Der österreichisch-schweizerische Handelskonzern Lyoness spaltet die Gemüter. Für die einen ist es eine Einkaufsgemeinschaft, für andere eine Form des Schneeballsystems. Insbesondere die Funktion des Freundschaftsbonus und des Strukturvertriebs sorgt für Unbehagen. Trotz diversen Urteilen geht Lyoness rigoros gegen Kritiker vor, während Konsumentenschützer Alarm schlagen. Droht ein neuer European Kings Club? Dieser Artikel zeigt, inwiefern sich Lyoness in einer juristischen Grauzone bewegt.
Die Verlockungen von Lyoness
Lyoness mit Sitz in Buchs/SG und Graz/AUT wirbt mit der Cashback-Karte, die besagt, dass der Karteninhaber beim Einkauf bei einem Lyoness-Partnergeschäft einen gewissen kleinen Prozentsatz auf sein Konto wieder zugesprochen bekommt. Die Geschäfte haben hier den Vorteil von Kundenbindung, der Kunde wird durch anscheinende Rabatte gelockt. Klingt verlockend? Nun – diverse Konsumentenschutzorganisationen haben nur zwei Worte für Lyoness übrig: Hände weg!.
Denn es gilt: Je höher man in der Hierarchie steht, desto höher der Ertrag. Die Unternehmensgründer und die früh in das Geschäft eingestiegenen Partner können tatsächlich einen Gewinn anhäufen, während die kleineren, in der untersten Stufe stehenden Mitglieder einen Verlust einfahren werden. Ebenfalls finanzielle Einbussen erleiden können die Unternehmen: Denn ein Teil des von einem Lyoness-Mitglieds bei einem Einkauf verdienten Geldes geht an die Einkaufsgemeinschaft, ob die Kundenbindung diesen Verlust kompensiert, darf angezweifelt werden.
Die Crux mit dem Freundschaftsbonus
Diverse Staatsanwaltschaften in der Schweiz und in Österreich haben Kenntnisse über Klagen gegen die Vertriebssparte des Lyoness-Konzerns, woraufhin dieser den umstrittenen Vertrieb in ein eigenständiges Unternehmen auslagerte, das nicht mehr in Besitz des Lyoness-Konzerns ist, sondern dessen Gesellschafter.
Die Sachlage sieht folgendermassen aus: Für jeden von ihm angeworbenen Neukunden erhält das Lyoness-Mitglied Geld auf das persönliche Konto überwiesen. Selbst bei indirekt angeworbenen Mitgliedern wird das Mitglied vergütet: Beispiel: Mitglied A wirbt Kunde B für Lyoness an, dieser wiederum Kunde C. Für die Anwerbung von Kunde C erhält nicht nur Kunde B finanzielle Vergütung, sondern auch Kunde A. Die Registrierungskosten für Neumitglieder sind kostenlos, sie werden von den anwerbenden Mitgliedern getragen.
Auch hier gilt der Grundsatz: Je höher man in der Hierarchiestufe steht, desto höher der Ertrag. Für die Mitglieder gibt es jedoch noch die Möglichkeit, sich zu Einkaufsgemeinschaften zusammenzuschliessen, um den Ertrag zu steigern, weil für den normalen Bürger kaum Gewinn resultiert, da meist nur kleine lokale Läden die Lyoness-Cashback-Karte akzeptieren: Ab einem bestimmten Umsatz werden 675 Schweizer Franken ausbezahlt – für diese Barriere wären Einkäufe von 175’000 Schweizer Franken notwendig. Beispiel: Eine Pizzeria ist ein Partnergeschäft von Lyoness und gewährt den Cashback Card-Inhaber einen Rabatt von 1%: Der Karteninhaber bestellt sich ein Menü im Wert von 40 Schweizer Franken, der auf sein persönliches Konto zugesprochene Betrag beträgt somit ganze 40 Rappen.
Möchte das Mitglied den Ertrag jedoch steigern, ist eine Anzahlung von 3000 Schweizer Franken fällig, das so genannte Lyoness-Business-Paket. Genau diese notwendige Anzahlung ist ein Indiz dafür, dass die Geschäftspraktiken ein Schneeballsystem darstellen. Jedoch bewegt sich Lyoness in der rechtlich grauen Zone: Kein Kunde wird zu dieser Anzahlung direkt gezwungen – also ist eine juristische Verfolgung dieser Geschäftspraktik nicht möglich, da offiziell nichts davon illegal ist – doch will er jedoch höhere Rendite erzielen, muss er faktisch das Lyoness-Business-Paket erwerben. Beworben wird dieser Kostenaufwand als Anzahlung für künftige Einkäufe. Wer aus Lyoness aussteigen will, ohne dafür die investierten 3000 Schweizer Franken abschreiben zu müssen, muss Gutscheine im Wert eines Vielfachen dieser 3000 Franken erwerben.
Freilich ist nicht alles, was juristisch legal ist, auch gut für den Konsumenten.
Dazu kommt, dass die Lyoness-Kunden mit dem Ziel, möglichst viele Neukunden anzuwerben, zu missionarischen Mitteln greifen: Merchandising-Artikel müssen auf eigene Rechnung angeschafft werden.
Viele auf der Lyoness-Website als Partner aufgelistete Geschäfte wussten übrigens gar nichts von einer solchen Zusammenarbeit – Lyoness kaufte demnach Unmengen an Gutscheinen bei diesen Unternehmen ein und bezeichnete sie daraufhin als Partner.
