Wieder einmal ist es passiert. Es war Derby-Time in Zürich. Friede, Freude, Eierkuchen? Denkste! Das Spiel der Axpo Super League musste wegen Ausschreitungen und Tumulten abgebrochen werden. Kann denn in Zukunft kein so genanntes Risikospiel mehr anständig durchgeführt werden, weil bei ein paar “Fans” die Sicherungen durchgebrannt sind?
Bickel und Leutwiler blasen ins gleiche Horn
Man schrieb die 77. Minute, Frank Feltscher hatte GC beim 226. Zürcher Derby per Penalty drei Minuten zuvor mit 2:1 in Führung gebracht, nachdem der FCZ in der 42. Minute die erstmalige Führung der Grashoppers egalisieren konnte, als im GC-Block verschmierte FCZ-Fahnen hochgehalten und angezündet wurden, woraufhin 50 vermummte FCZ-Fans aus der Südkurve ausbrachen und sich via Tartanbahn Zugang zur GC-Seite verschafften. Deren Fans brachen dann ebenfalls durch die Abschrankungen. Offenbar flogen auch brennende Petarden hin- und her, Panik brach aus. Als Folge liess Referee Sascha Kever die Partie für fünf Minuten unterbrechen, ehe er sich nach Rücksprache mit Urs Fischer und Ciriaco Sforza, den beiden Trainer, zum Abbruch entschied, als keine Besserung in Sicht schien. Sowohl FCZ-Sportchef Freddy Bickel als auch GC-Präsident Roland Leutwiler konnten den Spielabbruch nachvollziehen, denn für die Zuschauer bestand keine Sicherheitsgarantie mehr. Es sei eine Schande für die Stadt, beide Clubs und den Schweizer Fussball, hiess es. Leutwiler kritisierte aber auch den schnellen Abbruch, den eigenen Angaben nach wollten er und sein FCZ-Pendant Ancillo Canepa per Megafon die Fans beruhigen und zur Vernunft auffordern, kamen aber aufgrund Kevers raschem Handeln nicht dazu.
Tagesschau vom 02.10.2011
Beitrag der Tagesschau vom 2. Oktober 2011
Schon tags zuvor kam es im Zuge der Challenge League-Partie zwischen dem FC Wil und dem FC Aarau zu Scharmützeln in einem Wiler Restaurant, bei dem zwei Personen verletzt wurden.
Jetzt macht mal endlich!
Im Eishockey hat letzten Donnerstag das Zuger Kantonsparlament den EV Zug zu einer Übernahme von 60 Prozent der Sicherheitskosten verdonnert, woraufhin der Club mit einem massiven Verlust für die aktuelle Saison rechnen muss, trotz Leaderposition und aktuellem Höhenflug. Das kann nicht sein, dass ein Verein, dessen Fans nicht gerade fürs Krawallmachen bekannt sind, so viel zahlen muss, während im Fussball der Ball wortwörtlich zwischen den verschiedenen Parteien hin- und hergeschoben wird, aber niemand Geld locker machen will, obwohl die Situation weit besorgniserregender ist als im Eishockey. Die SBB ist mit den Beschädigungen in Fanzügen und an Bahnhöfen unzufrieden und will die Clubs und die Liga zur Kasse bitten, während so genannte Fans ihrer Zerstörungswut freien Lauf lassen. Das hat doch mit Sport nichts mehr zu tun! Verlierer ist der Schweizer Fussball, denn das Theater ist schon europaweit bekannt. Aber die Liga und insbesondere der Schweizer Fussballverband (SFV) wollen keine Verantwortung übernehmen. Im Frühling kam es beim Wiener Derby zum Platzsturm von Rapid-Fans, woraufhin die Partie abgebrochen und das Spiel forfait für die Austria gewertet wurde. Rapid akzeptierte die Niederlage am grünen Tisch und setzte sofort Stadionsperren für die Platzstürmer aus.
Aber hierzulande will natürlich niemand die Schuld eingestehen, und die Konsequenzen tragen. Klar werden die Fotos von Hooligans ins Internet gestellt, aber das scheint andere doch nicht davon abzuhalten, damit weiterzumachen. Es ist ja nicht so, dass Ausschreitungen in der Schweiz Neuland sind. Vor allem die Begegnung FC Zürich – FC Basel hat in der Vergangenheit mehr neben dem Platz für Aufsehen gesorgt, als auf dem Spielfeld. 2009 eskalierte die Situation beispielsweise auf dem Bahnhof Altstetten, ein vorbeifahrender ICE wurde zu einem Nothalt gezwungen, nachdem Krawallbrüder bei dessen Durchfahrt ausrasteten:
Unvergessen auch die Ausschreitungen nach dem dramatischen Finale im Jahre 2006, als Basel und Zürich in der Finalissima am letzten Spieltag am 13. Mai im Basler St. Jakob-Park aufeinandertrafen. Basel reichte ein Unentschieden, Zürichs Filipescu erzielte in der 93. Minute das 2:1 für die Zürcher, der FCZ war Meister und das Chaos war perfekt. Nachdem bereits während des Spiels Petarden auf das Spielfeld geworfen wurden, brachen nach dem Schlusspfiff alle Dämme und der Schweizer Fussball war um ein dunkles Kapitel reicher. In einem späteren Verfahren wurden 26 Basler Hooligans wegen der Beteiligung an den Ausschreitungen verurteilt.
