Linthal 2015: Die Kraftwerke Linth-Limmern AG, zu 85 Prozent in Besitz der Axpo und zu deren 15 des Kantons Glarus, lassen im hintersten Winkel des Glarnerlandes nicht nur ein gigantisches Pumpspeicherkraftwerk bauen, nebenbei entsteht mit einer Länge von einem Kilometer auch die bisher längste Staumauer der Schweiz. Schweiz aktuell begleitet die Bauarbeiten nun während einer einwöchigen Serie.
Erhöhung der bisherigen Leistung auf 1480 MW
1957 wurde mit dem Bau des Pumpspeicherkraftwerkes Linth-Limmern begonnen, zum Projekt zählen nebst der Limmernstaumauer auch die Kavernenkraftwerke Tierfehd und Muttsee sowie das Kraftwerk Linthal auf dem Talboden. Die gesamte Anlage befindet sich auf Gemeindegebiet von Glarus-Süd., nahe der Kantonsgrenze zu Graubünden.
2009 verlängerte die Mehrheitseignerin Axpo die Konzession um 60 Jahre, gleichzeitig wurde eines der wohl spektakulärsten Bauprojekte der Schweiz bekannt gegeben: Mit der Einbeziehung des Muttsees soll die Leistung des Kraftwerks Linth-Limmern von heute 480 MW auf 1480 MW gesteigert werden. Dem geplanten Vollendungszeitpunkt wegen wird das Projekt offiziell Linthal 2015 genannt.
Längste Staumauer des Landes
Bereits 2009 wurde beim Tierfehd ein neues Pumpspeicherkraftwerk in Betrieb genommen, nun wird ein weiteres zwischen dem Limmern- und dem Muttsee gebaut. Für die Beförderung von Baumaschinen und Baumaterial wurden zwei Seilbahnen erstellt, welche durch einen mit Strassen- und Schienenfahrzeugen befahrbaren vier Kilometer langen Stollen verbunden sind. Die beiden Seilbahnen können bis zu 25 Tonnen Last in die Höhe bringen, für eine kurzfristige Versorgung allfällig verletzter Arbeiter wurde ein einsatzfähiger Rettungswagen in der Höhe installiert.
Rund 600 Arbeiter erstellen in einem 24-Stunden-Betrieb das Kraftwerk samt einer neuen Staumauer am Muttsee, dessen Seehöhe um 28 Meter auf 2474 m.ü.M. erhöht wird. Die Schwergewichtsstaumauer wird mit einer Länge von einem Kilometer die längste Staumauer innerhalb der helvetischen Grenzen und darf sich berechtigte Hoffnungen machen, der Grande Dame aller Staumauern, der Grande Dixence in Hérémens/VS, Konkurrenz im Kampf um das berühmteste Exponat dieser Bauwerksgattung machen zu können.
Die Arbeiter logieren in einem Barackendorf in Linthal, ihre Arbeitsschichten dauern rund acht bis zehn Tage, ähnlich wie bei Mineuren in Tunnelbauprojekten.
Kavernenzentrale doppelt so gross wie die Kirche Glarus
Das bestehende Pumpspeicherwerk Limmern wird rund 600 Meter im Berginnern um eine neue Kavernenzentrale für die vier Maschinengruppen erweitert. Die Ausmasse dieser neuen Kavernenhalle umfasst etwa das doppelte wie die grösste Kirche des Kantonshauptorts Glarus. Das bei der Errichtung der Kavernenzentrale herausgebrochene oder herausgesprengte Material wird noch vor Ort zu Beton für die Staumauer verarbeitet.
Zwischen dem Muttsee, der Zentrale und dem Limmernsee werden Druckleitungen und Unterwasserstollen die Verbindung sicherstellen, insgesamt wird das Wasser einen Höhenunterschied von 630 Metern überwinden.
Zudem wird im Rahmen der grössten Gebirgsbaustelle Europas auch das bereits existierende Ausgleichsbecken am Tierfehd auf 560’000 m³ Wasser erweitert.
Der Anschluss ans Stromnetz wird einerseits durch die bestehende 220 kV-Freileitung vom Tierfehd nach Uznach/SG sichergestellt, andererseits wird im Rahmen von Linthal 2015 parallel dazu bis Schwanden/GL eine 380 kV-Leitung erstellt, welche dort in die bereits bestehende Hochspannungsfreileitung vom Vorab/GR einmünden wird.
Das Projekt kostet total 2.1 Milliarden Schweizer Franken und wird am Ende so viel Energie wie das AKW Leibstadt oder das Wasserkraftwerk Cleuse-Dixence im Wallis produzieren, nebst der Funktion als Pumpspeicherkraftwerk zum Speichern von Energie beispielsweise in der Nacht kann das Kraftwerk auch zur Stromproduktion genutzt werden.
Eine Chance für das Glarnerland?
Linthal 2015 könnte nicht nur in technischer Hinsicht eine Chance für den Kanton Glarus bieten, mit seinen Dimensionen wäre es auch als Touristenattraktion geeignet, wie es in gewissem Masse ja bereits während der Bauphase vermarktet wird. Bisher verfügt das Glarnerland vielleicht mit Elm oder Braunwald über Touristendestinationen, doch dieses Spektrum könnte mit dem Kraftwerk Linth-Limmern erweitert werden. So könnte beispielsweise der Bau dokumentiert werden.