Lyoness will “Altlasten” bereinigen
Lyoness gibt im November 2013 zu, die Sachlage mit den Business-Paketen nicht genau kommuniziert zu haben und plant, entsprechende Summen an Nutzer zurückzuzahlen, die nicht gewusst haben, dass sie nach dem Erwerb eines solchen Business-Pakets faktisch Unternehmer sind und als solche Kunden anwerben müssen, um die investierten Anschaffungskosten wieder einspielen zu können. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich Lyoness mit diesen Massnahmen Schutz vor juristischen Konsequenzen suchen möchte.
Diverse Gerichtsverhandlungen in der Schweiz und in Österreich
Die Staatsanwaltschaften in St. Gallen, Klagenfurt und Graz beschäftigen sich mit diversen an die Adresse von Lyoness gerichteten Klagen unter anderem wegen Urkundenfälschung und Betreibung eines Schneeballsystems. Zahlreiche ehemalige Lyoness-Mitglieder wollen via Rechtsweg ihr in den Apparat gestecktes Geld zurückerlangen.
Lyoness macht dabei auch von Gegenklagen nicht halt, so bezichtigt sie den Wiener Rechtsanwalt Eric Breitender, der 220 österreichische Lyoness-Geschädigte vertritt, seine Mandaten zu Falschaussagen vor Gericht gegen die Einkaufsgemeinschaft gedrängt zu haben, was Lyoness gleichzeitig aber den Vorwurf der Bespitzelung Breitenders und seinen Mandanten einbringt.
Rigoroses Vorgehen gegen Kritiker
Als sich Lyoness mit Klagen konfrontiert sah, ging das Unternehmen in die Gegenoffensive: In Österreich wurde der Wiener Professor Peter Lewisch mit einem vom Unternehmen in Auftrag gegebenem Gutachten beauftragt, in dem Lewisch besagt, dass Lyoness keinen Hinweis auf ein Pyramidenspiel – dem österreichischen Pendant zum Schneeballsystem – birge.
Hingegen erhielt laut Beobachter in der Schweiz ein Kritiker aus dem Kanton Zürich Betreibungen in der Höhe von einer Million Schweizer Franken, nachdem er Partnerfirmen auf die undurchsichtigen Geschäftspraktiken Lyoness’ aufmerksam gemacht habe.
Lyoness-Befürworter verlieren sich meistens in ihren Argumentationen, weil das Prozedere für den Laien nicht verständlich erklärt werden kann, da es von Fantasiebegriffen wie binäre Matrix geprägt ist. Besorgniserregend ist vor allem deren Überzeugung und das nihilistische Verhalten gegenüber Kritikern.
Ein guter Augenschein bietet auch der Pressespiegel des Unternehmens: Kritische Berichte von der österreichischen Tageszeitung Der Standard oder den Schweizer Konsumentenmagazinen Beobachter, Ktipp und Saldo erscheinen nicht, dafür werden ausschliesslich lokale Meldungen von Sportanlässen, die Lyoness unterstützt hat, publiziert. Die Einkaufsgemeinschaft ist beispielsweise Titelsponsor des Golfturniers Austrian Open.
Lyoness – Die Geldmaschine aus Report des Österreichischen Rundfunks (ORF) vom 13. November 2012 (Quelle: Vimeo)
“Einkaufsgemeinschaft” Lyoness aus Report des Österreichischen Rundfunks (ORF) vom 27. November 2012 (Quelle: Vimeo)
Der Mann hinter Lyoness aus Report des Österreichischen Rundfunks (ORF) vom 24. April 2013 (Quelle: Vimeo)
Das Desaster mit dem European Kings Club
Bei den Geschäftspraktiken von Lyoness wird manch einer an den European Kings Club aus Stansstad/NW und dem hessischen Gelnhausen/GER erinnert, der anfangs der 1990er-Jahre 80’000 Anleger um insgesamt 1.6 Milliarden Schweizer Franken prellte, weil er den Teilnehmern den Kauf von so genannten Lettern zum Stückpreis von über 1400 Schweizer Franken anregte, indem er ihnen eine Ausschüttung von 12 Monatsraten à 200 Schweizer Franken und eine astronomische Rendite von 75 Prozent versprach. Zusätzlich trug der Kings Club sektenähnliche Züge und vertrat eine Ideologie, nach der die Banken, die Europäische Gemeinschaft (EG) und die Freimaurer den kleinen Mann ausbeuten würden.
SF DOK-Dokumentation Habgier und die bösen Folgen über den European Kings Club (Teil 1) (Quelle YouTube)
SF DOK-Dokumentation Habgier und die bösen Folgen über den European Kings Club (Teil 2) (Quelle YouTube)
SF DOK-Dokumentation Habgier und die bösen Folgen über den European Kings Club (Teil 3) (Quelle YouTube)
SF DOK-Dokumentation Habgier und die bösen Folgen über den European Kings Club (Teil 4) (Quelle YouTube)
Hinweis: Rechtliche Absicherung des Autors
Der Autor dieses Artikels bezieht alle Rechercheunterlagen dieses Artikels entweder von der Lyoness-Webseite, als auch von anderen angesehenen Medien in der Schweiz und Österreich, es sind also alle Textbausteine bereits publizierter Fakten. Er versuchte eine neutrale Erörterung der beiden unterschiedlichen Meinungen zu Lyoness aufzulisten, verzichtete auf die Publikation der eigenen Meinung und kann deshalb nicht für Schlechtreden des Unternehmens haftbar gemacht werden, juristische Vorgehensweisen gegen seine Person entbehren jeglicher Grundlage und werden deshalb für nichtig erklärt. Zudem beruft sich der Autor auf die freie Presse- und Meinungsäusserung nach Schweizer Recht.
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Siehe auch
Links und Quellen
Lyoness
European Kings Club