Krawallen hier, gefälschte Bankgarantieren da und ein Rechtshickhack drüben. Das Geschehen in der obersten Schweizer Fussballliga spielt sich zur Zeit eher neben dem Platz ab. Obwohl die Probleme bekannt sind, werden den Übeltätern nur zaghaft die Schranken aufgezeigt. Der Fussball steht vor einem Scheideweg zwischen Sportart oder juristischer Farce. So macht man keine gute Gattung.
Spielabbruch mit Folgen
Man schrieb den 2. Oktober 2011, als Schiedsrichter Sascha Kever das Zürcher Stadtderby zwischen den Grashoppers und dem FC Zürich in der 77. Minute beim Stand von 2:1 für GC abbrechen musste, weil Petarden in die Zuschauerränge des GC-Sektors geflogen waren. Die Disziplinarkommission der Swiss Football League (SFL) durfte sich mit dem Fall beschäftigen und hat rund sechs Wochen später, am 18. November 2011, ihr Urteil gefällt. Da der Ausgangspunkt der Krawallen klar auf Seiten des FC Zürich zuzuordnen waren, entschied die SFL, dass die Partie forfait mit 3:0 zugunsten der Grashoppers gewertet wurde. Es war der erste Spielabbruch in der Geschichte der obersten Liga gewesen, aber weitaus nicht die ersten Krawallakte. Ein Pulverfass bieten dabei stets die Partien zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich, Daten wie der 13. Mai 2006 oder der 11. Mai 2011 haben sich unvergesslich ins Hirn des Schweizer Fussballfans gebrannt. Auch die ewigen Kontroversen über Polizeikontrollen am Zürcher Bahnhof Altstetten, in der Nähe der Letzigrund-Spielstätte gelegen, sind ein gerne aufgegriffenes Thema in Schweizer Medien.
Mit dem Punktgewinn konnte GC den Stadtrivalen überflügeln, doch der FCZ hat gegen die Wertung Rekurs eingelegt.
Ein Präsident, der Regeln nicht akzeptieren will
Doch damit ist weit nicht genug: Krawallprobleme tauchen auch in Nachbarländern wie Deutschland oder Österreich auf, doch das folgende Problem ist zur Zeit nur innerhalb der helvetischen Grenzen anzutreffen: Präsidenten, welche sich gewissen Regeln widersetzen und sich dann auch noch im Recht fühlen. Es hat auch einen Namen, Christian Constantin. Der Wallister Bauunternehmer und Architekt amtet seit Jahren als Präsident des FC Sion und ist eine gefürchtete wie auch verachtete oder umstrittene, aber ebenso schillernde Figur in der Schweizer Fussballszene. Die Anzahl entlassener Trainer während seiner bisherigen Regentschaft ist fast so hoch wie die Staatsschulden der USA, zudem kann sich CC, wie er in den Boulevardmedien gerne genannt wird, mit keinen Regeln anfreunden: Weil sein Verein – den CC übrigens am liebsten zu einem FC Wallis mit Stadion in Martigny aufbauen möchte – 2008 einen Spieler, der übrigens längst nicht mehr im Kader der Walliser steht, gegen den Willen des anderen Clubs aus einem laufenden Vertrag losgeeist hat, wurde der Verein von der FIFA mit einer zweijährigen Transfersperre belegt, die 2009 ausgesprochen wurde. Bedeutete das für die Sion-Fans, dass sie keine Neuzugänge mehr im Tourbillon bewundern dürfen? Weit gefehlt. Den Monsieur Constantin kratzte die Sperre nicht im Geringsten, denn 2011 nahm er gleich sechs neue Spieler unter Vertrag. Mit dem Resultat, dass die sportlich qualifizierten Sittener von der UEFA aus der Europa League-Gruppenphase ausgeschlossen wurden. Akzeptierte CC seine Niederlage? Denkste. Mit Zivilgerichten versuchte er, in den europäischen Wettwewerb einzusteigen. Auch die SFL machte eine Achterbahnfahrt: Mal erhielten die sechs Spieler Spielbewilligungen, mal nicht. Mal beugte sich der SFL einem Gerichtsentscheid, mal nicht. Endlich sprach der Verband, der wegen dem Hickhack auch wichtige Punkte in der UEFA-Fünfjahreswertung im Kampf um einen zweiten Startplatz in der Champions League-Qualifikation verlor, Klartext: Den sechs Spielern wird die Bewilligung entzogen, sie sind gesperrt. Sion drohen zudem Forfait-Niederlagen in allen Spielen, in denen mindestens einer der Neuzugänge aktiv war. Die Tabelle könnte also kräftig durcheinander gewirbelt werden, denn Lausanne oder Thun haben beispielsweise beide Partien gegen die Sittener verloren, sie könnten ihr Punktekonto also um ganze sechs Zähler aufstocken.
