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Wahlsonntag 11. März 2012: Der Souverän hat entschieden…

Kaum ein Wahlsonntag sorgte seit den Abstimmungen über Minarettverbote oder Ausschaffungen für mehr mediales Aufsehen als der heutige. Auf eidgenössischer Ebene wurde beispielsweise das Volk gebeten, über die Festlegung von sechs Wochen Mindestferien für alle oder über die Wiedereinführung der Buchpreisbindung abzustimmen. Nebst diesen und anderen Sachgeschäften stehen beispielsweise in sechs Kantonen Gesamterneuerungswahlen von Regierung und Parlament an, im Kanton Fribourg wurde zudem noch über die Nachfolge des in den Bundesrat gewählten Ständerats Alain Berset entschieden.

Überblick über die Eidgenössischen Vorlagen:
Der Arbeitnehmerverband Travail.Suisse reichte mit Unterstützung von Gewerkschaften, der SP und den Grünen die Initiative ein, dass im Gesetz sechs Wochen Ferien für jedermann im Gesetz verankert werden. Den Initianten zufolge würden die vor 25 Jahren niedergeschriebenen vier Wochen den heutigen Ansprüchen an die Arbeitnehmer aufgrund des hohen Leistungsdrucks nicht mehr genügen. Bürgerliche Parteien sowie die Arbeitgeberverbände befürchten bei einer Annahme der Initiative Verluste von Arbeitsplätzen, da die Unternehmen aufgrund der angeblich anfallenden höheren Personalkosten vermehrt Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Zur Zeit gibt es bereits Unternehmen, die mehr als die vorgeschriebenen vier Wochen Urlaub den Arbeitnehmern zur Verfügung stehen – oft in Zusammenhang mit einer 43-Stunden-Woche statt der üblichen 42.5, jedoch gibt es auch Unternehmen, die so wirtschaftlich ausgelegt sind, dass deren Berufstätige vier Wochen Ferien haben, 43 Stunden pro Woche arbeiten müssen und die Pausen nicht mal bezahlt sind.
Für eine ebenso grosse Kontroverse sorgt die zur Diskussion stehende Wiedereinführung der Buchpreisbindung. Seit 2007 sind die Buchhändler der Schweiz nicht mehr verpflichtet, ein gewisses Preisniveau einzuhalten und können diesen so selber gestalten. Sowohl der Bundesrat, als auch National- und Ständerat möchten die Preisbindung aber wieder einführen, wogegen bürgerliche Kräfte das Referendum ergriffen haben, weil ihrer Ansicht nach die Preise so wieder ansteigen werden. Gegenargumente, vorwiegend von linker Seite, handeln vor allem vom Aussterben der Einzelhändler und Kleinverlage, weil grosse Unternehmen wie Orell Füssli oder Ex Libris tiefere Preise anbieten können als solche. Zudem argumentieren sie, dass ohne Buchpreisbindung nur gerade für Bestseller die Preise sinken, für andere Werke dagegen sind sie höher. Bereits heute ist es so, dass man Geld spart, wenn man die Bücher im grenznahen Ausland wie beispielsweise in Konstanz einkauft, denn die Schweizer Buchhändler rechnen das Verhältnis Franken zu Euro mit 2:1. Das Schweizer Stimmvolk entschied, das Gesetz zur Wiedereinführung der Buchpreisbindung abzulehnen.
Auch der bekannte Umweltschützer Franz Weber hat mit seinen 84 Lenzen noch eine Initiative eingereicht, welche den Anteil von Zweitwohnungen pro Gemeinde auf 20% zu begrenzen, um einer Zersiedelung entgegenzuwirken. Der Vorstoss wird von Grünen, SP und einigen Kantonalsektionen der SVP getragen, die übrigen Parteien lehnen sie ab. Dieses Resultat ist wohl das überraschendste des heutigen Tages: Äusserst knapp wurde die Initiative angenommen. Interessant ist, dass die vom Entscheid am meisten betroffenen Kantone (Graubünden, Wallis) diese ablehnten, während andere, nahezu am Geschehen unbeteiligte wie Zürich diese annahmen.
Die anderen Eidgenössischen Vorlagen wie die Bausparinitiative oder die Glücksspielinitiative sorgten für weniger Aufsehen. Letztere besagt beispielsweise, dass Einnahmen aus Spielcasinos oder Lotterien dem Gemeinwohl, namentlich Sportverbände oder AHV, zu Gute kommen sollen. Sie sind deshalb weniger umstritten. Die Bausparinitiative wurde bachab geschickt, während die Geldspielvorlage deutlich angenommen wurde.

