Was haben der Unspunnenstein, Autobomben und das Laufental gemeinsam? Sie alle waren und sind Bestandteil der Jurafrage. Der Abspaltung jurassischer Gemeinden vom Kanton Bern vorausgegangen war ein jahrelanger Kampf, der auch vor Gewalt keinen Halt gemacht hatte. Die Jurafrage war mit der Gründung eines eigenen Kantons 1979 jedoch noch nicht beendet: Ein Teil der frankophonen Gemeinden des Kantons Bern entschieden sich damals für einen Verbleib – die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger just dieser Gemeinden werden am 24. November 2013 erneut an die Urne gebeten, erneut dürfen sie über einen Beitritt zum Kanton Jura befinden.
Der Separatistenkampf im Jura prägte die Schweizer Geschichte
Moutier ist heute noch diejenige Gemeinde im Berner Jura, die am stärksten auf die Jurassier ausgerichtet ist und auch bei der Volksabstimmung vom 24. November am ehesten der Gemeinden auf einen Beitritt zum Kanton Jura tendiert.
Die Radiosendung Sinerzyt von SRF Musigwälle zur eidgenössischen Volksabstimmung 1978
Zeitreise: Kampf um den Kanton Jura: SRF mySchool vom 12. November 2013
Der Diebstahl des Unspunnensteins rollte die Jurafrage erneut auf
Dass die Jurafrage auch nach der Kantonsgründung nicht geklärt war, wurde spätestens 1984 ersichtlich, als die Separatistenfront der Béliers das Berner Herz an seiner empfindlichsten Stelle traf, in dem sie in Unterseen/BE aus dem Museum der Jungfrauregion den 83.5 Kilogramm schweren Unspunnenstein entwendeten.
2001, an der Marché Concours in Saignelégier/JU, wurde der originale Unspunnenstein als Bonbon verpackt an Shawne Fielding Borer, Botschafterin der Expo.02 und gleichzeitig damalige Gattin des Schweizer Botschafters in Berlin, Thomas Borer, übergeben. Jedoch konnte er fortan nicht mehr in Wettkämpfen eingesetzt werden, da ihm das Symbol der Béliers, zwölf Europasterne und das Abstimmungsdatum zum EWR-Beitritt – der 6. Dezember 1992 – eingemeisselt wurde und er deshalb zwei Kilogramm leichter wurde. Deshalb wird auch heute unter anderem der Steinstosswettwerb am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest oder am alle sechs Jahre stattfindenden Unspunnenfest in Interlaken mit dem 1985 im Grimselgebiet gefundenen Duplikat ausgefochten.
2005 wurde er während einer Ausstellung im Hotel Victoria-Jungfrau in Interlaken/BE erneut gestohlen, an seinem Standort blieb ein mit dem Jura-Wappen versehener Pflasterstein zurück. Bis heute fehlt vom originalen Unspunnenstein jegliche Spur.
Der Finanzierungsvorwurf im Laufental
Laufen, für Bahnfahrer als ICN-Halt, für Bahnfans Standort des umstrittenen PEKABA-Versuchs zur Einengung der Pendlereskapaden und für Leser der tiefsten Boulevardpresse als Heimatort eines singenden Coiffeurs mit zu vergessendem Namen bekannt, ist der Hauptort des gleichnamigen Tals und heute fester Bestandteil des Kantons Basel-Land. Vor der Gründung des Kantons Jura gehörte das Laufental zum Kanton Bern und wäre nach 1979 vom restlichen Kantonsgebiet isoliert gewesen. Für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stellte sich damals die Frage: Verbleib beim Kanton Bern oder Beitritt zu den benachbarten Kantonen Solothurn und Basel-Land. Bei der ersten Abstimmung votierten 57 Prozent dafür, dass das Laufental weiterhin der Regentschaft aus Bern angehörte. Jedoch wurde 1984 publik, dass der Kanton Bern die im Abstimmungskampf präsente Aktion bernisches Laufental finanziell unterstützte. Der daraufhin folgende jahrelange Rechtsstreit endete vor Bundesgericht mit dessen Entscheid, dass die Volksabstimmung wiederholt werden musste. Am 12. November 1989 entschieden 51.7 Prozent der Stimmen, dass das Laufental fortan zum Kanton Basel-Land gehörte. 1994 wurde der Wechsel schliesslich vollzogen, seither wird in Liestal über das Schicksal des Laufentals bestimmt.
