Das Bundesgericht hat den Bau für die Bahnverbindung zwischen den Genfer Bahnhöfen Cornavin und Eaux-Vives nun definitiv freigegeben. Sie erachte die Lärmbelastungen für die Anwohner am Champel-Tunnel für zumutbar. Bereits im November ist der Spatenstich erfolgt, nachdem das Bundesgericht den SBB und dem Kanton Genf die Baubewilligung auf eigene Gefahr gegeben hatte.
Klage wegen Lärm und Erschütterungen
Die Freigabe stand in der Schwebe, weil zahlreiche Anwohner des Champel-Tunnels und der geplanten Haltestelle Champel-Hôpital im gleichnamigen Genfer Quartier wegen zu erwartender Lärmbelastungen und Erschütterungen durch den Bau und den Bahnbetrieb geklagt haben. Das Bundesgericht beurteilte nun die Schutzmassnahmen als ausreichend, sie sollten aber detailliert überprüft werden. Die SBB und der Kanton Genf hatten bereits die Erlaubnis für den Bau auf eigene Gefahr erhalten, so dass der Spatenstich bereits am vergangenen 15. November über die Bühne ging. Von diesen Anfangsarbeiten blieb der Champel-Tunnel unberührt, die Arbeiten konzentrierten sich auf die Stilllegung des oberirdischen SNCF-Endbahnhofs Genève Eaux-Vives und die Reaktivierung des auf derselben Strecke gelegenen und in den Achtzigerjahren stillgelegten Haltepunktes Chêne-Bourg.
Das Projekt CEVA
Unter dem CEVA-Projekt wird eine lange gehegte Idee verwirklicht, die Bahnhöfe Cornavin und Eaux-Vives in Genf miteinander zu verbinden. Während der nordwestlich der Innenstadt gelegene Bahnhof Cornavin als eigentlicher Hauptbahnhof Genfs den SBB-Verkehr und den SNCF-Verkehr nach Paris, Lyon und Südfrankreich aufnimmt, bedeutete der bis zu seiner Einstellung zweigleisige Kopfbahnhof Eaux-Vives nordöstlich der Innenstadt für die SNCF-Züge aus Savoyen und Haute-Savoie Endstation. Diese Linien sind abgesehen von diversen Querverbindungen vom restlichen Bahnnetz isoliert und insbesondere auf Schweizer Seite ist der Wunsch nach einem Lückenschluss gross. So wird zwar Evian-les-Bains, das offiziell an den Eaux-Vives-Bahnhof angeschlossen ist, von TGV-Zügen bedient, die jedoch zwischen Bellegarde (Ain) und Annemasse den Kanton Genf an einer grenznahmen Umgehungslinie umfahren.
1912 wurde zwischen dem Kanton Genf und der Schweizerischen Eidgenossenschaft eine vertragliche Vereinbarung getroffen, in der die Verbindung der beiden Bahnhöfe festgelegt wurde, wobei der Kanton Genf für einen Drittel der Kosten aufkommen muss. Die SBB-Strecke endet bisher im Güterbahnhof La Praille nahe des Stade de Genève, während der Haltepunkt Lancy Pont-Rouge als Endbahnhof für Regionalzüge dient. Die Fernverkehrszüge der SBB laufen allesamt den Genfer Flughafen an, dessen Bahnhof nicht in das CEVA-Projekt involviert ist.
Die CEVA (Cornavin-Eaux-Vives-Annemasse) wird als Rückgrat einer künftigen S-Bahn des Agglomerationsraums Genf gesehen. Das Netz soll sich auf französischer Seite bis Bellegarde und Evian erstrecken und in der Schweiz gemeinsam mit der heutigen Lausanner S-Bahn REV zu einer S-Bahn Léman verschmelzen.
Die Züge sollen auf ihrem Weg zwischen Cornavin und Annemasse an fünf Haltestellen halten: Lancy-Pont Rouge, Carouge-Bachet, Genève Champel-Hôpital, Genève Eaux-Vives und Chêne-Bourg. Die neuen Stationen entstehen allesamt nach Entwürfen des französischen Stararchitekten Jean Nouvel, auf dessen Konto unter anderem das Luzerner Kultur- und Kongresszentrum und der Murtener Pavillon der Expo 02 gehen beziehungsweise gingen.
