ETH: Studiengebühren erhöhen oder nicht?

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Hohe Wellen schlägt derzeit der ETH-Rat mit seiner Idee, die Studiengebühren der ETH Zürich und der EPFL zu erhöhen. Angestrebt wird die Verdoppelung von heute 625 auf 1250 CHF pro Semester – heftig umstritten vor allem bei Studentinnen und Studenten. Warum es auch nichts bringen würde, den Bund um weitere Finanzmittel auzufragen.
An seiner Sitzung entschied der Rat, dem Anliegen der Schulen zur Erhöhung stattgegeben.

Update: Gebühren werden erhöht

An seiner Sitzung hat der ETH-Rat entschieden, dass die Gebühren erhöht werden dürfen, jedoch ein Jahr später als geplant, zudem werden bis zur endgültigen Entscheidung auch die Studentenverbände an den Tisch gebeten.

Studentenverband bekämpft das Vorhaben

Wie viel müssen die ETH-Studenten künftig bezahlen? (Bild: Eingang Polyterrasse des ETH-Hauptgebäudes an der Rämistrasse)
Bei der Sitzung des ETH-Rats am 5. und 6. Dezember 2012 entscheidet sich, ob ab 2016 die Studiengebühren der beiden eidgenössischen technischen Hochschulen in Zürich und Ecublens/VD bei Lausanne von heute CHF 625 je Semester auf 1250 verdoppelt werden.
An der ETH Zürich schlägt diese Überprüfung vor allem unter den Studenten hohe Wellen, wenn der Widerstand auch tiefer ist als beim letzten Versuch 2009. Der Verband der Studierenden an der ETH Zürich (VSETH) lud unter anderem ETH Zürich-Präsident Ralph Eichler und ETHZ-Rektor Lino Guzzella an den Gesprächstisch Immer wieder wurde versichert, dass man für minderbemittelte Studentinnen und Studenten sorgen würde. Trotzdem verbleiben weitere Fragen und Zweifel im Raum. Wenn dann von der Chefetage Sprüche kommen wie dass die Tochter den Vater enttäuscht hat, dass sie “nur” an der Universität studiert, dann ist das schlicht und einfach einer ETH nicht würdig.
Der VSETH organisiert parallel zur in Bern stattfindenden Ratssitzung am 5. Dezember eine Schweigeminute, um 09:35 wird auf dem Hönggerberg und um 10:05 auf der Polyterrasse kurz als Protest innegehalten.

Grund für die geplante Erhöhung

Der Bund stellt seinen forschungstechnischen und pädagogischen Bereichen – kurz ETH-Bereich, welcher dem Departement von Innenminister Alain Berset unterstellt ist, jährlich finanzielle Mittel in der Grössenordnung von rund zwei Milliarden Schweizer Franken zur Verfügung. Knapp die Hälfte davon geht an die ETH Zürich, der Rest wird unter der Schwesterschule EPFL und den vier Forschungseinrichtungen des ETH-Bereichs aufgeteilt.
Dazu erhält die ETH Zürich noch knapp 400 Millionen an privaten Sponsoren- und Forschungsgeldern, welche in einem eigens dafür eingerichteten Fonds verwaltet werden und unter anderem zur Finanzierung für Professuren und Lehrstühlen verwendet wird. Auch gewisse Fachvereine erhalten Unterstützung aus der Privatwirtschaft, so sponsert der Technologiekonzern ABB für jedes Mitglied des Maschinenbau-Fachvereins AMIV ein kostenloses Bier pro Tag.
Diese Mittel zuzüglich den rund 10.2 Millionen Franken an Studiengebühren reichen angeblich nicht aus, um die Infrastruktur auf dem Laufenden zu halten, aktuelle Bauprojekte wie an der Leonhardstrasse zu finanzieren, die 14’000 ETHZ-Angestellten zu bezahlen und den 17’000 ETHZ-Studenten das Studentenleben erträglich zu machen.
Würde der ETH-Bereich beim Bund für mehr Geld anfragen, würde es als erstes von Seiten der SVP heftige Kritik hageln, da diesem am liebsten sowieso alles, was mit Bildung zu tun hat, streichen und die freigewordenen Geldern der Armee zur Verfügung stellen.
Zwei Milliarden für vorbildliche Forschung (immerhin hat es die ETH Zürich zu 21 Nobelpreisträgern gebracht) und Bildung gegenüber fünf Milliarden für einen überdimensionierten Kinderspielplatz?
Ab 2013 wird der ETH-Bereich dem Eidgenössichen Volkswirtschaftsdepartment überführt, welches damit den Namen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung erhält. Ab 2013 wird damit Johann Schneider-Ammann über die Geschicke seiner Alma Mater entscheiden.