Die Lage der Berner Jura-Gemeinden
1979 entschieden sich die drei frankophonen Bezirke Moutier, Courtelary und La Neuveville zum Verbleib beim Kanton Bern. Die Jurafrage schien dafür fürs erste offiziell geklärt, auch wenn längst nicht alle Stimmen ruhig blieben und die Fronten sich verhärteten. 1993 explodierte in Bern eine Autobombe, der ausführende Aktivist der Béliers, Christophe Bader, kam ums Leben. Das Ziel des Anschlags war das Berner Rathaus, doch die Detonation erfolgte zu früh. Doch in den letzten Jahren wurden nach raten Gesprächen und der Formierung eines interjurassischen Dialogs unter Leitung des früheren Tessiner Ständerats Dick Marty zur Deeskalation vor allem innerhalb des Kantons Jura Stimmen laut, diese drei Bezirke ebenfalls in ihren Kanton zu integrieren. Um dieses Vorhaben den drei Bezirken schmackhaft zu machen, wurde bestimmt, dass bei einer allfälligen Gründung des neuen Jura die Kantonshauptstadt von Délémont nach Moutier wechseln würde.
In den Monaten der Abstimmung wuchs jedoch in den drei französischsprachigen Bezirken des Kantons Bern die Skepsis über einen Beitritt zum Kanton Jura. Am ehesten zu einem Übertritt tendiert Moutier. Die Wirtschaftlichkeit spielt eine grosse Rolle, beide Regionen sind stark von der Feinmechanikindustrie geprägt, das Silicon Valley der Uhren, das sich von Grenchen bis Le Locle hinzieht, ist unweit südlich des Berner Juras. Welcher der beiden Kantone für die Wirtschaft besser ist, kann nicht genau eruiert werden, selbst innerhalb der Branchen divergieren die Meinungen.
Die Ausgangslage der Abstimmung vom 24. November 2013
Es wird allgemein davon ausgegangen, dass in den Berner Gemeinden die Abstimmung über einen neuen Kanton Jura verworfen wird, während sie in den jurassischen Kommunen auf grossen Zuspruch stossen wird. Somit wäre der Plan zu einem neuen grossjurassischen Kanton gescheitert, jedoch existiert die Möglichkeit einer Abstimmung auf kommunaler Ebene, wo die Gemeinden selbst entscheiden können, ob sie beim Kanton Bern bleiben oder in den Jura wechseln.
Sollte der neue Kanton Jura geschaffen werden, würde Biel/Bienne als einzige Gemeinde mit einer grösseren Französisch sprechenden Bevölkerungsgruppe in Kanton Bern übrigbleiben, weswegen er den Status als bilingualer Kanton verlieren würde. Damit würden noch das Wallis und der Kanton Freiburg mit beiden Amtssprachen Deutsch und Französisch verbleiben. Dazu würde noch der trilinguale Kanton Graubünden mit den Amtssprachen Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch das Kollektiv der nunmehr drei mehrsprachigen Kantone der Schweiz komplettieren.
Die Einwohnerzahl des Kantons Bern würde wieder unter eine Million sinken, nachdem diese Schallmauer erst im September 2013 durchbrochen wurde.
Tagesschau von Schweizer Radio und Fernsehen vom 20. Februar 2012 über die Bekanntgabe der Abstimmung zur Jurafrage
Teil 1 der dreiteiligen Serie Grenzfall Jura von Schweiz aktuell, ausgestrahlt am 30. Oktober 2013
Teil 2 der dreiteiligen Serie Grenzfall Jura von Schweiz aktuell, ausgestrahlt am 31. Oktober 2013
Teil 3 der dreiteiligen Serie Grenzfall Jura von Schweiz aktuell, ausgestrahlt am 1. November 2013