Wahlen in sechs Kantonen
In insgesamt sechs Kantonen sind zudem Wahlen angesagt: Im Kanton Fribourg wird der Nachfolger des im Dezember für Micheline Calmy-Rey in den Bundesrat gewählten SP-Ständerats Alain Berset bestimmt. Die SP versucht dabei, ihren Sitz mit ihrem Parteipräsidenten Christian Levrat zu verteidigen, der sich in seinem Heimatkanton grosser Beliebtheit erfreut. So halb ernstzunehmende Konkurrenz erhielt Levrat zwar durch den von bürgerlicher Seite unterstützten FDP-Kandidaten Jacques Bourgeois, auch dieser konnte den Einzug des SP-Parteipräsidenten Levrat ins Stöckli nicht verwehren. Den zweiten Ständeratssitz der Freiburger hat CVP-Fraktionschef Urs Schwaller inne. Nur Aussenseiterchancen wurden den Kandidaten der Piratenpartei, Charles Pache, und der Gruppierung Neue Welt/Noveau Terre, Francis Fasel, eingeräumt. Levrat seinerseits wird im Nationalrat von seiner Parteikollegin Ursula Schneider Schüttel beerbt, wie der Aargauer SP-Nationalrat Cedric Wermuth auf seinem Twitter-Account bekanntgab.
Im Kanton Thurgau stehen für die fünfköpfige Exekutive Gesamterneuerungswahlen an, hierbei stellen sich alle fünf bisherigen Regierungsräte – Claudius Graf-Schelling/SP, Monika Knill/SVP, Bernhard Koch/CVP, Kaspar Schläpfer/FDP und Jakob Stark/SVP – zur Wiederwahl, während die Schweizer Demokraten Willy Schmidhauser als Sprengkandidat aufgestellt haben.
In vier weiteren Kantonen, namentlich Schwyz, St. Gallen, Uri und der Waadt stehen Gesamterneuerungswahlen nicht nur für die Exekutive, sondern auch für die Legislative an.
Im Kanton Schwyz stehen für sieben Regierungsratsposten neun Kandidaten zur Verfügung. Nachdem SP-Landammann Armin Hüppin und der vor allem in der Justizaffäre landesweit bekannt gewordene FDP-Mann Peter Reuteler nicht mehr antreten, wollen deren Parteien in erster Linie ihre Sitze verteidigen. Die SP hat dafür den Einsiedler Patrick Schönbächler nominiert, während die FDP Petra Steimen-Rickenbacher aus Wollerau aufstellte. Doch ganz einfach wird es für die beiden nicht, denn sowohl SVP als auch CVP wollen einen dritten Sitz erobern – beide übrigens mit Juristen. Die CVP hat dafür den Goldauer Stefan Aschwanden präsentiert, währenddessen es die SVP mit dem Brunner André Rüegsegger versucht. Vor allem die Kandidatur Steimens sorgt für Aufsehen, denn seit dem Rücktritt der CVP-Regierungsrätin Margrit Weber-Röllin im Jahre 1996 blieb der Schwyzer Regierungsrat eine Männerbastion, auch wenn just dieser Kanton mit der mittlerweile 90-jährigen Elisabeth Blunschy-Steiner die erste Nationalratspräsidentin der Schweiz stellen konnte, notabene bevor innerhalb des Kantons das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Im 100-köpfigen Kantonsrat steht die SVP als stärkste Fraktion nach dem Sitzverlust bei den letztjährigen Nationalratswahlen unter Druck. In zahlreichen Gemeinden wurden von allen vier grossen Parteien vier volle oder zumindenst fast volle Listen präsentiert, in Altendorf treten fünf Parteien an, da hier die kantonsweit schon seit Jahrzehnten zur CVP fusionierten CSP und KK/KVP immer noch getrennt antreten. Zum ersten Mal beteiligt sich die BDP an den Schwyzer Kantonsratswahlen, wo sie in Lauerz mit Karl Bürgi antrat. Jedoch konnte sich in Lauerz der als Bauingenieur arbeitende FDP-Kandidat Peter Dettling gegen die von BDP, CVP und SVP aufgestellten Politaspiranten durchsetzen. Ebenfalls bereits bekannt ist, dass erstmals in der Geschichte ein Mitglied der Grünen in den Schwyzer Kantonsrat einziehen darf: Die auf der SP-Liste der Gemeinde Schwyz kandidierende Brigitta Michel Thenen aus Rickenbach schaffte die Wahl. Zudem wurde im Bezirk Schwyz über finanzielle Beiträge zu den geplanten Neubauten einer Standseilbahn auf den Stoos und einer Luftseilbahn von Rickenbach zur Rothenfluh. Beide Kredite wurden von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern angenommen.
Auch im Kanton Uri und in St. Gallen stehen Gesamterneuerungswahlen für Parlament und Regierung an, wobei im Kanton Uri nebst offiziellen Parteikandidaten der CVP und FDP auch Sprengkandidaten aus deren Reihen ihr Glück versuchen. In St. Gallen versuchen SP und FDP die Sitze zurücktretender Amtsträger gegenüber der SVP zu verteidigen, wobei diese auch um ihren bisherigen Sitz bangen muss, da der Vorsteher des Bildungsdepartements, Stefan Kölliker, da er lieber Geschäfte in Singapur abschliesst statt sich um sein Amt zu kümmern.
Im Kanton Waadt wiederum stehen für die sieben Kandidaten im Staatsrat, welcher das Pendant zum Regierungsrat darstellt, satte 21 Kandidaten zur Verfügung: Zwei von der FDP, einer von den Liberalen (die hier noch nicht mit der FDP fusioniert haben), drei von der SP, und je einer von den Grünen, CVP, EDU, GLP, BDP und SVP. Zusätzlich stellen das Parteisegment der äussersten Linken (ehemalige PdA/SoldaritéS) fünf Kandidaten auf, das rechtspopulistische Mouvement Cityoen Vaudoise schickte deren zwei und Vaude libre einen Kandidaten ins Rennen, während noch ein Parteiloser den Sprung in die Exekutive schaffen möchte.

