Bundesbeschluss über die Jugendmusikförderung – Was steckt hinter dem klingenden Namen? Am 23. September dürfen die wahlberechtigten Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wieder an die Urne gehen. Nebst den in den Medien oft thematisierten eidgenössischen Vorlagen zum Schutz vor Passivrauchen oder Sicheres Wohnen im Alter gibt es noch eine dritte Vorlage, welche aber im Medienrummel um die beiden erstgenannten unterzugehen scheint. Vermutlich, weil die Annahme nur Formsache zu sein scheint und sowohl Bundesrat als Parlament sie auch zur Annahme empfehlen, da es ja ihr Gegenvorschlag zur mittlerweile zurückgezogenen weil inhaltlich übereinstimmenden Volksinitiative jugend + musik ist.
Musik soll gefördert werden
Das Komitee jugend + musik lancierte ab 2008 erfolgreich eine Volksinitiative, woraufhin sowohl Bundesrat, als auch National- und Ständerat den Gegenvorschlag ausarbeiteten, der am 23. September zur Abstimmung kommen wird. Die Volksabstimmung wurde nach der Veröffentlichung des Gegenentwurfes zurückgezogen, weil die beiden Entwürfe in ihren Grundzügen übereinstimmten. Grund für den Gegenvorschlag war das Unverständnis des Parlaments gegenüber dem in der Initiative geforderten Eingriff in die kantonale Schulpolitik.
Bis auf die FDP und die SVP stimmen alle Parteien (SP, Grüne, CVP, EVP, GLP, BDP, CSP) der Gesetzesvorlage zu, die Gegner stellen zwar die Förderung der Musik ausser Frage, mokieren sich aber über die Steigerung der Kompetenzen des Bundes. Ebenfalls sorgt für Unmut, dass keine konkreten Budgetvorstellungen aufgezeigt wurden, so dass man sich keine Vorstellung über den finanziellen Aufwand machen kann. Dies ist jedoch bei der Sportförderung derselbe Fall, da jeder Kanton hier seinen eigenen Spielraum aufweist.
Das Ziel der Gesetzesvorlage
Bisher werden im Sport zwischen 50 und 130 Millionen Schweizer Franken an Fördergelder verzeichnet, die Angaben variieren aufgrund der Kompetenzen der Kantone, welche auch die Förderungen unterschiedlich auslegen. Ein Teil dieser Fördergelder stammt aus dem Lotteriefonds – sprich der Reingewinn von SWISSLOS -, auch hier können die Kantone selbst verfügen, welche Organisationen unterstützt werden, nebst sportlich ausgerichteten beispielsweise auch solche zum Landschaftsschutz oder zu karitativen Zwecken.
Für die Musik betragen die Fördergelder schätzungsweise eine halbe Million Schweizer Franken. Mit der Vorlage werden nun die Förderbeiträge der Musik erhöht und im Gesetz verankert, ohne jedoch diejenigen des Sports zu schmälern. Eine genaue Höhe kann nicht vorausgesagt werden, die Aufwendungen hangen wie beim Sport von der Anzahl der Begünstigten ab.
Das Ziel ist einerseits die spezielle Förderung junger Menschen mit musikalischem Talent, andererseits die Vorgabe an Bund und Kantone, für hochwertigen Musikunterricht wie beispielsweise an Musikschulen zu sorgen, genauso wie für eine Zielsetzung. Zudem soll national festgelegt werden, welche Ziele die Schulen im Unterrichtsfach Musik verfolgen müssen. Hier haben die Kantone in Zukunft keine Kompetenzen mehr, die Vorgaben werden einzig und allein durch den Bund gelegt, um für eine Vereinheitlichung zu sorgen.
Für die Annahme des Bundesbeschlusses über die Jugendmusikförderung setzen sich auch Musikvereine- und verbände ein: Der Schweizerische Blasmusikverband (SBV) nutzte sein 150-jähriges Jubiläum, um mit einem Blasmusiktag am Stammsitz Aarau, bei dem jeder kantonale Musikverband einen Verein delegierte, im Beisein von Bundesrat Alain Berset kräftig die Werbetrommel zu rühren.
SF Tagesschau-Reportage über das SBV-Jubiläum
Kommentar
Die einzig richtig konkrete politische Botschaft, die Cabo Ruivo jemals vermittelt hat und vermitteln wird, folgt nun: Der Bundesbeschluss über die Jugendmusikförderung soll angenommen werden. Ein JA in die Urne werfen.