Dieselbe Geschichte übrigens im Mai dieses Jahres, als im Letzigrund Basler Fans mit den Sicherheitskräften aneinandergerieten:
Und auch bei den Reisen zu den Auswärtsspielen wird nicht gerade zimperlich umgegangen. Im Frühling griffen YB-Fans einen BLS-Extrazug des FC Thun an, auch die SBB kämpft vermehrt mit Materialschäden in den Zügen, sie wollen deshalb eine Beteiligung der Clubs an den Kosten. Kosten, die von den Vereinen nicht selbst beglichen werden, sondern womöglich auf die Fans abgewälzt werden. Damals drohte die Polizei mit dem Abbruch von Spielen, heute ist es Tatsache geworden. Auf der Fahrt an den diesjährigen Cupfinal in Basel warfen Sion-Fans bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Neuchâtel alles auf den Bahnsteig, was nicht niet- und nagelfest war:
Wie wäre es mal mit Geisterspielen oder Platzsperren, liebe Swiss Football League? Aber nein, ihr gebt ja lieber gesperrten Spielern ihre Spielbewilligung und sorgt damit, dass die Schweiz im UEFA-Ranking Punkte am grünen Tisch verliert. Man kann ja lange über die junge Generation in Ottmar Hitzfelds Nationalteam schwärmen oder dem FC Basel einen Heldenstatus à la Wilhelm Tell auferlegen, nur weil er mal ein 3:3 im Old Trafford geschafft hat, aber wenn die Situation in der eigenen Liga nicht unter Kontrolle hat, dann nützen alle Erfolge nichts. Denn zum Fussball gehören nicht nur Siege, Tore und Punkte, sondern auch die Fairness auf und neben dem Platz. Und ein Spielabbruch ist nicht gerade fördernd, deshalb sind Konsequenzen unumgänglich. Egal ob der FCZ wegen dem Platzsturm schuld war, oder ob dem eine Provokation von Seiten der Grashoppers vorangegangen ist, die Verantwortlichen sollten bestraft werden, und auch die Vereine selbst müssen halt ein Exempel statuieren und sich nicht immer vor die eigenen Anhänger stellen. Denn die Unruhestifter sind keineswegs solche, die ins Stadion gehen, um das Spiel zu sehen.
Beliebt bei Fans sind Pyros, doch von denen würde keine Gefahr ausgehen, wären die Leute anständig, die sie benutzen. Beweise, dass es geht, gibts haufenweise. Also ist ein Pyro-Verbot absolut unzulässig, man sollte eher mehr gegen den Hooliganismus tun. Dafür sind nicht nur die Vereine, sondern auch die Städte der Spielorte verantwortlich. Will die SBB keine beschädigten Züge und Kosten in Millionenhöhe, dann muss sie halt auch keine Transporte anbieten. Doch die Fans wollen zu den Auswärtsspielen, und das funktioniert per Zug am besten, also müssen die Vereine halt auch bei der Sicherheit in den Zügen einen Beitrag leisten, denn die SBB soll nicht alles allein berappen. Und Extrazüge sind unumgänglich, denn würden Chaoten reguläre Züge benutzen, wären die Folgen noch verheerender.
Strafmass noch unklar
Das Strafmass für den Abbruch ist noch unklar. Die Spannweite ist breit. Beide Fans könnten forfait verlieren, der FC Zürich, wenn erwiesen ist, dass dessen Anhänger die Alleinverantwortlichen für den Abbruch ist, GC, wenn deren Fans ebenfalls eine Mitschuld trifft. Pikant: Obwohl der Letzigrund beiden Vereinen als Spielstätte dient, hatte GC offiziell Heimrecht und war so für die Sicherheit zuständig. Ebenfalls möglich ist ein Nachspielen der verbliebenen 13 Minuten oder ein Wiederholungsspiel. Wenn möglich, sogar unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder auf neutralem Grund. Des Weiteren sollten auch Bussen oder Geisterspiele in Betracht gezogen werden, ansonsten bekäme man das Problem kaum in den Griff. Auch die Vereine sollen ihren Anhängern gegenüber selbst die Initiative ergreifen und mit ein bisschen mehr Macht in Erscheinung treten. Auch die Stadt Zürich soll sich in dieser Angelegenheit mal an der Nase nehmen und auf den Putz hauen, denn in den vergangenen Wochen haben Krawallen die Stadt heimgesucht.
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