Am 6. November 1986, also heute vor genau 25 Jahren, stellte der englische Fussballverein Manchester United seinen neuen Manager vor, einen gewissen Schotten namens Alexander Chapman Ferguson. Seither hat es im Old Trafford keinen Trainerwechsel mehr gegeben, denn Alex Ferguson – der sich seit 1999 dank des königlichen Ritterschlags Sir nennen darf – sitzt seit 25 Jahren fest im Amt. Er hat Spieler kommen und gehen sehen (manche auch rausgeschmissen), doch der Erfolg blieb.
Die armen Kaugummis und Schiedsrichter
Heute sieht man Ferguson meist relativ schweigend auf dem roten Trainersessel sitzen, meist im Anzug mit rotweisser Krawatte und einer Blume im Knopfloch. Sein Markenzeichen – nebst der krebsroten Gesichtsfarbe – ist die Geschwindigkeit, wie Kaugummis in seinem Mund zermartert werden. Je höher das Tempo, desto unzufriedener ist Fergie, desto bemitleidenswerter der Kaugummi. Das Kauen ist der Ersatz für die Zigarette, die er in seinen früheren Jahren noch konsumierte. Aber heutzutage gilt auch auf den Trainerbänken absolutes Rauchverbot. In der Sportwelt kann ihm in dieser Angelegenheit nur Kevin Constantine, seines Zeichens Coach des HC Ambrì-Piotta, das Wasser reichen, in punkto Gesichtsfarbe steht sein Pendant in der Schweiz an der Bande des EV Zug: Doug Shedden. Mit letzterem teilt er übrigens noch die “Vorliebe” für Schiedsrichter. Es ist Usus, dass Ferguson jede Saison für ein paar Spiele gesperrt und von der FA in finanzieller Hinsicht gebüsst wird, weil er sich öffentlich ziemlich negativ über Schiedsrichter geäussert hat, was in den England verboten ist. In seiner Branche bekam er zudem den Spitznamen Hairdryer verpasst, denn wenn er lautstarke Kritik an einem Spieler übt, können dessen Haare trocknen. Diese Eigenschaft ist wohl das einzige Manko in meinen Augen, zumal ich für brüllende Schreihälse normalerweise bekanntlich nicht viel übrig habe. Aber Fergie ist Fergie.
Ebenso berühmt-berüchtigt ist seine Sturheit, weil die BBC 2004 in einer Dokumentation über ihn seinen Sohn Jason seiner Ansicht nach falsch dargestellt habe, weigerte sich der Schotte bis diesen Sommer, Interviews der staatlichen britischen Sendeanstalt zu geben. Stattdessen schickte er stets einen seiner Co-Trainer vors Mikrofon. Weil die FA 2010 aber beschlossen hatte, dass jeder Manager nach dem Spiel je eine Viertelstunde sowohl dem öffentlichen Rechteinhaber (BBC), als auch den privaten (ITV, Sky) Red und Antwort stehen muss, fielen für Ferguson Bussen von rund 1500 Pfund pro Spieltag an, was sich auf die ganze Saison hin auf eine stolze Rechnung von rund einer halben Million summierte. Der Verein entschied sich, die Busse zu übernehmen.
Erfolgsverwöhnter Coach
Als die United den Schotten, der zuvor mit Aberdeen ebenfalls Titel gesammelt hatte, engagierte, hatte sie eine Baisse hinter sich. Die Erfolge aus der Zeit von Fergusons Landsmann Sir Matt Busby lagen definitiv zurück und mit Ferguson sollte der Erfolg zurückkommen, zumal der am 31. Dezember 1941 in Glasgow als Sohn eines Hafenarbeiters geborene Ferguson bereits vor seiner United-Zeit ein beachtliches Palmarès vorweisen konnte: Mit Aberdeen wurde er drei Mal schottischer Meister (1980, 1984 und 1985 – der letzte Meistertitel, der nicht an einen Verein aus Glasgow ging), viermal schottischer Pokalsieger (1982, 1983, 1984, 1986) und 1986. Ligacupsieger in Schottland. Auf europäischer Ebene gewann Ferguson mit Aberdeen 1983 den Europapokal der Pokalsieger und den UEFA-Supercup. Zudem betreute er im Sommer 1986 kurzzeitig die schottische Nationalmannschaft. Aber mit dem Arbeitsbeginn in Manchester legte Ferguson richtig los: Nach zunächst dreijähriger Durststrecke ohne Titel wurde er 12 mal englischer Meister und machte die United 2011 mit deren 19 Titeln sogar zum Rekordmeister, daneben gewann er fünf Mal den FA-Cup und zweimal die Champions League, 1999 im denkwürdigen Final gegen Bayern München und 2008 im Penaltyschiessen gegen den Ligarivalen FC Chelsea. Zusätzlich stand Manchester United zwei weitere Male im CL-Finale, 2009 und 2011, wo man sich aber beide Male dem FC Barcelona geschlagen geben musste.
