Vor Jahresfrist wurde den Huttwil Falcons wegen formalen Fehlern den sportlich geschafften Aufstieg in die Nationalliga B verweigert. Als Reaktion darauf wurde die Mannschaft vom Besitzer aufgelöst, doch der hat seine Eishockeypläne nicht aufgegeben. Im Gegenteil: Ab der Saison 2014/2015 soll erstmals ein Schweizer Eishockeyverein in der vorwiegend russisch geprägten Kontinentalen Hockeyliga (KHL) spielen – im Eisstadion zu Huttwil/BE. Eine fast unglaubliche Geschichte, heftig umstritten bei Fans und Funktionären.
Wegen Formalitäten kein NLB-Hockey in Huttwil
Sportlich haben die Huttwil Falcons, die aus dem 1996 gegründeten EHC Napf hervorgegangen sind, den Aufstieg in die zweithöchste Schweizer Eishockeyliga zwar geschafft, das Gesuch wurde von der National League jedoch abgelehnt. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen (Die Vereine müssen ein Mindestbudget von 2 Millionen Franken stemmen), sondern an formalen Fehlern. Bis Ende Februar 2011 hätten sie eine offizielle Bewerbung für den Aufstieg in die NLB einreichen sollen, haben es jedoch verpasst, das Gesuch fristgerecht einzureichen. So mussten die Falcons weiterhin in der höchsten Amateurliga (1. Liga) bleiben. Der Aufstieg in die National League B ist ohnehin eine schwierige Sache, in der Vergangenheit hatten nur wenige Klubs die wirtschaftlichen Forderungen und Vorgaben erfüllen können. Zuletzt gelang dies 2007 den Young Sprinters aus Neuchâtel, im Oktober 2009 wurde ihnen wegen immensen Schuldenberge und des Nicht-Nachkommens von Verpflichtungen in finanzieller Hinsicht im laufenden Spielbetrieb die Lizenz entzogen, ähnlich wie bei den Fussballern von Neuchâtel Xamax vergangene Woche.
Als Reaktion löste der Teambesitzer der Falcons, Markus Bösiger, die Mannschaft auf. Seither wird in der Eishalle des Nationalen Sportzentrums in Huttwil kein Eishockey mehr gespielt.
Beitrag von Schweiz Aktuell des Schweizer Fernsehens zum Hickhack um den sportlich erreichten Aufstieg der Falcons.
Helvetics als Schweizer Vertreter in der KHL
Doch nun könnte sich das Blatt wenden. Im Dezember 2011 wurde auf der offiziellen Website der Kontinental Hockey League eine Meldung publiziert, die besagt, dass mit Beginn der Saison 2014/2015 eine Schweizer Mannschaft in der KHL teilnehmen wird. Mittlerweile ist bekannt, dass hinter dem Helvetics genannten Projekt der Falcons-Eigner Markus Bösinger steht. Damit der Spielbetrieb pünktlich zum Saisonbeginn aufgenommen werden kann, haben beide Parteien Mitte Dezember einen Vertrag ausgearbeitet. So müssen Bösinger und seine Mitinvestoren bis zum Stichtag 30. April 2014 sowohl ein Budget von 20 Millionen Franken, als auch einen 25 Mann starken Kader beisammen haben. Des Weiteren gibt es für die Helvetics eine Ausnahmebewilligung in punkto Ausländerreglement. In der KHL gelten, auch bei nicht-russischen Vereinen, solche Spieler als Ausländer, welche keine russische Staatsbürgerschaft besitzen. Jeder Verein darf maximal vier Ausländer im Kader haben, deswegen erlangen vor allem bei Vereinen ausserhalb Russlands die Spieler den russischen Pass und werden so zu Doppelbürgern. Bei den Helvetics soll das nicht der Fall werden, hier gelten Nicht-Schweizer als Ausländer, wohl auch allfällig in Huttwil engagierte Russen.
Die Spiele sollen in der Huttwiler Eishalle ausgetragen werden, der früheren Falcons-Spielstätte. Mittelfristig soll aber im Nachbarort Schwarzenbach/BE für 70 Millionen Franken ein Neubau für die Helvetics errichtet werden.
