Die Klimadebatte wird falsch und einseitig geführt

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Die Klimadebatte ist wohl das Thema der Stunde – und dies durchaus zurecht. Doch leider werden bei der Diskussion viele Standpunkte aussen vor gelassen und andere wiederum ziemlich einseitig betrachtet. Einerseits ist der Flugverkehr eine Zielscheibe, doch der Schiffsverkehr mit Emissionen in denselben Dimensionen wird kaum beachtet. Der Sport wiederum ist mit seiner globalen Ausdehnung auch für viel Verkehr verantwortlich, wird aber ebenso wenig kritisiert.

Kerosinabgabe ja, aber auf einem anderen Weg

Singapore Airlines A380-800
Singapore Airlines A380-800 am Flughafen Singapur-Changi

Die Politik in vielen Ländern spricht im Zuge der Klimadebatte, in der die Luftfahrt arg in Verruf geraten ist, über eine CO2-Abgabe für Kerosin. Nachvollziehbar, aber auf einem falschen Weg. Einerseits will die Schweiz Pionierarbeit leisten, jedoch ist sie für Billigfluggesellschaften, welche mit ihrer aggressiven Preispolitik einer der Hauptursachen für die Debatte rund ums Klima und die Luftfahrt sind, kein grosser Markt. Zwar ist easyJet Switzerland am Flughafen Genf-Cointrin Marktführer – der für die Airline ebenso wichtige EuroAirport Basel/Mulhouse würde bei einer Diskussion rund um eine Treibstoffabgabe wegen seiner binationalen Rolle noch zum Zankapfel werden – doch verglichen mit anderen Flughäfen und Staaten nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Österreich beispielsweise forcierte die Invasion von Lowcost-Carrier am Flughafen Wien nach dem Aus von Air Berlin und Niki, was einerseits in einem starken Passagierwachstum von über 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr resultierte, aber auch in einem desaströsen Preiskampf, bei dem gewisse Airlines wie Anisec/Level Tickets für unter einem Euro verscherbelten. Kritisiert hatte dies natürlich niemand, dafür wurden eher Netzwerk-Airlines wie Swiss und Lufthansa Gegenstand der Debatten.
Die Treibstoffabgabe sollte nicht abhängig des Startflughafens, sondern des Wohnortes der buchenden Person bestimmt werden. So ist einerseits der durch die Swiss in Frage gestellte Hub in Zürich nicht mehr gefährdet, andererseits wird so auch die Möglichkeit untergraben, dass sich preisbewusste Schweizerinnen und Schweizer ins Auto setzen werden, um zu grenznahen Flughäfen wie Friedrichshafen, Memmingen, Milano-Malpensa oder Bergamo zu gelangen, um günstig abzufliegen und um von der Steuer befreit zu sein. Letzterer Fall wäre für die Schweiz ökonomisch verheerend und ökologisch gesehen definitiv nicht Sinn der Sache.

Flugscham ja – aber Kreuzfahrtscham nein?

Wer sich outet, eine Flugreise zu unternehmen, wird im Zuge der aktuellen Klimadebatte fast schon tadelnd angesehen. Eine Kreuzfahrt zu buchen, gehört hingegen offenbar immer noch zum guten Ton.
Dabei sind auch diese Kästen, in denen Menschen wie in einer Massentierhaltung zusammengepfercht durch die Meere geschippert werden, umweltschädigend. Von den Auswirkungen von Zielen wie Lissabon, Venedig oder Dubrovnik ganz zu schweigen. Doch hier scheint die Kritik nur lokal an betroffenen Destinationen aufzutreten.
Ins selbe Horn darf man gewiss auch für Containerschiffe blasen. Sie transportieren Fracht zwischen den Erdteilen und macht so quasi jeden, der einen Computer, einen Fernseher oder ein Smartphone besitzt, zu einem Klimasünder. Diese Dinger werden ja wohl kaum im eigenen Land produziert.

Wo bleibt die Kritik am Sport?

