München 1972 sollten fröhliche und bunte Olympische Spiele werden. Die Flower-Power-Bewegung war aktiv und es schien nichts auf Krieg hinzudeuten. Doch am 5. September 1972 legte sich ein dunkler Schatten über die Spiele, als palästinensische Terroristen in das Olympische Dorf eindrangen und Mitglieder der israelischen Equipe als Geiseln nahmen. Heute wurde in Fürstenfeldbruck den Ereignissen vor 40 Jahren gedacht.
Zeltdach und unbewaffnete Polizisten als Symbol
München erlebte nach dem Zuschlag des Internationalen Olympischen Komitees 1966, die Sommerspiele 1972 auszutragen, einen Aufschwung. Infrastrukturmässig erhielt die Stadt ein U- und S-Bahnnetz, welches heute angesichts der Grösse der bajuwarischen Metropole als unentbehrlich gilt. Auch der Olympiapark, in dem die Sportstätten gebaut wurden, gilt heute noch als eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt: Im Olympiastadion wurden gar bis zum Bezug der Allianz-Arena 2005 Bundesligaspiele der örtlichen Fussballvereine Bayern und 1860 ausgetragen. Das als Symbol für die Wandelbarkeit und das Flüchtige in unserer Welt entworfene Zeltdach von Frei Otto (Vorname: Frei, Nachname: Otto) ist heute in seiner Grösse und Art einzigartig.
Ende der Sechziger- und anfangs der Siebzigerjahre grassierte das Flower-Power-Fieber, Woodstock war drei Jahre her und angesichts des Vietnamkriegs in dieser Zeit wurde in der restlichen Welt Frieden zum Symbol erklärt. Dies gipfelte in München, als die für die Patrouille im Olympischen Dorf auserkorenen Polizeibeamte keine Waffen bei sich trugen.
Der Schwarze September
Am fünften September 1972 um 4:45 Uhr wurde im Olympischen Dorf Alarm geschlagen: Acht palästinensische Terroristen der Gruppe Schwarzer September verschafften sich Zugang ins ohnehin ungesicherte Olympische Dorf und drangen in die Behausungen der israelischen Delegation an der Connollystrasse 31 ein. Die Sportler und Trainer wurden als Geiseln gehalten. Insgesamt elf Athleten und Betreuer gelangten in ihre Gewalt. Andere konnten vor Eindringen der Geiselnehmer in ihre Wohnungen fliehen.
Zwei Mitglieder der Delegation, Ringertrainer Moshe Weinberg und Gewichtheber Josef Romano starben bereits im Olympischen Dorf an ihnen zugefügten Verletzungen, als sie flüchten oder sich zur Wehr setzen wollten.
Die Geiselnehmer verlangten bis 9:00 Uhr die Freilassung vom 200 in Israel gefangen gehaltenen Palästinensern und der deutschen RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof.
Die Ultimaten wurden nach Verhandlungen später zunächst auf 12 Uhr und dann auf 15 Uhr verlängert. Diverse Exponenten der Spiele, darunter der bayrische Innenminister Bruno Merk oder der damalige deutsche Innen- und spätere Aussenminister Hans-Dietrich Genscher boten sich als Ersatzgeiseln an – ohne Erfolg. Die Polizei hatte Scharfschützen auf dem Dach postiert, die jedoch auf Live-Fernsehaufnahmen zu sehen war, was auch die Geiselnehmer per TV mitbekamen.
Nach weiteren Verlängerungen des Ultimatums auf 17 Uhr wurden die Spiele um 15:38 abgebrochen.
Die gescheiterte Befreiung
Nachdem einer Forderung nachgegeben wurde, dass die Geiselnehmer samt den Geiseln vom Militärflugplatz Fürstenfeldbruck westlich Münchens nach Kairo ausgeflogen werden, verlagerte sich das Geschehen dorthin. Für den Flug nach Ägypten hatte Deutschland eine Boeing 727 zur Verfügung gestellt, allerdings mit fast leerem Tank.