Ergebnisse
Wiedereinführung der Buchpreisbindung
Ja-Stimmen: 966’572
Nein-Stimmen: 1’233’867
Stände Ja: 6
Stände Nein: 17

Sechs Wochen Ferien für alle
Ja-Stimmen: 771’891
Nein-Stimmen: 1’531’350
Stände Ja: 0
Stände Nein: 23

Zweitwohnungs-Initiative
Ja-Stimmen: 1’151’967
Nein-Stimmen: 1’123’516
Stände Ja: 13.5
Stände Nein: 9.5

Glücksspiel-Vorlage
Ja-Stimmen: 1’914’844
Nein-Stimmen: 285’008
Stände Ja: 23
Stände Nein: 0

Bauspar-Initiative
Ja-Stimmen: 979’938
Nein-Stimmen: 1’237’726
Stände Ja: 4.5
Stände Nein: 18.5

Ersatzwahlen Ständerat Kanton Fribourg (nach 165 von 165 ausgezählten Gemeinden):

  • Christian Levrat/SP: 45’012
  • Jacques Bourgeois/FDP: 32’658
  • Charles Pache/Piraten: 3268
  • Francis Fasel/Neue Welt: 2092
  • Regierungsräte Kanton Schwyz (nach 30 von 30 Gemeinden):

  • Walter Stählin/SVP 27’101
  • Othmar Reichmuth/CVP 24’496
  • Kaspar Michel/FDP 24’460
  • Kurt Zibung/CVP 23’756
  • Andreas Barraud/SVP 22’177
  • Petra Steimen-Rickenbacher/FDP 17’556
  • André Rüegsegger/SVP 17’523
  • Stefan Aschwanden/CVP 17’283
  • Patrick Schönbächler/SP 15’171
  • Alle Kandidaten haben zwar das absolute Mehr von 13’746 Stimmen erreicht, da die Regierung nur sieben Sitze hat, müssen Stefan Aschwanden und Patrick Schönbächler als Überzählige ausscheiden.

    Somit verliert die SP nach 68 Jahren und dem Rücktritt des amtierenden Landammanns Armin Hüppin ihren einzigen Sitz in der Schwyzer Regierung, die nun vollständig in mehr oder weniger populistisch-bürgerlicher Hand ist. Auf Kosten der SP zieht die SVP mit André Rüegsegger in die siebenköpfige Exekutive ein. Petra Steinmen-Rickenbacher, welche Mitglied der FDP ist, konnte den durch den Rücktritt Peter Reutelers freigewordenen Sitz ihrer Partei verteidigen und ist nach Margrit Weber-Röllin, die 1996 aus ihrem Amt geschieden ist, die erst zweite Frau, welche Einsitz im Regierungsrat des Kantons Schwyz nehmen darf. Der Angriff der CVP auf einen dritten Sitz ist hauchdünn gescheitert, Stefan Aschwanden fehlten gerade mal 240 Voten auf den gewählten André Rüegsegger. Das Scheitern der SP liegt vermutlich darin, dass sie einen für Laien nahezu unbekannten Kandidaten aufgestellt hat, der sich schon vor geraumer Zeit aus dem politischen Tagesgeschäft zurückgezogen hat. Hätte sie vielleicht eine Person postiert, die mehr im Gespräch gewesen wäre, wäre die Sitzverteidigung im Bereich des möglichen gewesen. Denn im Kantonsrat kann sie um einen Sitz zulegen, zudem würde die Fraktion bei einem Beitritt der Grünen Brigitta Michel Thenen gar auf 11 Personen anwachsen.