Wenn man den Kalender von Tennisstars wie Roger Federer oder Rafael Nadal ansieht, fällt auf, dass deren Turniere auf dem gesamten Erdball verstreut sind: Miami, Paris, New York, London, Shanghai. Die Reise zwischen den Orten werden die Spieler samt ihrer Entourage wohl kaum mit der Postkutsche absolvieren. Doch war dieser Umstand noch nie Gegenstand der Klimadebatte.
Auch scheint es wohl absolut vertretbar, dass beispielsweise der portugiesische Fussballmeister Benfica Lissabon in der UEFA Champions League-Gruppenphase in dieselbe Gruppe gelost wurde wie Zenit St. Petersburg – und nur wenige Tage nach dem Gastspiel in Russland bereits wieder in der heimischen Liga antreten muss. Zuwenig Zeit, um den Trip in die Zarenstadt per Zug anzutreten.

Klimaneutrale Reisen attraktiver machen

Es mag beinahe paradox klingen: Während man über die Klimaerwärmung diskutiert, werden Rahmenbedingungen für Fernbusse erleichtert – oder Billigfluggesellschaften mit Rabatten an die Flughäfen gelockt, wie beispielsweise in Frankfurt. Doch stattdessen müsste man klimaneutrale Verkehrsmittel attraktiver machen, denn die Reiselust darf dem Menschen nicht genommen werden. Ein guter Weg dafür sind Bahnreisen. Doch von den Zeiten internationaler Reisezüge quer durch den ganzen Kontinent ist nicht mehr viel übrig geblieben, jetzt werden schon Einzelzüge von Frankfurt über Luzern nach Mailand bejubelt, obwohl man nicht mal in der Lage ist, dieselbe Verbindung auch in der Gegenrichtung anzubieten. Flixbus freuts, der verbindet Luzern inzwischen mit halb Europa – zwar zu unattraktiven Zeiten, aber dafür kostengünstig und umsteigefrei. Die Bahnbranche steht sich da leider selbst im Weg, früher waren an den Grenzen zwar Lokwechsel nötig, doch die Wagen konnten durchgehend verkehren. Mit den heute immer beliebteren Mehrstromtriebzügen entfällt zwar der Lokwechsel, doch dafür werden die bürokratischen Hürden immer höher: Der Zug muss für jedes eingesetzte Land eine eigene Zulassung inklusive Testfahrten und Sicherheitsbescheinigungen haben, während in der Luftfahrt beispielsweise für die gesamte EU eine einzige Behörde zuständig ist – die dann übrigens noch dank der US-Behörde FAA in den Genuss einer vereinfachten Zulassungsvergabe kommt, was allerdings beim Desaster um die Boeing 737 MAX für Kritik sorgte.
Beispiel SBB: Der neue Hochgeschwindigkeitszug Giruno wird nur für vier Länder zugelassen: Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien. Direktzüge nach Amsterdam oder Brüssel, wie sie vor wenigen Jahren noch völlige Normalität waren, wären so auch nicht möglich. Leider sind die Strom- und Sicherungssystem der Länder entgegen allen Beteuerungen noch bei Weitem nicht kompatibel, man diskutiert lieber über selbstfahrende Züge, da diese nur die Jobs des Fussvolkes gefährden und nicht die eigenen.
Leider ist auch so, dass die Infrastrukturkosten im Bahnverkehr um ein Vielfaches höher sind, als im Flugverkehr. Deshalb ist es einfacher, einen Flug kostendeckender zu betreiben als ein Zug, vor allem, wenn man kostengünstige Tickets anbieten möchte. Die ÖBB betreibt zwar ein ansehnliches Nachtzugnetz in Mitteleuropa, doch anders als die DB früher, betreibt sie nur wenige Linien komplett eigenwirtschaftlich: Da der österreichische Fernverkehr abgesehen von der Strecke Wien–Salzburg staatlich subventioniert ist, profitieren davon auch die meisten Nachtzugverbindungen der ÖBB. Eine Ausnahme ist der nightjet Zürich–Berlin/Hamburg, der trotz sehr guter Buchungslage dennoch nur zu knapp 50% kostendeckend ist.
Ein weiterer Aspekt ist die Einführung eines 24-Stunden-öV, damit auch Schichtarbeiter die Möglichkeit haben, auf ihr Auto zu verzichten. Allerdings müssen auch andere Anreize geschaffen werden, ziehen es immer noch tausende Pendler vor, zu Stosszeiten, während denen ein gutes öV-Angebot existiert, sich alleine in ihren Autos durch Staus zu kämpfen.

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