Klar kann man sich über den einen oder anderen Punkt streiten. Die Begabtenförderung steht auch hier an oberster Stelle, gewisse Damen und Herren begreifen es aber wohl nicht, dass hiermit vor allem Neid und Hass geschürt wird. Man betrachte doch mal das Beispiel Fussball. Im Dorfclub von Hintertrotzikon wird ein Talent entdeckt, welches die Möglichkeit hat, bei einem regionalen Spitzenclub in der Jugendabteilung mitzuwirken. Alles schön und gut. Dummerweise gibt es da einen Teamkollegen, der ebenfalls dieses Ziel verfolgt, da er selbst der Ansicht ist, über mindestens genau so viel Talent zu verfügen, auch wenn alle Umstehenden dies anders sehen. Und wie macht man generell am Besten seinem Frust Luft: Man versucht den anderen, von seinem Erfolgsweg abzubringen.
Bei der Musik soll nicht das Ziel sein, dass nur die Besten gefördert werden. Das Ziel ist, nach dem Ende der Musikschulkarriere beispielsweise in einer Musikgesellschaft oder Feldmusik (ist ohnehin das Gleiche) mitzuspielen. Diese sind auf Mitglieder angewiesen, da sie an erheblichem Schwund leiden. Ist man kein Spitzen- oder Erstklassverein, dessen Literatur sowieso kein Laie mehr hören will, lautet das oberste Credo eines Vereins, den Spass am Musizieren mit Gleichgesinnten zu teilen. Werden auch hier wieder gewisse bevorzugt oder speziell gefördert, ist es mit dem Spass dahin und der Ehrgeiz im Menschen wird in seinen unschönen Zügen sichtbar. Auch die Musikfeste, kantonal oder eidgenössisch, für Musikgesellschaften oder Jugendmusikvereine, sie alle haben das primäre Ziel des Zusammenbringens der verschiedenen Regionen und nicht des Messens von Leistungen. Klar herrscht eine gewisse Freude, wenn man gewinnt oder vor allem vor dem Rivalen steht. Anbei ein Tagesschau-Beitrag über das 2008 über die Bühne gegangene Schweizerische Jugendmusikfest in Solothurn, die nächste Ausgabe ist für 2013 in Zug terminiert:
Natürlich scheint es hier nicht von Vorteil, dass das Kind ausschliesslich Instrumente wie Gitarre, Keyboard oder Schlagzeug lernt, wo es nach der Musikschule kaum Perspektiven gibt. Aber hier sind vor allem die Schulen gefragt, um beispielsweise ein Blasinstrument wie die Trompete angehenden Musikanten schmackhaft zu machen.
Positiv ist auch, dass jedes Kind Zugang zu einem Instrument haben kann. Bereits heute werden Musikschulen staatlich unterstützt, auch wenn gewisse unterstützende Gemeinden (Ingenbohl/SZ) mit dem Ertrag nicht einverstanden sind und die Unterstützung reduzieren möchten, auch wenn sie einen ohnehin finanziell auf Rosen gebetteten lokalen Fussballverein mit einem sechsstelligen Betrag jährlich vollbuttern – der zweite übrigens nicht. Bisher werden die Musikschulen mit 40% bis 60% von Kanton und Gemeinden unterstützt, zudem gibt es für unabhängige Ensembles private Fonds, der Rest wird von Elternbeiträgen getragen. Durchschnittlich fallen pro Musikschüler vier- bis fünfstellige Beträge jährlich an, was für Familien mit mehreren musikinteressierten Kindern finanzielle Probleme mit sich bringt.
Eine Kontrolle über den Schulunterricht ist absolut notwendig, was auch mit dieser Initiative bezweckt werden soll. Vorgaben sind vom Bund auszuarbeiten. Man betrachte das heutige Unterrichtsfach Musik: In der Primarstufe ist der Fokus auf das fröhliche Liedchensingen gelegt, wer nicht singen kann, gilt als unmusikalisch, ungeachtet dessen ober ein Instrument spielt oder nicht. In der Sekundarstufe wird immer noch viel gesungen, jedoch werden auch andere Aspekte der Musik, so in fremden Kulturen, gezeigt, während im Gymnasium den Schülern mit aller Kraft versucht wird, die doch recht schwierige Theorie einzudeutschen – kein Wunder, verliert man die Lust daran. Auch geübte Hobbymusiker bekunden Mühe, beispielsweise eine Oboe von einem Englischhorn zu unterscheiden, zudem kann man den Schülern nicht die Harmonielehre samt dem Erkennen von Dreiklängen zumuten, dies soll ambitionierten Musikern an Weiterbildungskursen wie einem Dirigentenkurs vorbehalten sein, denn da besteht auch das totale Interesse.
Es ist absolut vonnöten, die künstlerische Freiheit zu fördern, was auch für andere Formen von Kunst und Kultur gilt. Das Bildnerische Gestalten soll zwar der Kreativität und der künstlerischen Freiheit dienen, um jedoch gute Noten zu haben, muss man den Vorgaben der Lehrpersonen folgen – und schon ist das mit der “Freiheit” dahin… Dass die Schweizer Bildung hier Nachholbedarf besitzt, ist ein offenes Geheimnis.
SF Tagesschau-Bericht über die Pressekonferenz von Kulturminister Alain Berset