Als der portugiesische Schiedsrichter Pedro Proença gestern Abend gegen 23 Uhr im Kiewer Olympiastadion ein letztes Mal durch seine Trillerpfeife blies, war sie Geschichte: Die diesjährige Fussball-Europameisterschaft. Sie endete, wie sie begann: Mit Spanien als Europameister. Zum ersten Mal konnte ein Team seinen Titel verteidigen, im Final bezwangen die Iberer Italien mit 4:0. Doch auch abseits des Spielgeschehens gab es viel zu reden…
Fernando Torres als Torschützenkönig
Die Spanier mussten im Verlaufe des Turniers einiges an Kritik einstecken. Sie täten nicht mehr als nötig, das Tiqui-Taca-Kurzpassspiel sei langweilig und auch die Entscheidung Vicente del Bosques, bei einigem Spielen auf einen Stossstürmer à la Fernando Torres zu verzichten, sorgte für genügend Gesprächstoff, damit sich die Spanier von ihrer Banken- und Wirtschaftskrise ablenken zu können. Doch die Spanier straften alle Kritiker Lügen, mit einer überzeugenden Vorstellung fegten sie Italien im Finale gleich mit 4:0 vom Platz, auch wenn man den Verlierern zu Gute lassen muss, dass sie mit diversen verletzungsbedingten Ausfällen grosses Pech bekundeten. Die Spanier bleiben damit seit dem 16. Juni 2010 in einem Pflichtspiel ungeschlagen, damals unterlagen sie an der WM 2010 in Durban der Schweiz mit 0:1. Einen grossen Teil trägt sicherlich Coach Vicente del Bosque mit seiner ausgeglichenen Art bei, kein Wunder, gilt der am 23. Dezember 1950 in Salamanca Geborene nach den Skandalen am Hof rund um König Juan Carlos I. als neue moralische Instanz Spaniens.
Auf Seiten der Spanier wurde Ergänzungsspieler Fernando Torres zum offiziellen Torschützenkönig der UEFA EURO 2012 gekürt. Zwar erzielten nebst ihm auch Mario Mandzukic (CRO), Mario Gomez (GER), Mario Balotelli (ITA), Cristiano Ronaldo (POR) und Alan Dsagojew (RUS) drei Tore, doch Torres benötigte für seine Treffer am wenigsten Einsatzminuten.
Ein schöner Lohn für Torres, wenn man bedenkt, dass er Juan Mata das Tor zum 4:0 ermöglichte. Für Mata mag es womöglich ein wenig erniedrigend vorgekommen zu sein, trotz seiner herausragenden Rolle bei Chelsea nur im Final, als der Sieg schon feststand, eingesetzt worden zu sein, was er gleich mit einem Tor konterte.
Nebst den Titelträgern und dem Torschützenkönig stellt Spanien auch den besten Spieler der EURO 2012, die UEFA zeichnete Barcelona-Mittelfeldakteur Andrés Iniesta mit diesem Attribut aus. Vier Jahre zuvor hatte sein Team- und Nationalmannschaftskollege Xavi Hernandez i Creus die Auszeichnung erlangt.
Nebst Iniesta fanden auch neun weitere Spanier den Weg ins 23-köpfige Allstar-Team, Co-Finalist Italien stellt wie Deutschland je vier, Portugal deren drei und England und Schweden mit je einem Vertreter. Nicht berücksichtigt wurden unter anderem Fernando Torres, Antonio Cassano, João Moutinho, Mario Gómez, Alan Dsagajew oder Nani.
Tops und Flops des Turniers
Viel zu reden gab es bereits in den Gruppenspielen. In der Gruppe A schied Russland trotz einer Galavorstellung gegen Tschechien zugunsten von eben diesen Tschechen, welche mit einem negativen Torverhältnis Gruppensieger wurden und auch den Griechen aus. Auch für die beiden Gastgeber endete das Turnier enttäuschend, sowohl Polen (ohne Sieg), als auch die Ukraine (zwei Niederlagen) schieden schon in der Gruppenphase aus. In der Gruppe B enttäuschten die Niederlande auf der gesamten Linie, sie fuhren ohne Punkte wieder nach Hause. Als positive Überraschung kann die portugiesische Equipe bezeichnet werden. Paulo Bento schaffte es, aus einer Truppe Individualisten eine Mannschaft zu formen, die insbesondere gegen Dänemark bewiesen hat, dass sie auch ohne eine gewisse Nummer Sieben stark aufspielen kann, auch wenn das der Blätterwald kaum wahrnimmt. Trotz schlechten Resultaten in der Vorbereitung und der Startspielniederlage gegen Deutschland konnten sich die Lusitaner von Spiel zu Spiel steigern und waren im Halbfinale nahe dran, Spanien aus dem Turnier zu kegeln.
Auch Italien kann trotz der deutlichen Niederlage im Finale als positive Überraschung bezeichnet werden, kaum jemand hatte das Team von Cesare Prandelli auf dem Radar, alleine der Manipulationsskandal sorgte für genügend Misstöne neben dem Platz. Auch die englische Equipe geniesst wieder das Vertrauen des eigenen Volkes, vor allem Jungspunde wie Danny Welbeck, Theo Walcott, Andy Carroll oder Alex Oxlade-Chamberlain sorgten für Furore; die Euphorie wurde jedoch im Viertelfinale gegen Italien abrupt beendet.
Absolut unnötig war das Verhalten gewisser Fans. Man muss kein Fan Mario Balotellis sein, aber eine Banane nach dem dunkelhäutigen Spieler zu werfen ist absolut niveaulos. Die UEFA war ja auch so gnädig, Fernsehaufnahmen, welche ihrem Image Schaden zuführen könnte, zu zensurieren oder zu manipulieren…
Und dies alles, obwohl Respekt in einer gross angelegten Kampagne als oberstes Credo verordnet wurde.
Diskussionen neben dem Platz
Nebst den politischen Vorgängen in der Ukraine gab es auch Belangloses neben dem Platz zu bereden. Sehr begehrt waren Diskussionen über die Haarpracht der Spieler. Während Cristiano Ronaldo seine Frisur gleich zwei Mal in der Halbzeitpause wechselte und damit insbesondere im Startspiel gegen Deutschland einen halben Weltkrieg vom ZAun riss, zähmte Italien-Keeper Gianluigi Buffon seine Mähne mit Haarspangen, die vermutlich von seiner Frau vermisst wurden. Doch der Frisurpapst schlechthin fehlte am Turnier: Carles Puyol musste verletzungsbedingt forfait geben, liess es sich aber nicht nehmen, gemeinsam mit seinem verletzten Team- und Nationalmannschaftskollegen David Villa seine Spanier beim Finale zu unterstützen.
Auch das Schweizer Fernsehen versuchte, mehrere Rekorde zu brechen. Der für seine modischen Fehlgriffe berüchtigte Rainer Maria Salzgeber wähnte sich wohl bereits in der Fasnachtszeit, denn er versuchte beständig, möglichst viele Farben in seiner Kleidung unterzubringen. Des Weiteren darf man sich in Leutschenbach nun rühmen, sich ununterbrochen Blödsinn quasselnde Kommentatoren sein Eigen zu nennen, Bernard Thurnheer stellt dabei nur die Spitze des Eisbergs dar.