Für einmal tauschten die Redaktionen der Nachrichtenflaggschiffe von SRG und RTS die Studios: Die Tagesschau wurde vom Westschweizer Fernsehen gestaltet, das welsche Pendant le journal von den Deutschschweizer Kollegen. Ein gutes Beispiel, wie Brücken über den Röstigraben geschlagen werden. Eine einfache Methode, um Landsleute, die doch so verschieden sind, einander näherzubringen.
Die Schweiz: Ein Land, vier Sprachen
Die sprachlichen Barrieren in der Schweiz sind enorm: Man ist zwar ein Land, dennoch unterschiedlich in Muttersprache und Mentalität, entsprechend auch die Klischees. Die überkorrekten und bünzligen Deutschschweizer, die lockeren Westschweizer, die noch lockeren Tessiner und zu guter Letzt – die Rätoromanen, die weniger als ein Prozent der Gesamtschweizer Bevölkerung ausmachen, aber dennoch eine der vier offiziellen Landessprachen sprechen.
Ein Miteinander über den Röstigraben oder durch den Gotthard ist selten zu sehen, vielmehr orientiert man sich nach innen wie in der Deutschschweiz oder zu den grossen Nachbarn wie im Welschland oder im Tessin.
Die Grenzen und die Unterschiede sind da, auch wenn man sorgsam bedacht ist, Verbindungen zwischen den einzelnen Landesteilen herzustellen. Während der Primarstufe wird eine zweite Landessprache als Fremdsprache unterrichtet, auch wenn die Lernbereitschaft der Schüler insbesondere in Bezug auf Französisch auf ein Minimum sinkt, jedoch absolvieren nicht wenige Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer einen Fremdsprachaufenthalt im Waadtland und auch die Rekrutenschulen sind auf alle Landesteile verteilt, so dass auch dort Berührungen mit anderen Gepflogenheiten entstehen.
Die SRG SSR baut Brücken
Die Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR hatte ihrem Slogan getreu wahrlich eine idée suisse.
Auf Initiative des RTS-Generaldirektors Bernard Chappaz entstand die Idee, für einen Tag einen Austausch in den Redaktionen der beiden Hauptnachrichtensender der RTS, le journal und des SRF, der Tagesschau vorzunehmen. Beide Sendungen werden jeweils zeitgleich um 19:30 Uhr auf den ersten Kanälen der SRG-Unterorganisationen ausgestrahlt.
Der Röstigraben verschwand zumindest für knapp 25 Minuten, wechselseitig wurde gezeigt, auf welche Themen der Fokus der Sendung gelegt wurde.
Interessante Bilder von der SNB-Goldreserven
Nicht nur die Moderation wurde von der Schwestergesellschaft getätigt, auch die Beiträge wurden von den Redaktoren des Pendants verfasst.
Während in Leutschenbach Olivier Dominik im Tagesschau-Studio die Nachrichten des Tages dem Deutschschweizer Publikum erläuterte, nahm im RTS-Senderaum der zukünftige SRF-Grossbritannienkorrespondent Urs Gredig Platz, um le journal zu moderieren.
Auch die Korrespondenten wurden „ausgetauscht“, das Deutschschweizer Publikum kam so statt Hanspeter Forster den RTS-Bundeshausredaktor Pierre Nebel zu Gesicht, während sein Pendant Fritz Reimann einen Beitrag in französischer Sprache ablieferte.
Interessant war der dem RTS gewährte Einblick in die Goldreserven der Schweizer Nationalbank, welche an einem geheimen Ort gelagert werden.
Auch sonst wurde klar, dass der Fokus von le journal vielmehr auf die Westschweiz gelegt ist, als derjenige der Tagesschau auf die Deutschschweiz – ausserhalb von Bern. So wurden Bilder aus den welschen Tamedia-Tochtergesellschaften gezeigt, welche aufgrund mangelnder Rentabilität um ihre Existenz fürchten und eine Reportage über den HC Fribourg-Gottéron bildete den Abschluss der besonderen Tagesschau.
Selbst Bundesrat Alain Berset äusserte sich positiv zum Journalistenaustausch von SRF und RTS.
Nicht fehlen durften natürlich die Bilder aus Genf, wie Gredig und seine Mitarbeiter die ersten Einblicke beim RTS nahmen.
Das RTS strahlte beide Sendungen parallel aus: le journal auf RTS un, die Tagesschau mit französischer Übersetzung im Zweikanalton auf RTS deux, das SRF schaffte das nicht.
Sendungen
Die SRF-Tagesschau mit RTS-Moderator Olivier Dominik (Dauer: ca. 30 Min.)
Le journal von RTS mit SRF-Anchorman Urs Gredig (Dauer: ca. 30 min.)