    Gewählte Regierungsräte Kanton Uri:

  • Josef Dittli/FDP 10’083
  • Heidi Z’graggen/CVP 7611
  • Beat Arnold/SVP 7606
  • Markus Züst/SP 7424
  • Beat Jörg/CVP 6335
  • Die beiden noch vakanten Sitze werden in einem zweiten Wahlgang vergeben, der für den 15. April terminiert ist.

    Gewählte Regierungsräte Kanton St. Gallen: (nach 85 von 85 Gemeinden)

  • Martin Gehrer/CVP 86’871
  • Willi Haag/FDP 86’674
  • Beni Würth/CVP 85’759
  • Heidi Hanselmann/SP 84’375
  • Martin Klöti/FDP 72’254
  • Stefan Kölliker/SVP 63’523
  • Für den siebten Sitz wird am 29. April ein zweiter Wahlgang abgehalten. Sowohl Fredy Fässler/SP, welcher im ersten Gang 58’923 Stimmen auf sich vereinen konnte, als auch Michael Götte/SVP, der 53’071 Voten verbuchen konnte, gaben an, im zweiten Wahlgang anzutreten.

    Gewählte Regierungsräte Kanton Thurgau:
    Monika Knill/SVP 36514
    Kaspar Schläpfer/FDP 36278
    Bernhard Koch/CVP 36258
    Jakob Stark/SVP 35314
    Claudius Graf-Schelling/SP 31253

    Gewählte Staatsräte Kanton Waadt:
    Im Kanton Waadt sind erst 314 der 326 Gemeinden ausgezählt, die Live-Resultate sind hier zu finden.
    Es sieht so aus, als dürfen die vier Bisherigen Pascal Broulis/FDP, Pierre-Yves Maillard/SP, Philippe Leuba/Liberale und Jacqueline de Quattro/FDP ihre Sitze behalten, die restlichen drei Stühle werden aller Voraussicht nach in einem zweiten Wahlgang zu besetzen sein.

    Sitzverteilung Kantonsrat Schwyz:
    SVP 35 (-6), CVP 29 (±0), FDP 23 (+2), SP 10 (+1), Grüne 1 (+1), Parteilose 2 (+2).

    Trotz des grossen Sitzverlustes bleibt die SVP stärkste Kraft im 100-köpfigen Schwyzer Kantonsrat und kann auch die 2004 erworbene Mitte-Rechts-Mehrheit mit der FDP beibehalten, jedoch erscheint der heute auf Kosten der SP erhaltene dritte Regierungsratssitz dem SVP-Lieblingswort Konkordanz getreu nicht gerechtfertigt. Für wenig mehr als ein Drittel der Sitze im Kantonsrat gibt es knapp die Hälfte der Regierungsratssitze.

    Sitzverteilung Landrat Uri:
    CVP 23 (-1), FDP 14 (+2), SP/Gewerkschaftsbund 11 (+1), SVP 14 (-4), fraktionslos 1 (+1)
    Dazu kommt noch ein Sitz von Andermatt, der erst im zweiten Wahlgang am 15.4. vergeben wird
    Sitzverteilung Kantonsrat St. Gallen:
    Sitzverteilung Grossrat Waadt:

    Die Ergebnisse werden hier veröffentlicht, sobald erste Hochrechnungen vorliegen und werden auch laufend aktualisiert. Wichtige Meldungen werden zudem auf meinem Twitter-Konto bekannt gegeben und sind somit auch in der rechten Spalte dieser Website ersichtlich.

    Links

  • Vorläufige Ergebnisse Regierungsratswahlen Kanton Schwyz
  • Vorläufige Ergebnisse Kantonsratswahlen Kanton Schwyz
  • Ergebnis Kantonsratswahlen Schwyz detailliert nach Gemeinde (PDF-Datei)