Monopolpreise in der europäischen Wirtschaft, gibt’s das? Ja…

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Überall wird über Kartell gemeckert, Strafen verhängt, auf den freien Wettbewerb geachtet, und, und, und. Die EU verordnete die Staatsbahnen ihrer Mitgliedsländern zu einer Aufspaltung von Betrieb und Netz. Private Bahngesellschaften sollen Zugang erhalten, damit der Wettbewerb gewährleistet ist. Natürlich ist das auch in anderen Branchen der Fall, wie zum Beispiel in der Telekommunikation, aber bei der Eisenbahn gibt es eine grosse Ausnahme, die sich gar nicht an die Regel zu halten scheint. Die Rede ist von der Eurostar Group, die meiner Ansicht nach, sich illegal und den Kunden gegenüber unfair verhält.

Die Eurostar Group betreibt den Zugsverkehr durch den 1994 eröffneten Eurotunnel unter dem Ärmelkanal. Mehrmals täglich werden Paris und Brüssel von London aus angefahren, zudem gibt es noch saisonale Verbindungen nach Avignon oder Bourg-Saint-Maurice. Alles schön und gut, wenn die Eurostar Group ihr Monopol nicht missbrauchen würde.

Sündhaft teure Preise

Auf ihrer Webseite preist das Unternehmen schon relativ günstige Tarife an, so zum Beispiel London – Paris hin und zurück für 69 Britische Pfund, umgerechnet etwa 87 Franken. Zum Vergleich: Für 82 Franken fährt man in der zweiten Klasse von Bern nach Lugano hin- und zurück. Fahrtzeit pro Weg: ca. 4 Stunden. Der Eurostar legt den Weg London – Paris in 2:15 Stunden zurück. Dazu kommt noch: Klickt man für weitere Informationen auf das Angebot, so sieht man, dass es nur an drei Tagen jeweils am Monatsende erhältlich ist, und das zwar spärlich. Das zweitgünstigste Angebot, 99 Pfund hin- und zurück (ca. CHF 124.50) gibt es auch nicht viel öfter. Der grösste Teil der Kunden muss also tief in die Tasche greifen und 120 Pfund bezahlen. Nach Brüssel und Lille gilt übrigens derselbe Tarif, die Fahrt ist aber merklich kürzer: London – Brüssel schafft der Eurostar in 1 Stunde und 51 Minuten, 31 Minuten weniger dauert die Fahrt von London nach Lille. Last-Minute-Angebote schlagen mit mindestens 107 Pfund zu Buche. Vieles erinnert bei Eurostar an den Flugverkehr, nicht nur die Gepäckkontrolle vor dem Einsteigen. Wieso kann sich die Eurostar Group nicht wie ein normales Bahnunternehmen verhalten, hierzulande kann man ja auch spontan in den Zug steigen und zahlt sowieso immer denselben Preis. Eurostar begründet dieses Verhalten als Mittel gegen illegale Einwanderer, die durch den Tunnel nach Grossbritannien einreisen möchten…

Ausnützung des Monopols

Eurostar in London
Zurzeit noch der einzige internationale Zug im Londoner Bahnhof St Pancras: Der Eurostar

Für mich stinkt das nach einer Ausnützung des Monopols. Unglaublich, dass das noch von der ach so gerechten Gesellschaft toleriert wird! Die von der französischen Regierung gestellten Anforderungen für den Tunnel (Zuglänge mehr als 375 Meter, je eine Lokomotive am Zugsende) erfüllt genau ein Zug: Die Eurostar-Züge aus dem Hause Alstom, übrigens auch eine französische Firma. An der Eurostar Group ist die französische Staatsbahn SNCF mit 62% beteiligt, die restlichen Aktien teilen sich zu unbekannten Anteilen die staatliche belgische Eisenbahngesellschaft SNCB und die britische Eurostar UK Ltd, deren Verwaltung dem Konsortium InterCapital and Regional Rail Ltd obliegt, an dem wiederum die SNCF und die SNCB, allerdings auch der britische Verkehrskonzern National Express und die British Airways beteiligt sind. Als die britische Regierung den Verkauf der Eurostar UK ankümdigte und die Deutsche Bahn Interesse bekundete, wurde dies von der SNCF als “arrogant” bezeichnet. Die DB drängt schon lange auf den Markt nach London, doch insbesondere die Franzosen versuchen vehement dagegen vorzugehen und schafften es auch immer wieder mit diversen Begründung, die DB abzuwürgen. Ihre wohl komischste Begründung war stets die Nichteinhaltung der Sicherheitsnormen durch ICE-Züge, dumm nur, dass die neue Zugsgeneration, bekannt unter dem Namen Eurostar 320, aus Zügen des Typs Siemens Velaro besteht, die wiederum eine Weiterenwicklung des deutschen ICE3 darstellen. Die Entscheidung der Regierungen und auch der Eurotunnel-Betreibergesellschaft, die Deutsche Bahn ab 2013 auch nach London verkehren zu lassen, stiess insbesondere bei der Eurostar Group auf Unbehagen, denn jetzt muss sie ihre Preise senken, um mit der ungeliebten Konkurrenz mitzuhalten. Daher werde ich vermutlich meine angestrebte Bahnfahrt durch den Eurotunnel erst frühestens 2013 antreten, ob mit Eurostar oder der Deutschen Bahn, weiss ich noch nicht. Ich werde als erstes Kriterium mal auf den Preis schauen! Schliesslich muss ich ja zuerst noch nach Paris, Brüssel oder Frankfurt kommen.