Sinn und Unsinn der Erhöhung?

Auf den ersten Blick scheint eine Verdoppelung auf 2500 Franken jährlich verkraftbar, wenn man mit anderen Staaten wie Grossbritannien oder den USA vergleicht, wo die Studiengebühren mindestens fünfstellig sind. Dies führte jedoch dazu, dass nicht mehr die Intelligenz über den Erfolg an der Universität (ja, auch die ETH ist eine Universität, auch wenn das kaum einer begreifen will) entscheidet, sondern der Kontostand (meistens der Eltern). Da würde manch einem der Zugang verwehrt, der sich wirklich auf dem naturwissenschaftlichen Gebiet betätigen möchte, dafür darf ein anderer dessen Platz einnehmen, der nur so an die ETH geht, weil es cool ist und die Schule einen exzellenten Ruf hat und man ohnehin zu viel Freizeit hat. Dies ist bereits heute so: Hier NZZ- und Tagesanzeiger-Leser, da Blick-Leser, hier die am Stoff und an der Thematik Interessierten weil der Traumberuf durch den Studiengang erreicht werden kann, da diejenigen, die den Kommilitonen stattdessen primitive Videos auf dem Smartphone unter die Nase halten. Man möge raten, wer dann nach zwei Semestern die Basisprüfung besteht – natürlich nicht Erstere, weil das Leben immer mit der negativen Seite zuschlägt und immer diejenigen bestraft, welche es nicht verdient haben und die anderen schlängeln sich nur so durchs Leben.

Guzzella riss vergangenen Sommer einen halben Weltkrieg vom Zaun, weil er sich für die Elitisierung seiner Hochschule stark gemacht hat, was wiederum Lehrlinge und Verfechter des dualen Bildungssystem brüskieren liess. Solche Gedanken sind natürlich fehl am Platze, beide Wege sollen gleich gefördert werden, dafür sollen aber die Studenten nicht mehr als faule Säcke abgestempelt werden, denn auch diese Art von Arbeit zieht eine gewisse Strenge mit sich. Pietätlose Sprüche wie Eingebildeter Theoriehaufen sollen ein für alle Mal der Vergangenheit angehören! Zum wiederholten Male: Es braucht beide – Studenten und Handwerker und beide können auch voneinander lernen! Aber man muss dem Lernenden auch die Chance dazu geben und ihn nicht bereits im Voraus als unfähig abstempeln. Wenn die Gymnasien der Schweiz versagen, sind sicherlich nicht die Studenten die Hauptschuldigen, aber sie sind die Leidtragenden, wenn sie unter selektierende Massnahmen gestellt werden. In diesem Punkt hat Guzzella Recht, das Niveau der gymnasialen Mittelschulen lässt zumindest in Teilen der Schweiz stark zu wünschen übrig, weil man mit Lernen und Auswendiglernen viel weiter kommt als mit Intelligenz werden zahlreiche Maturanden im Glauben gelassen, das sie für ein ETH-Studium fähig sind, nur um dann wenig später eine überaus harte Ohrfeige namens Basisprüfung zu kassieren. Und wenn diese die erste Prüfung ist, die man nicht besteht und auch in vergangenen Jahren erfolreiche Telefonate der Eltern bei Rektoren und Lehrern à la Wieso fördern Sie nicht mein Kind, es ist das beste der Welt halt nichts mehr nützen, dann…
Sollte Guzzella seinen Eliteplan konsequent verfolgen, dann muss man halt einen Numerus clausus an der ETH einführen, auch um Enttäuschungen von Seiten der Studenten zu vermeiden. Aber auch das ist nicht fair. Der Riegel sollte bei den Rektoren und Lehrern der Mittelschulen gesetzt werden – pädagogische Fähigkeitsausweise inklusive!