Nun feiert der erfolgsverwöhnte Ferguson, der Niederlagen übrigens nicht ausstehen kann, sein 25-jähriges Jubiläum als Trainer eines Fussballvereins. Eine Marke, die wohl nie mehr erreicht werden kann, vor allem nicht in der Welt der Constantins und Tschagajews, deren Trainerkarussel sich schneller dreht als ein Überschallflieger durch die Lüfte braust. Halbwegs das Wasser reichen kann ihm noch Arsenal-Trainer Arsène Wenger, der es immerhin auf 15 Jahre bringt. In Sachen Amtsdauer liegt Ferguson im Vereinigten Königreich wohl nur noch Queen Elizabeth II. vor der Nase, die ihn übrigens 1999 nach dem erfolgreichen Triple mit Meisterschaft, FA-Cupsieg und Champions League-Titelgewinn zum Ritter schlug. Seither trägt Ferguson den Titel Commander of the British Empire und erhielt den Namenszusatz Sir.
Seit die Familie Glazer 2005 Manchester United übernommen hatte und dem Verein Schulden von zeitweise umgerechnet über einer Milliarde Franken bescherten, ist Ferguson nun wohl der einzige, der den US-Amerikanern Einhalt gebieten kann. Die Glazers missbrauchen den Verein mehr und mehr als Bank und lassen ihn finanziell ausbluten. In der Fangemeinde hat sich grosser Widerstand gebildet, unter anderem wurde mit dem FC United of Manchester ein eigener Verein gegründet. Vor dem Station verkaufen die Protestbewegungen grün-gelbe-Schals in Anlehnung an den United-Vorgängerverein Newton Heath, der am 5. März 1878 von Eisenbahnern der Lancashire & Yorkshire Railway gegründet wurde. Als Ferguson am Rande eines Champions League-Spiels gegen die AC Mailand einen solch grün-gelben Schal auf seinen Schultern trug, kamen Gerüchte auf, dass sich der Schotte ebenfalls einer solchen Protestbewegung angeschlossen habe, zumal sich die wirtschaftlichen Vorstellungen der Eigentümer mit den sportlichen des Managers überhaupt nicht in Einklang bringen lassen. Ferguson war am Tage danach vom Vereins-CEO David Gill zu einem Dementi gezwungen worden. Seither wird dieses Thema nicht mehr angeschnitten. Ferguson kann es auch oft nicht lassen, bei Pressekonferenzen loszupoltern. Seine Sprüche erreichten meist Kultstatus. In Anlehnung an seinen mittlerweile nicht mehr unter uns weilenden Kollegen Sir Bobby Robson sagte Ferguson, dass er nicht bis 70 Manager sein wird. An Silvester dieses Jahres wird er, der als aktiver Stürmer unter anderem für die Glasgow Rangers und Queen’s Park aktiv war, sein 70. Wiegenfest feiern, nichtsdestotrotz ist das Ende seiner Trainerkarriere bei der United nicht in Sicht. Beim Amtsantritt 1986 erklärte er, dass er Liverpool von “ihrem verdammten Ast hauen” Was ihm auch vierundzwanzigeinhalb Jahre gelungen ist, als sich Manchester United im Frühling 2011 mit nunmehr 19 Meistertiteln zum alleinigen Rekordmeister krönte.
Auch abseits des Geschehens um das runde Leder ist Sir Alex’ Leben von Erfolg gekrönt. In seinem Besitz befindet sich eines der erfolgreichsten Rennpferde der Welt, Rock of Gibraltar, das ihm schon etliche Millionen an Preisgeldern eingebracht hat. Sein Hobby kann er übrigens mit seinem Spieler Michael Owen teilen, der ebenfalls ein Rennpferd sein Eigen nennen darf.