In gewissem Masse dient das Projekt auch als Vorbild für zukünftige solcher Massnahmen, da doch die Leistung solcher Kraftwerke relativ enorm ist.
Die Axpo Holding
Federführende Kraft hinter dem Projekt ist die Axpo Holding, ihres Zeichens hinter Alpiq und vor den BKW und Repower zweitgrösster Energiekonzern der Schweiz. Die drei Standbeine des in Baden/AG domizilierten Stromriesen sind die beiden Energieversorger Axpo (früher Nordostschweizerische Kraftwerke NOK) und Centralschweizerische Kraftwerke CKW sowie die Stromhandelsgesellschaft EG Laufenburg, welche seit dem 1. Oktober allerdings als Axpo Trading & Sales firmiert. Geführt wird das Unternehmen von Heinz Karrer, einem früheren Handball-Nationalspieler, als CEO und Robert Lombardini als Verwaltungsratspräsident, 2009/2010 waren 4415 Personen bei der Axpo beschäftigt, 2011 setzte der Konzern einen Umsatz von 6,354 Milliarden Schweizer Franken um. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Alpiq, Repower oder BKW, welche an den Börsen in Bern oder Zürich kotiert sind, befindet sich die Axpo zu 100% in öffentlicher Hand. Grossaktionäre sind unter anderem die Kantone Zürich und Aargau sowie die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (ekz), im Gegenzug sind dafür die Tochtergesellschaften CKW und EG Laufenburg an der Börse.
Obwohl in der Schweiz verankert ist sie auch im Ausland tätig, insbesondere in Skandinavien, jedoch vermehrt im Energiehandel. Nebst der Axpo und der CKW gehören auch Energieversorger wie das Elektrizitätswerk Schwyz (EWS) oder das Elektrizitätswerk Altdorf (EWA) zur Axpo Holding. Zudem ist sie auch an drei Schweizer Atomkraftwerken beteiligt: Das aus zwei Reaktoren bestehende AKW Beznau gehört vollständig der Tochter Axpo, zudem halten Axpo, CKW und EGL gemeinsam 52.7% am AKW Leibstadt und 37.5% des AKW Gösgen befinden sich in Besitz der Axpo AG und der CKW. Wie die Erzrivalin Alpiq ist die Axpo auch Anteilseignerin des Bündner Energiekonzerns Repower, zudem sind ihre drei Spartenfirmen Axpo, CKW und EGL auch am nationalen Netzbetreiber Swissgrid beteiligt, welcher im Zuge der Strommarktliberalisierung 2008 die Koordination des Schweizer Hochspannungsnetzes von den fünf Energiekonzernen Axpo, Alpiq, BKW, ewz und Rätia Energie (seit 2010 Repower) übernommen hatte, im Gegenzug wurde das Aktienkapital der Swissgrid unter diesen fünf Firmen aufgeteilt, wobei die Axpo über ihre Tochterfirmen mit 41.78% einen einflussreichen Anteil besitzt.
Wie die Erzrivalin Alpiq geht die Axpo auf Walter Boveri zurück, welcher 1897 gemeinsam mit Charles Eugene Lancelot Brown, beides Mitarbeiter der MFO, die Brown Boveri & Cie. (BBC) gründete, welche 1988 gemeinsam mit der schwedischen Asea zur heutigen Asea Brown Boveri (ABB) fusionierte. Um damals für die BBC-Kraftwerksparte Aufträge zu erhalten, gründete Boveri die NOK, welche heute als Axpo AG firmiert und zur Entwicklung die Motor-Columbus AG, welche 2005 mit EOS und der Tochtergesellschaft Atel zur Alpiq verschmolz.
Zwischen 2003 und 2012 war der Konzern Titelsponsor der höchsten Schweizer Fussballliga, der Axpo Super League und wurde zur Saison 2012/2013 durch die Raiffeisen ersetzt.
Das Projekt im Blickpunkt des Fernsehens
Interessierte können bei der Axpo einen Baustellenrundgang buchen, zudem befindet sich im Saal eines Hotels im Tierfehd ein Informations- und Besucherzentrum über das Projekt Linthal 2015.
Wer die Reise ins Glarnerland nicht auf sich nehmen möchte, dem ist geraten, diese Woche jeweils um 19:00 auf seiner Fernbedienung SF 1 anzuwählen. Im Rahmen der Nachrichtensendung Schweiz aktuell begleitet ein Reporterteam rund um Sabine Dahinden Carrell die Arbeit auf der Baustelle für eine Woche, die Beiträge sind auch kurz nach der Ausstrahlung auf dem Videoportal des Schweizer Fernsehens verfügbar.
Die Folgen des Schweiz aktuell-Themenschwerpunktes zu Linthal 2015
08.10.2012
09.10.2012
10.10.2012
11.10.2012
12.10.2012
10vor10 vom 14. Oktober 2014 über das Pumpspeicherkraftwerk Linthal 2015