Beitrag der Tagesschau des Schweizer Fernsehens zur Sperre der sechs Sion-Akteure
Gefälschte Bankgarantien am Neuenburgersee
Als wäre das alles nicht schon genug, hat sich noch ein durchtriebener tschetschenischer Geschäftsmann am Neuenburgersee niedergelassen und sich Xamax einverleibt. Dabei weiss eigentlich keiner, wie der Typ namens Bulat Tschagajew zu seiner angeblich vorhandenen Kohle gekommen ist. Er kann nur Offshore- und Briefkastenfirmen vorweisen. Xamax steht auf der Kante des finanziellen Abgrunds, ein Konkurs vor dem 11. Dezember wäre fatal: Alle Xamax-Spiele würden aus der Wertung gestrichen, und die Tabelle würde abermals durcheinandergerüttelt.
Bei Hausdurchsuchungen kam zwar eine Garantie der Bank of America zum Vorschein, die Tschagajew ein Vermögen attestierte. Aber natürlich war sie gefälscht. Ein Schelm, wer Böses dachte: Die Garantie wurde von einem gewissen Milller unterzeichnet, jawoll, mit drei l. Also bitte, wie kindisch ist denn das?
Umstritten war Tschagajew schon bei seinem Amtsantritt, auch bei ihm sitzen die Trainer auf dem Schleudersitz. Auch hat er schon mit einem Wegzug aus Neuenburg gedroht, als die Stadt ihn auf zu zahlende Mietkosten für das Maladière-Stadion aufmerksam machte.
Image leidet
Schaut man sich die spärlichen Artikel ausländischer Medien über den Schweizer Clubfussball an, so dominiert das Negative: Geschrieben wird vor allem über Constantins und Tschagajews Untaten, aber auch über den Abbruch des Zürcher Derbys. Es ist wohl nicht zu erläutern, dass hier sportliche Leistung vollends untergehen.
Wieso soll man dann eigentlich noch Spiele austragen, wenn sie sowieso erst am grünen Tisch entschieden werden? Wenn Constantin und Tschagajew keine Grenzen kennen, wieso sollen es dann die anderen? Am Ende kann eh jeder machen, was er will. Damit das nicht so wird, soll endlich Klartext gesprochen werden: Sion und Xamax sollen in die Challenge League zwangsrelegiert werden, zudem soll eine Verordnung in Kraft treten, welche die Totalübernahme eines Vereins durch eine einzige Institution untersagen soll. Zur Zeit ist so eine Regelung nur noch in Deutschland in Kraft, wird aber auch dort heftig bekämpft, auch wenn sie nicht schlecht ist. Fragen Sie mal in England nach: Amerikanische, russische und arabische Geschäftsleute haben sich zahlreiche Vereine einverleibt, von Manchester United über Chelsea, Manchester City, Arsenal und Liverpool bis hin nach Newcastle ist alles in fremder Hand. Von Fussball haben die wenigsten eine Ahnung, was zählt, ist der wirtschaftliche Nutzen. Manchester United wird als Bank missbraucht, während Stadtrivale City ein kräftiges Minus aufweist, das aber problemlos gestopft wird. Als Gipfel der ganzen Komödie haben diese Klubbesitzer die Abschaffung der Relegation mit der zweithöchsten englischen Spielklasse gewünscht. Was glücklicherweise nicht mal im Geringsten in Betracht gezogen worden.
2 thoughts on “Tschagajew, Constantin und Krawallen: Die Schweizer Fussball-Soap geht weiter”
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