ZSC Lions: Der Siebtplatzierte nach 50 Qualifikationsrunden erklimmt den Meisterthron

Eishockey Magazin Schweiz Sport

Gestern Abend fiel nach 59:57.5 Minuten das Tor, das die diesjährige Eishockey-Meisterschaft entschied und die ZSC Lions auf den Thron hievte. Der Siebtplatzierte nach 50 Qualifikationsrunden wurde Schweizer Meister – da stellt sich mancher die Frage, ob sich das bisherige System bewährt.

Entscheidung kurz vor Schluss

Als sich jeder bereits auf die Verlängerung einstellte, hämmerte ZSC-Verteidiger Steve McCarthy den Puck zweieinhalb Sekunden vor Schluss beim Stand von 1:1 in die Maschen und entschied das siebte Spiel der Finalserie zugunsten der Stadtzürcher. Das Tor wurde erst nach Videoanalyse von den Schiedsrichtern Danny Kurmann und Didier Massy als regulär bezeichnet, weil sich Ambühl zwar im Torraum aufhielt, Torhüter Marco Bührer aber nicht entscheidend irritiert haben sollte.
Der SC Bern, der zuvor 3:1 in der Serie geführt hatte, erhielt vor eigenem Publikum statt dem ersehnten Meisterkübel eine schallende Ohrfeige. Die gelbe Trophäe aus Glas wurde dennoch überreicht, doch statt den Spielern der Mutzen durften ihn die Löwen aus Oerlikon in die Höhe stemmen.

Im richtigen Moment erwacht

Die ZSC Lions hatten einen miserablen Saisonstart. 20 Minuten stellte im September eher spasseshalber eine Theorie auf, dass die Lions am Ende Schweizer Meister werden, weil sie bisher alle Auswärtsspiele gewannen, im Hallenstadion jedoch stets als Verlierer vom Platz gingen. Aus dem Spass wurde Ernst, denn die Lions sind zum richtigen Zeitpunkt erwacht, der Knoten hatte sich pünktlich zu den Play-offs gelöst. Coach Bob Hartley, der 2001 mit den Colorado Avalanche und dem damals in Denver spielenden Freiburger Torhüter David Aebischer den Stanley Cup errang, formte eine Einheit, die er optimal auf die Gegner vorbereitete. Als Siebtplatzierte hatte kaum einer die Lions auf der Rechnung, doch als sie den Qualifikationszweiten HC Davos gleich mit 4:0 Siegen aus den Play-offs beförderten, wurden sie zu einem ernstzunehmenden Kandidaten. In den Halbfinals musste der Qualifikationssieger EV Zug ebenso deutlich dran glauben, so dass die Lions ohne eine einzige Play-Off-Niederlage in den Final einzogen. Als der SC Bern mit 3:1 Siegen in Führung ging und im Hallenstadion das Break schafften, schienen die Lions den Titel als Vizemeister auf sicher zu haben. Doch sie schlugen zurück und auch den SCB im siebten Spiel vor eigenem Publikum.

Ist der Spielmodus noch zeitgemäss?

