Attentate in Paris: Keine Vorurteile gewünscht!

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Die fürchterliche Anschlagsserie von Paris und Saint-Denis vom 13. November 2015 sorgten für Unmut und Bestürzung in aller Welt. Überlegungen über die Motive und die Täterschaft kamen auf und seit dem Bekenntnis des Islamischen Staates zur Tat gerät die Flüchtlingsthematik wieder in den Fokus. Doch hier gilt es, keine überlegten Schlüsse zu ziehen

Keine voreiligen Schlüsse ziehen

Frankreich als Ziel einer Bluttat: Das Attentat auf die Charlie Hebdo-Redaktion schockiert
Frankreich erneut als Ziel einer Bluttat: Die Attentate in Paris und Saint-Denis schockieren
Angesichts der gigantischen Berichterstattung über die Anschlagsserie in der Île de France ist die Hoffnung klein, dass diese Zeilen hier gelesen werden, doch just genau wie beim Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo Anfang Januar dieses Jahres ist die Menschheit gut daran geraten, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Seit dem Bekenntnis der Terrormiliz Islamischer Staat zu den sechs Attentaten in den Xème und XIème Arrondissements in Paris und in der Nähe des Stade de France in der Vorstadt Saint-Denis scheint für den simplen Denker alles klar: Der IS schleuste die Attentäter als Flüchtlinge nach Europa ein? Doch ist die Antwort auf den Grund für die Attentate in Paris so simpel?

Das Leben in den Banlieues

Auch wenn die Gerüchteküche gerne brodelt und es Rechtsbürgerliche und Nationalisten gerne sehen würden, dass dieser gestrickte Gedanken stimmt, kann es durchaus auch anders aussehen. Und dies ist momentan die wahrscheinlichste Variante: In den Banlieues, den von Wohnsilos geprägten Vorstädten der Metropolen wie Paris, Lyon oder Marseille, herrscht seit Jahrzehnten ein tristes Leben. Städte wie Aubervilliers oder Clichy-sous-Bois gelangten bereits während den Unruhen 2005 in den Fokus der Öffentlichkeit. Obwohl damals jedem klar wurde, was das Leben in den Banlieues eigentlich bedeutet, hat sich die Situation kaum merklich verbessert, die Ghettoisierung hält nach wie vor Bestand: Die Vorstädte sind geprägt von Sozialwohnungen, meist von Einwanderern ehemaliger französischer Kolonien bewohnt. In der französischen Gesellschaft haben diese Bürger meist keine Zukunft, vor allem die Jugendlichen. Einzig der Fussball dient als Möglichkeit, der Tristesse zu entkommen. In Zeiten von Orientierungslosigkeit haben so Terrororganisationen wie der IS leichtes Spiel. Durch Propaganda erreichen sie die Menschen in den Banlieues und haben bei der Radikalisierung leichtes Spiel. Endlich haben die Menschen eine Bestimmung und eine Beschäftigung, erhalten vermeintliche Akzeptanz – da sind sie sich nicht bewusst, welch fatale Folgen dies haben wird.

Simpler Grund, warum das Fussballspiel nicht abgebrochen wurde

Für Irritation sorgte der Umstand, dass das Fussball-Länderspiel Frankreich–Deutschland (2:0) im Stade de France nach den Detonationen ausserhalb des Stadions nicht abgebrochen wurde. Hier ist jedoch anzumerken, dass bei einem Spielabbruch und vor allem den Gründen das Potential einer gefährlichen Massenpanik vorhanden gewesen wäre, die so verhindert wurde. Auch waren die Besucherinnen und Besucher im Stadion selbst wohl sicherer als ausserhalb.

Tagesschau Spezial von Schweizer Radio und Fernsehen vom 14. November 2015

Das Ziel, Aufsehen zu erregen

Das Primärziel des IS ist es, Aufsehen in Westeuropa zu erregen. Dies ist ihnen vollends gelungen, vor allem, weil der Terror nun näher ist als jemals zuvor. Das Attentat auf den russischen Passagierjet auf der Sinai-Halbinsel ging nach wenigen Tagen wieder vergessen, Anschläge in Beirut oder Ankara vor einigen Wochen wurden hierzulande in den Medien nur beiläufig erwähnt und gingen leider ebenso vergessen.
Und nicht zu vergessen: Die Flüchtlinge auf der Balkan-Route flüchten just vor diesem IS. Nur so mal als Denkanstoss für all diese Hetzer.

Siehe auch

  • Charlie Hebdo-Attentat: Warnung vor voreiligen Schlüssencaboruivo.ch vom 7. Januar 2015
  • Links

  • IS bekennt sich zu Pariser AnschlägenSchweizer Radio und Fernsehen Online vom 14. November 2015
  • Beitragsdossier der NZZ zu den Terroranschlägen in Paris
  • Schwerpunktthema der ZEIT Online über die Attentate in Paris
  • Thema der Süddeutschen Zeitung