Die Terroristen und ihre Opfer flogen per Hubschrauber nach Fürstenfeldbruck. Dort waren fünf Scharfschützen postiert, weil man fälschlicherweise auch von fünf Geiselnehmern ausging, obwohl es deren acht waren. Den Scharfschützen fehlte die Ausbildung, zudem verfügten sie über keine Scharfschützengewehre.
Später wurde das Feuer eröffnet. Ein Hubschrauber wurde von den Geiselnehmern mit einer Handgranate beschossen – die Insassen verbrannten bei lebendigem Leibe, auch die Insassen des anderen kamen während dem Kampf ums Leben, dazu fünf Terroristen und ein Polizeibeamter. Es kursieren Gerüchte, dass einzelne Geiseln im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck auch durch Kugeln der Scharfschützer starben.
Beitrag der Hauptausgabe der Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 5. September 2012 zur Gedenkfeier in Fürstenfeldbruck
Unverzeiliche Fehler
Alleine die Fehler im Sicherheitsapparat sind unverzeihlich und werden auch heute noch von den Angehörigen der Opfer angekreidet, welche verständlicherweise lückenlose Aufklärung der Geschehnisse von München verlangen. Insbesondere Ankie Spitzer, die Ehefrau des in Fürstenfeldbruck ermordeten Trainers der israelischen Fechter, André Spitzer, fordert unentwegt die vollständige Aufarbeitung der Geiselnahme und kritisiert die missglückte Rettungsaktion am Ort des Geschehens.
Noch während des Schusswechsels in Fürstenfeldbruck gingen Medienberichte um die Welt, wonach alle Terroristen tot und alle Geiseln befreit seien.
Erst am folgenden Tag räumte Bruno Merk erst nach häufigem und gezielten Nachfragen am Ende der Pressekonferenz ein, dass die Möglichkeit bestände, dass alle Geiseln ums Leben gekommen seien.
IOC-Präsident Avery Brundage sprach eine Pause der Spiele für den folgenden Tag aus, um sie danach fortzusetzen, was er mit den Worten The games must go on verdeutlichte. Er wollte damit ein Zeichen setzen, sich nicht dem Terrorismus zu beugen.
Die Folgen des Attentates
Am 29. Oktober 1972 wurde Flug LH 615 auf dem Weg von Beirut nach Ankara
Gerade acht Jahre später blickte München erneut ins Auge des Terrors, als eine rechtsextremistische Gruppierung am Oktoberfest am Haupteingang beim Bavariaring eine Paketbombe zündete. Am 26. September 1980 fanden 13 Menschen den Tod, 211 erlitten Verletzungen. Die Neonazis hatten bereits die Geiselnehmer von 1972 in der Vorbereitung unterstützt.
Israels Premierministerin Golda Meir beauftragte daraufhin des Auslandsgeheimdienst Mossad, die Verantwortlichen aufzuspüren und zu töten. Für diese als Operation Zorn Gottes bekannte Mission wurde die Sondereinheit Caesarea gegründet, welcher der spätere Premierminister Ehud Barak vorstand. Bis 2010 wurden alle Drahtzieher bis auf einen getötet – nicht ohne auch falsch Verdächtigte zu ermorden.
In Deutschland wurden nach dem missglückten Befreiungsversuch in Fürstenfeldbruck erstmals Spezialeinheiten gezielt ausgebildet, was für Ulrich Wegeners Eliteeinheit GSG 9 die Geburtsstunde bedeutete. Die GSG 9 feierte mit der Befreihung der auf dem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt (Main) entführten Lufthansa-Maschine Landshut im somalischen Mogadischu den ersten grossen Erfolg.
Anlässlich des 40. Jahrestags des Attentats verlangten jüdische Gruppierungen in aller Welt, unterstützt von Politikern wie US-Präsident Barack Obama oder Grossbritanniens Premierminister David Cameron, dass bei der Eröffnungsfeier der Spiele in London eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer von München und Fürstenfeldbruck abgehalten wurde, was jedoch vom IOC und von dessen Präsidenten Jacques Rogge abgelehnt wurde.
Bericht von 10vor10 des Schweizer Fernsehens vom 3. September 2012 über die Lehren, die Deutschland gezogen hat
Filme zum Thema
ARD-Dokumentarfilm München 1972: Vom Traum zum Terror, Dauer: ca 89 Minuten