Der Erfolg als Konstante
Ferguson hat während seiner 25-jährigen Amtszeit viele Spieler kommen und gehen sehen. Aber der Erfolg blieb genauso wie die Spieltheorie. Waren es Anfangs der Neunzigerjahre Spieler wie Schmeichel, Keane und Cantona, die für Furore sorgten, waren es zu Zeiten des Triples 1999 Exponenten wie David Beckham, Dwight Yorke oder Ole Gunnar Solskjaer. Nach einer weiteren Baisse zu Beginn der Nullerjahre knüpfte United zwischen 2007 und 2009 wieder an die guten alten Zeiten an. In diese Zeit fielen drei Meistertitel und der Gewinn der Champions League 2008. In diesen Zeiten waren die Hauptaktuere Stars wie Cristiano Ronaldo oder Wayne Rooney.
Heute ist Wayne Rooney der Mittelpunkt des Teams, das eine Mischung aus Erfahrung und Jugend ist. Zahlreiche Spieler waren bei Fergusons Amtsantritt 1986 noch gar nicht auf die Welt gekommen, andere wie Ryan Giggs spielen schon seit Jahren. Giggs bestreitet seit 1994 Spiele im Dress der United und ist heute noch der einzige Spieler, der den Triumph 1999 miterlebt hatte. Weggefährten wie Scholes oder Gary Neville beendeten ihre Karriere in den letzten Jahren. Heute spielen die Routiniers Rio Ferdinand, Giggs und Rooney an der Seite von Youngsters wie Ashley Young, David de Gea, Javier Hernandez, Phil Jones oder die Da Silva-Zwillinge Rafael und Fabio. Doch Ferguson sorgt auch immer wieder für Überraschungen: So hat niemand damit gerechnet, dass Ferguson den einstigen Liverpool-Superstar Michael Owen verpflichten würde, doch genau dies geschah im Sommer 2009. Heute bestreitet Owen seine dritte Saison bei den “Red Devils”.
Wer sich über ihn selbst oder den Verein stellt, dem zeigt Ferguson kompromisslos die Tür. Die Liste derjenigen ist lang: David Beckham, Ruud van Nistelrooy, Cristiano Ronaldo oder Gabriel Heinze. Letzterer wurde von Fergie aussortiert, weil er mit einem Wechsel zum Erzrivalen FC Liverpool liebäugelte.
Geliebt, aber auch geächtet
Für die United-Anhänger ist er vermutlich Gott schlechthin, so wurde er 2009 von den Fans als grösste ManUnited-Ikone aller Zeiten gewählt. Auch sein Jubiläumsspiel gegen Sunderland wurde zu einer Fergie’schen Ehrenparade: Sowohl Spieler der United als auch des Gegners standen ihm Spalier, als er das Terrain betrat, während auf den Tribünenrängen brandender Applaus aufkam. Für die Gegner wiederum ist er das typischste Beispiel für ein Arschloch. Eine jahrelange Fehde verbindet ihn und Arsène Wenger, doch mittlerweile – beide sind ja jahrelang im Amt – hat sich die Rivalität wohl in Respekt umgewandelt. Unvergessen die Szene 2003, als der damals 16-jährige Cesc Fabregas Alex Ferguson eine Pizza ins Gesicht drückte. Wenger hat übrigens zu Fergusons Jubiläum dem schottischen Grossmeister Tribut gezollt und hat erklärt, dass eine solch lange Regentschaft in der Geschichte des Fussballs wohl einzigartig bleibt. Ganz im Gegenteil dazu Neo-Chelsea-Trainer André Villas-Boas, der sich ausgerechnet dieses Wochenende über Rentengedanken äusserte – obwohl er erst 34 Jahre alt ist. Für ihn käme eine so lange Amtszeit wie diejenige von Ferguson nicht in Frage. Aber warum hast du das nicht letzte oder nächste Woche sagen können, du Grünschnabel?
Die Nordtribüne trägt seinen Namen
Am Rande des gestrigen Premier League-Spiels der United gegen den AFC Sunderland (1:0 – das Sunderland-Eigentor schoss Wes Brown, der bis letzten Sommer seine Sporen noch im Old Trafford abverdient hatte) wurde die Nordtribüne des Stadions zu Ehren des Erfolgscoachs umbenannt.
25 years in two minutes
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