach Eröffnung der Basistunnels am Gotthard und am Ceneri, im Zuge des Kilometeraustauschs zwischen SBB und Trenitalia, mindestens ein Zugspaar Zürich HB–Milano Centrale übernehmen wird und eventuell gar die langersehnte Direktverbindung nach Rom via Florenz anbieten kann. Es wird mit einer Reisezeit von etwas mehr als sechs Stunden gerechnet.
Sollten sich diese ursprünglich von Trenitalia gehegten Pläne eines Auslandeinsatzes des ETR 1000 bewahrheiten, müsste der Zug mittelfristig auch in der Schweiz auf Testfahrten auftauchen.
Herstellerportrait
Hergestellt wird der ETR 1000, auch als V300ZEFIRO oder Frecciarossa 1000 bezeichnet, von einem Konsortium bestehend aus Bombardier und AnsaldoBreda. Der Zug basiert auf Bombardiers Zefiro-Typenfamilie für Hochgeschwindigkeitszüge, eine ähnliche Bestellung wie Trenitalia hat China getätigt, dort werden die insgesamt 70 Züge zwischen 2012 und 2016 ausgeliefert. Während die Entwicklung bei Bombardier vorgenommen wurde, ist der Partner AnsaldoBreda für den Zusammenbau der Züge verantwortlich.
Bombardier
Bombardier Inc. mit Sitz in Montréal/CAN ist weltweit der grösste Schienenfahrzeughersteller und der drittgrösste Flugzeughersteller hinter den Platzhirschen Boeing und Airbus. Im Eisenbahnbau ist Bombardier in Europa stark verankert, dies vor allem durch den 2001 absolvierten Kauf der DaimlerChrysler Rail Systems (ehemals ABB Daimler-Benz Transportation, ADtranz). In der Schweiz besitzt Bombardier Transportation nach der Schliessung des Werks Pratteln/BL noch Standorte in Zürich-Oerlikon (Engineering und Entwicklung), Villeneuve/VD (Montagewerk) und Winterthur (Drehgestelle). Als Referenzobjekte gelten vor allem die unter anderem bei SBB, BLS und DB im Einsatz stehende TRAXX-Lokomotivenfamilie und die nach zweijähriger Verspätung nun voraussichtlich ab 2015 in der Schweiz eingesetzten TWINDEXX Swiss Express.
AnsaldoBreda
Die wie der Helikopterhersteller AgustaWestland zum italienischen Rüstungs- und Technikkonzern Finmeccanica S.p.A. gehörende AnsaldoBreda ist der bekannteste Schienenfahrzeughersteller Italiens. Die Produktpalette reicht von Strassenbahnen über U-Bahnen und Regionalzügen bis zu Hochgeschwindigkeitszügen. Als bekanntestes Produkt aus dem Hause AnsaldoBreda gelten die ETR 500, welche bereits jahrelang ihre Dienste als wichtigste Hochgeschwindigkeitszüge Italiens zuverlässig erfüllen, auch wenn die mit der Lancierung des ETR 1000 langsam ins zweite Glied rücken werden. International geriet die Firma jedoch vor allem in Dänemark mit den IC2/IC4 und in den Benelux-Staaten mit den V250 wegen Lieferverzögerungen und diversen Mängeln in Verruf, in Belgien wurde den seit dem 9. Dezember 2012 unter dem Markennamen Fyra zwischen Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen und Brüssel verkehrenden V250 am 18. Januar 2013 gar bis auf Weiteres die Betriebsbewilligung entzogen, nachdem mehrere Male Fahrzeugteile entlang der Strecke gefunden wurden.
Siehe auch
Weblinks
Werbevideo über den ETR 1000 von Bombardier Transportation