Kontroverse um Stratford International

Mit dem Bau des zweiten Abschnitts der britischen Schnellfahrstrecke High Speed One zwischen dem Londoner Kopfbahnhof St Pancras und Southfleet wurde im Osten der britischen Hauptstadt auch der Bahnhof Stratford International errichtet. Er liegt unweit eines Verkehrsknotenpunkts verschiedener Bahnstrecken mit der Londoner U-Bahn und der Docklands Light Railway. Die DLR soll ab 2011 auch nach Stratford International verkehren. Doch das ist nicht alles: Der Bahnhof liegt beim Londoner Olympiagelände und auch beim Urbanisierungsprojekt Stratford City. Vor allem letzteres wäre von einem Eurostar-Halt fast abhängig. Zunächst versprach Eurostar einen Halt der Züge in Stratford International, verschob ihn bei der Betriebsaufnahme der HS1 auf die Olympischen Spiele 2012, um dann kurz danach bekannt zu geben, dass ein Halt unmöglich sei, da sonst die versprochene Fahrzeit und der Zeitgewinn zum Flugzeug nicht mehr eingehalten werden könne. Doch verschiedene Personen, unter anderem der Bürgermeister des London Borough of Newham, Robin Wales, versuchten das Unternehmen zur Vernunft zu bringen. Mit einem Teilerfolg: Ein Halt würde nach den Spielen überdenkt. Zwei Jahre lang wurde der Bahnhof von keinem einzigen Zug bedient, seit 2009 halten immerhin innerbritische Hochgeschwindigkeitszüge von Southeastern auf ihrem Weg von St Pancras nach Dover, Margate oder Canterbury im Bahnhof. Die Chance ist jedoch gross, dass die Deutsche Bahn ihre ICE am Bahnhof anhalten würde.

Bis zu 5 Stunden Fahrt zwischen Frankfurt und London

Die DB rechnet mit einer Fahrzeit von 4 bis 5 Stunden, die genaue Anzahl der täglichen Zugspaare ist noch nicht definiert, jedoch rechnet die Gesellschaft mit einer Million Passagiere jährlich. Zum jetzigen Standpunkt ist es vorgesehen, die heutigen ICE International-Züge zwischen Frankfurt am Main und Brüssel nach London zu verlängern. 2011 wurden erste erfolgreiche Testfahrten absolviert. Innerhalb Deutschlands könne der Zug nur in Köln und wahrscheinlich auch noch in Aachen anhalten, denn aufgrund der fehlenden Mitgliedschaft Grossbritanniens im Schengen-Raum müssten Gepäckkontrollen gemacht werden. Aber ich frage mich, wozu? Als die Schweiz noch nicht dabei war, wurden ja vor Antritt einer Reise in einem internationalen Zug (Cisalpino – ja sie erreichten manchmal ihr Ziel – , ICE oder TGV) ja auch nicht unsere Gepäckstücke durchleuchtet. Grund für diese Aussagen ist ein negativer Entscheid der Bahn gegenüber der Stadt Bonn, die London-Züge im Bahnhof Siegburg anhalten zu lassen.

Für die Schweiz wäre London so in etwa acht bis neun Stunden zu erreichen, von Zürich oder Basel aus müsste man nur einmal umsteigen. Wenn man vom örtlichen Bahnhof aus eine Direktverbindung nach Zürich oder Basel besitzt, wäre London also mit zweimaligem Umsteigen erreichbar, also so viel, wie man für eine Bahnreise von Luzern nach St. Moritz den Zug wechseln muss. Heute ist es rein theoretisch bereits schon möglich, St Pancras mit zweimaligem Umsteigen zu erreichen, allerdings beinhaltet das eine Umsteigen den Bahnhofswechsel in Paris vom Gare de l’Est (ab Dezember 2011 leider dann der viel weiter entfernte Gare de Lyon) zum benachbarten Gare du Nord.

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