Bis in Huttwil aber Mannschaften wie Dinamo Minsk oder Spartak Moskau eintrudeln werden, sind noch einige juristische Hürden zu klären.
Umstritten bei Fans und Funktionären
Das geplante Engagement spaltet die Schweizer Eishockeygemeinde. Einige begrüssen es, dass die National League Konkurrenz erhält, was eine Zunahme der Attraktivität mit sich bringen könnte.
Es versteht sich wohl von selbst, dass die National League und der Schweizer Eishockeyverband Swiss Ice Hockey ob diesen Nachrichten aus Huttwil nicht gerade in Begeisterungsstürmen ausbrechen. Für sie ist der Fall insofern problematisch, da die Helvetics bisher an keinem Spielbetrieb teilnehmen und so auch nicht mit Sanktionen belangt werden können. Sollten beispielsweise Vereine wie der EV Zug oder der HC Davos solche Pläne eines Wechsels in die KHL hegen, würden sie per sofort aus dem Spielbetrieb der National League A ausgeschlossen.
Der Fribourger Präsident des Weltverbandes IIHF, René Fasel, findet es keine gute Idee, dass die KHL in andere Länder expandiert. Dies würde die nationalen Verbände schwächen. Er überlegt sich Schritte, den russischen Verband aus der IIHF zu suspendieren, ähnlich wie das sein Visper Fussballpendant Sepp Blatter mit dem Schweizer Verband nach dem Sion-Theater gedroht hat. Damit steht Fasel aber vor einem Dilemma: KHL-Präsident Alexander Medwedew (nicht näher verwandt oder verschwägert mit Ministerpräsident Dmitri) sitzt einerseits im IIHF-Direktorium, andererseits ist er ein Freund Fasels. Sollte Fasel mit dem Ausschluss drohen, würden ihm bei einer Wiederwahl wohl die Stimmen der KHL-Delegierten fehlen. Medwedew reagierte indes gelassen auf Fasels Meinung, in dem er den Expansionsdrang mit der heutigen Globalisierung begründete. Er wolle keine Konkurrenz zur National League darstellen, was für mich auch plausibel klingt. Klar kann es sein, dass bisherige SCB-, Tigers- oder EHCB-Fans neu nach Huttwil pilgern werden, doch die Clubs haben sicherlich mehr Fans als Platz in der Fankurve, so dass weitere Eishockeybegeisterte für solche Abgänger nachrücken würden.
Was ist die KHL?
Die zur Saison 2008/2009 als Nachfolgerin der Superliga ins Leben gerufene Kontinental Hockey League – kurz KHL – ist die oberste Spielklasse Russlands und gilt hinter der nordamerikanischen National Hockey League (NHL) als zweitgrösste Liga der Welt. Nebst russischen nehmen auch slowakische, kasachische, weissrussische und lettische Mannschaften am Spielbetrieb teil, zudem ist die Einführung eines ukrainischen Teams beschlossene Sache. Die Liga ist in geografischer Hinsicht analog zur NHL in zwei Conferences aufgeteilt, die wiederum je zwei Divisionen umfassen. Bekannte KHL-Teams sind unter anderem ZSKA Moskau, dessen Stadtrivale Spartak, der aus Dynamo Moskau hervorgegangene OHC Dynamo, Metallurg Magnitogorsk, der Spengler Cup-Sieger von 2009, Dinamo Minsk und der letztjährige Teilnehmer am Davoser Turnier, Dinamo Riga. Für trauriges Aufsehen sorgte diesen Sommer der Absturz einer Chartermaschine bei Jaroslawl, bei dem fast das gesamte Kader samt Betreuerstab des lokalen KHL-Vereins Lokomotive Jaroslawl an Bord war. 44 Todesopfer waren zu beklagen, vom Team überlebten nur fünf Spieler, welche die Reise zum ersten Saisonspiel bei Dinamo Minsk nicht angetreten hatten. Die mangelnde Sicherheit der russischen Flugzeuge ist Bestandteil an Kritik, die gegenüber der KHL geäussert wurde, genauso wie die teilweise militärischen Vorgänge beim Trainingsbetrieb.
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