Die Frage, ob der heutige Modus der Meisterschaft sinnvoll ist, stellt sich spätestens nach der Bekanntgabe der Finalaffiche, in der der Fünft- (SC Bern) und der Siebtplatzierte (ZSC) der Qualifikation – die offiziell neudeutsch den Namen Regular Season trägt – den Meistertitel unter sich ausmachten.
Die NZZ schrieb in ihrer Ausgabe vom 18. April 2012, dass der Meistertitel der ZSC die Qualifikation bereichere, weil bei Beginn der Play-Off-Serie sieben Teams als ernstzunehmende Kandidaten für den Titel gezählt werden konnten und so die Spannung im Gegensatz zum Fussball, wo der FC Basel mit grossem Vorsprung die Tabelle anführt, bis zum Schluss hochgehalten werden kann. Diese Phrase hat wohl weniger mit gesundem Eishockeyverstand des Verfassers als mit der geografischen Nähe der NZZ zu den Lions zu tun. Fakt und deshalb auch schon seit geraumer Zeit bekannt, ist, dass bei den Play-Offs alles von Neuem beginnt, doch die Spannung und die Qualität ist sicherlich nicht höher, wenn der Siebte gegen den Fünften um den Titel kämpft, als wenn es die beiden Erstklassierten nach der Qualifikation tun. Im Gegenteil, die Zweifel an dem heutigen Spielmodus werden lauter. Es macht wahrhaftig den Anschein, dass die fünfzig Qualifikationsrunden eigentlich nur dazu dienen, sich für die Play-Offs zu qualifizieren – der erreichte Rang spielt am Ende keine Rolle. Fünfzig Spiele sind ein harter Marathon, auch wenn sie gegenüber den 82 Runden der NHL-Qualifikation ein Klacks sind. Es wäre mal interessant festzustellen, wie die Fussballmillionäre dreimal pro Woche auf dem Platz stehen müssen.
Die sechs zusätzlichen Spiele, welche seit 2007 die früher 44 Runden dauernde Qualifikation erweitern, sind sicherlich nicht der sportlichen Qualität zu verdanken, sondern wohl eher finanziellen Aspekten, damit den Klubs mehr Geld in die Kassen fliessen.
Die Teams sollen auch lernen, die Kräfte einzuteilen. Es geht sicherlich nicht, einen hohen Standard über die gesamte Saison zu halten. Dasselbe ist notabene auch im englischen Fussball zu sehen, wo die Vereine mit Liga, Ligacup, Europapokal (Champions League/Europa League) und FA-Cup gleich vier parallele Wettbewerbe bestreiten müssen, was an den Kräften zehrt und die Premier League-Equipen im Vergleich mit anderen europäischen Teams leistungsmässig abfallen lassen. Im Gegensatz zu Doug Shedden, der die Kräfte seiner EVZ-Akteure auf den Qualifikationssieg forcierte und danach in den Play-Offs schwach auftrat, muss man Bob Hartley hier ein gutes Zeugnis ausstellen, der die Löwen zum richtigen Zeitpunkt aus dem Tiefschlaf holte. Bei seinem Triumph im Stanley-Cup mit Colorado Avalanche war die Ausgangslage jedoch ungleich anders, mit 118 Punkten nach 82 Spielen entschied man bereits die Western Conference für sich.
Dasselbe gilt auch für die Play-Outs, wo auch bis zu 21 Partien ausgetragen werden müssen, nur um zu wissen, ob die sich die am Ende in der Ligaqualifikation gegenüberstehenden Mannschaften nächsten Saison seine Spiele in der NLA oder der NLB bestreiten. Was würde gegen eine Lösung wie im Fussball mit jährlichen Absteigern sprechen, wir sind hier ja nicht in der NHL, wo die Franchises ihre Plätze in der Liga kaufen müssen. Der Vorschlag von HC Ambrì-Piotta-Präsident Filippo Lombardi über den Verzicht einer Absteigungsmöglichkeit ist ohnehin zu den Akten zu legen, da dieser kontraproduktiv für eine erstrebte Qualitätserhöhung wäre.
Heute leidet die NLB unter einem grossen Leistungsunterschied, die Liga ist höchst unattraktiv und stösst deshalb nicht auf grosses Interesse. Der HC Lausanne dominiert die Liga nach Belieben, um später in den Play-Offs Opfer seiner eigenen Nervenschwäche zu werden und den Platz in der Ligaqualifikation an andere Equipen, wie in den letzten beiden Spielzeiten Visp und Langenthal überlassen zu müssen – im Grunde genommen eine Verfälschung des Potentials und der Leistung.

Siehe auch

  • Der Puck glitscht wieder übers Eis – Saisonvorschau von Anfang September