Waren dem Schweizer Fernsehen die Olympischen Spiele weniger wichtig als wiederholte Zusammenfassungen der gestrigen Raiffeisen Super League-Runde? Manch Fernsehzuschauer mag sich das gefragt haben, als das SF nach den Schlussworten von IOC-Präsident Jacques Rogge die Übertragung der Schlussfeier von London 2012 abbrach. Die Flamme war noch nicht erloschen, zudem hatten noch Bands wie The Who ihren grossen Auftritt. Das SF spricht derweil von einem “kommunikativen Missverständnis”.
Sprach Thurnheer ein Schlusswort aus?
Nachdem der belgische IOC-Präsident Jacques Rogge um 00.40 Uhr MESZ (23:40 Uhr Ortszeit) die Spiele in London offiziell für beendet erklärt hatte, sprach Thurnheer davon, dass die Flamme noch nicht erloschen war, nachdem er zuvor mit den Worten “Das waren super Spiele” ein Fazit der XXX. Olympischen Sommerspiele gezogen hatte. Wenige Sekunden später war beim SF Sendeschluss, stattdessen wurde zunächst die Samsung Galaxy SIII-Werbung mit David Beckham gezeigt, ehe sich der Sender den Zusammenfassungen der gestrigen Super League-Runde widmete. Ob Thurnheer und sein Co-Kommentator der Schlussfeier, Tagesschau-Grossbritannien-Korrespondent Peter Balzli, wussten, dass ihnen der Saft abgedreht wurde, scheint fraglich.
Die Leutschenbacher sprechen von einem kommunikativen Missverständnis zwischen den Kommentatoren und der Sendeleitung, offenbar hielt diese Thurnheers Schlussfolgerung für sein Schlusswort. Heute morgen folgte dann die Entschuldigung via Twitter.
Nach dem Abschalten sahen sich die TV-Zuschauer gezwungen, auf ARD, ORF oder Eurosport umzuschalten, auf diesen Sender lief die Schlussfeier weiter. So wurde man hier Zeuge, wie das Olympische Feuer erloschen wurde, wie der Ostlondoner Nachthimmel abermals von einem Feuerwerk erhellt wurde oder wie Take That und The Who noch den Schlusspunkt setzten.
Heftige Kritik von Seiten der Zuschauer
Nicht selten ist und war die Sportabteilung des SRF Kritik, Hohn und Spott von den Zuschauern ausgesetzt. Kultige Sportmoderatoren wie der inzwischen verstorbene Hans Jucker gehören definitiv der Vergangenheit an, heute wünschen sich die Zuschauer nur, dass die Kommentatoren die Klappe halten und entscheiden sich entweder, die Übertragung ohne Ton auf SF oder gleich auf einem anderen Kanal anzusehen. Bei Beni Thurnheer scheint man sich zu fragen, ob der gute Herr keine Pause zum Atmen zwischen seinen Worten benötigt. Ebenfalls nicht gerade freudig wird die unverständliche Walliser-Elsässer-Fraktion mit Rainer Maria Salzgeber, Raphaël Wicki und Gilbert Gress aufgenommen, meistens wären hier Untertitel angebracht, damit auch die Üsserschwyzer verstehen würden, was die drei Herren da labern. Und von Steffi Buchli ganz zu schweigen, ihr Schultertattoo und ihre meterhohen Absätze, für diese die wasserstoffblondierte Dame wohl einen Waffenschein erwerben musste, überstrahlen ihre Kommentare bei Weitem. Beispielsweise sorgte der plötzliche Wechsel zwischen SF zwei und SF info bei der Übertragung der Fussball-EM-Partien Portugal-Niederlande und Deutschland-Dänemark für rote Köpfe.
Auch im Falle dieses Übertragungsabbruchs der Olympiade wurde auf den beiden grossen Webnewsportalen der Schweiz, blick.ch und 20Minuten.ch heftig diskutiert, hier zeigen sich knallharte Kommentare. Vor allem das Bezahlen von Billag-Gebühren scheint für viele fraglich, zumal SF im Gegensatz zu ARD, ZDF oder ORF in Filmen Werbeunterbrüche wie ein Privatsender vollzieht, obwohl sie dies als öffentlich-rechtliches Programm gar nicht nötig hatten. Auch die Qualität der Sendungen zieht sich in Richtung Boulevard-Niveau, nur die Tagesschau kann sich noch knapp über Wasser halten, kein Wunder, dass die Quoten sinken. Die Betreiberin des TV-Senders 3+ hat bereits einen neuen Kanal unter dem Namen 4+ angekündigt.
Von Musik gezeichnete Schlussfeier
Die Schlussfeier widmete sich vor allem britischen Künstlern im Musikbusiness. Die einen überzeugten mehr, die anderen weniger. George Michael durfte gleich zwei Songs zum Besten geben, obwohl einer wohl vollends gereicht hätte. Überzeugen konnten auch die Kaiser Chiefs mit ihrer Coverversion von The Who‘s Pinball Wizard – die Altrocker traten am Ende der Sendung mit Baba O’Riley und My Generation noch selbst auf. Nicht fehlen durften beispielsweise auch Muse, Madness oder die Pet Shop Boys. Ingesamt kann man wohl zwei Höhepunkte herausfiltern: Einerseits performte Queen ihren Klassiker We Will Rock You, den Part des 1991 verstorbenen Freddie Mercury übernahm die Ostlonder Sängerin Jessie J, die bereits zuvor gemeinsam mit dem aktuellen Chartstürmer Taio Cruz aufgetreten war – und überzeugte. Monty Python-Mitglied Eric Idle versuchte sich zunächst als missglückte lebendige Kanonenkugel und sorgte mit Always Look On The Bright Side Of Life für den Knaller der Feier. Unterstützt wurde er unter anderem von Nonnen, Engeln und Dudelsäcken, ein Chor benötigte er nicht, die lautstarke Unterstützung der 80’000 Zuschauern reichte vollends.