Die 16 Kilometer lange Strecke zwischen Cornavin und Annemasse, die auf einer Länge von 14 Kilometer auf Schweizer Boden verläuft, kostet rund 1,6 Milliarden Franken und soll 2017 in Betrieb genommen werden
Weitere Ausbauten mit indirektem CEVA-Einfluss vorgesehen
Im Zuge von CEVA aber unabhängig davon will die SNCF ihre Strecke Bellegarde-Cornavin auf 25 kV 50 Hz Wechselstrom umelektrifizieren. Unter derselben Spannung soll auch die CEVA laufen. Zudem wird eine Reaktivierung der zur Zeit stillgelegten aber nicht abgebauten Strecke zwische St. Gingolph (Suisse)/VS und Evian/F am linken Genferseeufer in Betracht gezogen, um zur Entlastung der rechten Genferseestrecke, die vor allem zwischen Lausanne und Genf an ihre Kapazitätsgrenzen stösst, eine Alternative zwischen Genf und St. Maurice/VS anbieten zu können. Auf diesen Zeitpunkt hin sind auch in der Agglomeration Lausanne als Vorbereitung auf das welsche S-Bahn-Netz Infrastrukturmassnahmen notwendig, um in einem eng gezogenen Perimeter den Viertelstundentakt ermöglichen zu können.
Massive Infrastrukturausbauten in der Westschweiz
Nach der U-Bahn in Lausanne ist die CEVA das zweite grosse Infrastrukturprojekt der Westschweiz. Beide Grossstädte verfügen ihrer Lage wegen – Genf liegt eher peripher, während Lausanne ein grosses vertikales Gefälle als Handicap vorzuweisen hat – eigentlich über kein grosses schienengebundenes Nahverkehrsnetz wie beispielsweise Bern oder Zürich. Der Bahnverkehr reduziert sich meist auf eine Hauptachse. Während Lausanne mit der Métro nun in Nord-Süd-Richtung erschlossen wurde, erhalten jetzt mehrere Genfer Quartiere und Vororte Zugang zum Schweizer Eisenbahnnetz. Als erster Schritt wurden 2001 die Regionalzüge Coppet-Genf nach Lancy/GE verlängert, nachdem auch zwischen Genf und Coppet/GE ein drittes Gleis für den Regionalverkehr gebaut wurde – die anderen beiden bleiben dem Fern- und Regionalverkehr vorbehalten, die Bahnsteige wurden zurückgebaut. Zwischen Coppet und Allaman/VD wiederum wurden vor Jahren die Regionalverkehrsleistungen von der Schiene auf die Strasse verlagert, nur noch die Bahnhöfe Nyon/VD, Gland/VD und Rolle/VD werden noch von Zügen bedient. Diese Lücke wirkt als schmerzhafter Puffer zwischen den Regionalverkehrsnetzen Genfs und Lausannes und soll schnellstmöglich mit Infrastrukturausbauten (drittes oder gar viertes Gleis) wieder geschlossen werden.
Zudem wird das in vergangener Zeit massiv reduzierte Genfer Tramnetz wieder ausgebaut. Sowohl die CEVA als auch die Linie m2 der Métro Lausanne wurden mit Beteiligung der öffentlichen Hand aufgegleist. Das Geld der ansonsten klammen Kantone Genf und Waadt wurde aus dem nationalen Finanzausgleich (NFA) bezahlt – Geld, das der Kanton Schwyz lieber den anderen Kantonen zur Verfügung stellt, anstatt mit diesem die Verkehrsinfrastrukturen im eigenen Kanton auf Vordermann zu bringen. Die SNCF beziehungsweise der französische Staat ist übrigens am CEVA-Projekt nicht beteiligt, obwohl sie im operativen Geschäft betroffen sind. Das hat jedoch weniger mit Faulheit zu tun als mit der Tatsache, dass der vom Umbau betroffene Streckenabschnitt Genève Eaux-Vives-Annemasse zwar von der SNCF befahren wird, infrastrukturmässig jedoch nicht der französischen Réseau Ferré de France (RFF) gehört, sondern dem Kanton Genf, der aus diesem Zweck die reine Infrastrukturgesellschaft Chemin de fer de l’État de Genève besitzt und die SNCF mit dem Betrieb beauftragt hat.
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