Nach zwei Tagen war es heute um 16:03 Uhr soweit: Begleitet von Fernsehkameras und den Augen zahlreicher weiterer Medien und auch Schaulustigen hat das ehemalige Verwaltungsgebäude der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) seinen neuen Platz gefunden. Die Hausverschiebung ist nicht nur in der Schweiz auf reges Medieninteresse gestossen.
60 Meter in zwei Tagen
Wie bereits im Vorfeld der Translokation berichtet wurde, musste die auf Versetzungen spezialisierte Zuger Itenbau das 80 Meter lange, 12 Meter hohe und 123 Jahre alte Backsteingebäude mithilfe von Hydraulikpressen um 60 Meter verschieben. Dimensionen, die bisher hierzulande seinesgleichen suchen. Der Teufelsstein bei Göschenen/UR musste zwar Anfangs der Siebzigerjahre wegen dem Bau der Autobahn A2 um 127 Meter verschoben werden, jedoch erreicht er freilich weder die Ausmasse noch das Gewicht des MFO-Gebäudes. Im ersten Tag geriet die Verschiebung ein wenig in Verzug, da es eine seitliche Abweichung gab, welche eine manuelle Korrektur der Rollen erforderte. Die Verzögerung konnte heute jedoch wettgemacht werden, sodass beinahe weniger Zeit benötigt wurde als veranschlagt wurde.
Jetzt wird noch die Baugrube aufgefüllt und das Gebäude mit Aussentreppen ergänzt. Das im Erdgeschoss eingemietete Lokal Gleis 9, plant, seine Räumlichkeiten am 8. Juni wieder seinen Bestimmungen übergeben zu können.
Grosses Interesse in der Schweiz…
Die Hausverschiebung stiess in der Schweiz auf grosses Interesse – erstmals wurde eine solche Translokation zum medialen Grossereignis. Das Schweizer Fernsehen übertrug sie in zwei Spezialsendungen live im Fernsehen und auf dem Livestream im Internet. Die mit dem Namen Ein Haus geht auf Reisen bezeichnete Spezialsendung handelte aber nicht nur von der Verschiebung desselben, sondern auch die Wandlung (Neu-) Oerlikons vom qualmenden Industriequartier zum neuen Boom-Viertel und zweiten Stadtzentrum Zürichs wurde ausgeleuchtet. Parallel dazu wurde die gesamte Sendung interaktiv, so konnten die Zuschauer per Facebook oder Twitter buchstäblich ihren Senf dazugeben. Auch die reguläre Ausgabe von Schweiz aktuell, deren Moderatorengespann Oliver Bono/Catherine Thommen sich für die Spezialsendung verantwortlich zeigte, widmete sich fast ausschliesslich der Hausverschiebung. Doch nicht nur auf den Medienkanälen wurde das Ereignis vermarktet, denn auch die während der Versetzung flachgepressten Fünfrappenstücke wurden und werden als Souvenir verkauft. Geldverschwendung der Marke Oerlikon?
Animiert durch die Verschiebung liess sich ein Moderatorenteam des Radiosenders DRS 3 es sich spasseshalber nicht nehmen, im Studio ein Legohaus zu verschieben:
…aber auch im Ausland
Überraschend ist jedoch, welch Aufmerksamkeit das MFO-Gebäude mit sich zog. Es schaffte den Einzug ins Online-Portal der britischen Rundfunkgesellschaft BBC und der englischen Zeitung Daily Telegraph. Der US-Nachrichtensender MSNBC wiederum besitzt eine Videoaufnahme in seinem Videoportal, während die Verschiebung auch in osteuropäischen Staaten wie Litauen oder Bosnien in den Medien erwähnt wird. Auch auf der iberischen Halbinsel geht das MFO-Gebäude nicht spurlos an den Journalisten und Medienschaffenden vorbei: Nebst der spanischen Ausgabe von BBC Online widmete die portugiesische Internetzeitung Diário Digital dem Bauvorhaben eine Erwähnung; letztere band gar das SF-Zeitraffervideo ein. Bevor unsere nördlichen und östlichen Nachbarn beleidigt aufschreien, ist nicht zu vergessen, dass auch deutsche Medien (WELT Online) und der österreichische Rundfunk ORF der Verschiebung Berichte geschenkt haben. Im Gegensatz zu den Deutschen schafften es die Österreicher übrigens, von Zürchern statt von Zürichern zu schreiben!
Eigentümerwechsel inbegriffen
Atypisch für Hausverschiebungen ist im Oerliker Fall noch, dass das Gebäude mit der Translokation seinen Eigentümer wechselt. Der bisherige Standort ist ein Grundstück im Eigentum der ABB, welche dieses aber gemäss einer Vereinbarung von 1998 und allen Unmutes zu Trotz kostenlos an die SBB abtreten muss, damit diese die für die Durchmesserlinie notwendigen Gleisneubauten vornehmen kann. Der neue Standort befindet sich auf dem Areal des Bürozentrums Cityport, welches sich in Eigentum der Schweizerischen Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site mit Sitz in Olten/SO befindet. Die SPS liess unter anderem den mit 126 Metern Höhe das höchste Gebäude der Schweiz darstellenden Prime Tower beim Bahnhof Zürich-Hardbrücke bauen.
Eine Verschiebung eines Gebäudes von einem Grundstück auf ein anderes ist gemäss Zivligesetzbuch eigentlich nicht erlaubt, hier wurden im Hinblick auf die Symbolkraft des MFO-Gebäudes vermutlich beide Augen zugedrückt. Die Kosten für die Verschiebung werden übrigens vollständig von der Swiss Prime Site übernommen, welche dieses Angebot im Zuge des Grundstücksstreits an den verkrachten Parteien ABB und SBB gemacht hatte.
Siehe auch
Links
Die Hausverschiebung am 22./23. Mai 2012 im Zeitraffer (Quelle: Schweiz aktuell extra)