Aus diesem Grund wäre eine Erhöhung nicht zu verantworten, stattdessen wären andere Massnahmen zu treffen, was nicht gerade ein Ding der Unmöglichkeit scheint.
Klar versichern die Verantwortlichen, dass vermieden werden will, dass sich Studenten das Studium an einer der beiden ETH’s nicht mehr leisten können. Aber was ist mit den Mittelständigen? Hier wären ebenso Einschnitte zu verzeichnen, die nicht mit Stipendien aufgefangen werden – so müsste die Familie auf Ferien verzichten oder beide Elternteile werden zu hundertprozentigem Arbeiten gezwungen – nur um dem Sprössling das Studium zu ermöglichen. Bei mehreren studierwilligen Kindern ganz zu schweigen.
Und alle diejenigen, die jetzt mit „die faulen Studenten sollen doch arbeiten“ kommen, denen sei etwas gesagt: Das Studieren an der ETHZ oder der EPFL lässt einen parallelen Nebenjob nicht zu – vor allem aus Zeitgründen.

Der ETH-Rat

Der ETH-Bereich des Bundes – bestehend aus der ETH Zürich und der EPFL Lausanne, dem Paul-Scherrer-Institut (PSI) in Villigen/AG, der Eidgenössichen Materialprüfungsanstalt (EMPA) in Dübendorf/ZH, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf/ZH samt dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos/GR, sowie der Eidgenössichen Anstalt für Wasserreinigung, Abwasser und Gewässerschutz (EAWAG) in Dübendorf/ZH – wird vom ETH-Rat gegenüber dem Bund vertreten.
Präsident des Rats ist der ehemalige Glarner Ständerat Fritz Schiesser (FDP), Mitglieder sind zudem unter anderem noch die Präsidenten der beiden Schulen, Ralph Eichler (Zürich) und Patrick Aebischer (Lausanne), die Rektoren hingegen gehören dem Gremium nicht an. Lino Guzzella beispielsweise hätte also keinen Einfluss auf den Entscheid.

Die ETH Zürich und die EPF Lausanne

Die beiden technischen Hochschulen der Schweiz – die Eidgenössisch-Technische Hochschule Zürich (ETH oder ETHZ) und die École polytechnique fédérale Lausanne (EPFL) stehen in internationalen Hochschulrankings immer vergleichsweise weit oben. Beim Times Higher Education-Ranking 2012 erreicht die ETHZ Platz 12 und ist damit drittbeste Hochschule Europas und die beste Kontinentaleuropas, die EPFL Platz 46, was sie zur viertbesten Hochschule Kontinentaleuropas und zur zweitbesten der Schweiz hinter der Zürcher Schwesterschule macht. Beide Schulen haben etliche Berühmtheiten als Absolventen hervorgebracht, die ETHZ steht zudem noch in Verbindung mit 21 Nobelpreisträgern. Ob Albert Einstein, Wolfgang Pauli, Wilhelm Conrad Röntgen, Claude Nicollier, Max Frisch, Kurt Wüthrich, Santiago Calatrava, Carl Gustav Jung, Adolf Muschg, Jean-Rudolf von Salis, Gottfried Semper, Friedrich Traugott Wahlen, Christian Menn, Othmar H. Ammann, Robert Maillard, Ferdinand Piëch, Jacques Herzog, Pierre de Meuron, Hans Kolhoff, Johann Schneider-Ammann, Paul Scherrer – sie alle haben an der ETH Zürich studiert, geforscht oder gelehrt – und tun es teilweise heute noch. An der EPFL tätig oder deren Alumni sind unter anderem Claude Nicollier, Yves Patternot oder Nelly Wenger.

Links

  • Empörung über höhere ETH-Studiengebühren – Tagesanzeiger/Newsnet, abgerufen am 7. Dezember 2012
  • Pressemitteilung des ETH-Rats zum Entscheid an der Sitzung
  • Stellungnahme des VSETH zum Entscheid des ETH-Rats vom 6. Dezember 2012
  • Seite des VSETH zur geplanten Studiengebührenerhöhung
  • Medienmitteilung des VSETH (PDF-Datei)
  • Offener Brief an den ETH-Rat (PDF-Datei)
  • Das Niveau an den Schulen ist gesunken: Interview mit Prof. Dr. Lino GuzzellaNZZ am Sonntag vom 29. Juli 2012
  • Artikel aus der Studentenzeitung Polykum (PDF-Datei)
  • ETH-Gebühren sollen verdoppelt werdenNZZ Campus vom 15. Mai 2012