Site icon caboruivo.ch

Öl- und Gasbohrungen in der Arktis: Meine Damen und Herren, es reicht!

Der sich in staatlicher Mehrheit befindende aber an der Börse kotierte russische Ölkonzern Rosneft hat im Beisein des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin einen Deal über 3,2 Milliarden US-Dollar mit seinem US-Konkurrenten ExxonMobil zur gemeinsamen Erschliessung von Ölvorkommen in der Arktis abgeschlossen. Das Vorkommen ist nördlich von Sibirien auf russischen Territorium in der Karasee im Mündungsgebiet von Ob und Jenissei. Mal wieder fällt eine bisher fast unberührte Landschaft dem Kampf um Rohstoffe zum Opfer. Greenpeace hat den Öl- und Gasbohrungen in der Arktis den Kampf angesagt.

Ein Ausstieg ist wahrlich besser

Don’t foul the arctic: Greenpeace-Protest gegen Öl- und Gasbohrungen in der Arktis im St. Jakob-Park in Basel im Oktober 2013 (Copyright Bild: Greenpeace)

Man muss nicht ein Ultra-Grüner sein. der sich an Bäume kettet, aber zu diesen Aktionen jeweils mit dem Offroader vorfährt. Dennoch ist es durchaus erlaubt, der Auffassung zu sein, dass mit dem Bohren nach Öl endlich Schluss sein soll. Der Rohstoff ist endlich, die Vorkommen reichen noch für einen Zeitraum zwischen 50 und 100 Jahren. Und Öl braucht der Mensch nicht zur Gewinnung von Benzin, damit er Auto fahren kann, nein, auch unser halber Haushalt besteht aus einem Teil aus Ölprodukten. Diese Teile würden am meisten unter einem Ende des Ölvorkommens leiden, nebst eingefleischten Autofahrern natürlich. Aber auch die können zu anderen Mitteln greifen, beispielsweise die Bahn, die halt vom Staat noch mehr subventioniert werden soll. Und da muss man halt aufhören, wegen Preisaufschlägen zu heulen. Dasselbe sieht man ja auch im Autobereich, aber da rennen halt alle zu der Tankstelle mit dem billigsten Benzin. Da die SBB im Gegensatz zu manchen europäischen Staaten keine Konkurrenz hat, und das ist beileibe auch besser so, muss man halt in den sauren Apfel beissen.

Die Natur ist bedroht

Wer kann sich noch an die sehr amüsante Szene in Armageddon erinnern, wo Bruce Willis alias Ölmogul Harry S. Stamper mit Goldbällen auf Greenpeace-Aktivisten schiesst, die ironischerweise in einem Dieselboot sitzen? Auch eer kein Fan dieser Gummibötlern ist, da 99 Prozent der Spendengeldern in die Infrastruktur und in die Löhne der Mitarbeiter – schon mal was von ehrenamtlich gehört? – fliesst, muss man ihnen recht geben. Die Natur leidet unter den Bohrungen. Komischerweise hat die Ölpest im Golf von Mexiko für Aufsehen in aller Welt gesorgt, doch dass das jeden Tag passiert, hat niemand interessiert. Gerade letzte Woche ist bei einer Shell-Plattform in der Nordsee ein Leck aufgetreten. Wen hat’s interessiert? Niemand. Warum? Hat man etwa Angst vor den Ölmultis? Der Betreiber der am 20. April 2010 im Golf von Mexiko explodierten Ölplattform, Transocean mit Sitz in Steinhausen/ZG, wurde knapp sechs Wochen nach dem Unglück in den Schweizer Leitindex SMI aufgenommen.

Die Pipelines vor allem auf dem afrikanischen Kontinent sind in einem desaströsen Zustand. Lecks sind keine Seltenheit. Das Öl sprudelt ungehindert durch den Stahl und versickert im Boden, natürlicher Boden wird verschmutzt und geht verloren. Aber warum wird nichts gemacht? Das kann manch Umweltschützer einfach nicht verstehen. Zu allem Übel zapfen ja noch die Bewohner der Umgebung das Öl von der Pipeline ab, was ja nicht selten in einer Explosion und etlichen Leichen endet.
Kaum auszudenken, was geschehen würde, wenn eine solche Bohrvorrichtung in der Arktis explodieren oder zumindest Leck schlagen würde. Durch die sehr dünne Besiedlung der Nordpolarregion durch den Menschen ist die Fauna (Flora ist bei diesen Temperaturen kaum zu erwarten) noch fast unberührt.

Doch nicht nur die Plattformen bringen Unglück

Doch es sind nicht nur die Plattformen, die das Unglück bringen: Die Liste der Tankerunglücke ist lang. Auch Exxon hatte 1989 mit seiner Valdez Schiffbruch erlitten und schwups, waren 2000 Kilometer der Küste Alaskas verschmutzt. Das Schiff wurde inzwischen repariert und zum Erzfrachter umfunktioniert worden, seit 2007 zieht es unter dem Namen Dong Fang Ocean seine Kreise durch die Weltmeere, zudem kollidierte es im November 2010 mit dem maltesischen Frachtschiff Aali in der südchinesischen See. Aufgrund schwerer Beschädigungen liegt es seitdem in Dalian/CHN an Land. Bei der Ölkatastrophe 1989, bei der 37’000 der 163’000 Tonnen Rohöl an Bord – das Schiff hatte ein Fassungsvermögen von 210’000 Tonnen – ausliefen, starben hunderttausende Fische, Vögel und andere Tiere, zudem vergiften sich die anderen schrittweise bei der Nahrungsaufnahme, da sich die Region bis heute nicht von der Havarie erholt hat. Der Grund für diese ist nicht weniger fragwürdig: Der Kapitän war betrunken und der für die Brücke verantwortliche Dritte Offizier war übermüdet, letzterer versäumte es zudem, nach einer Abweichung der geplanten Route wieder auf die ursprüngliche zurückzukehren, so dass der Tanker in der Nacht auf einem Riff im südlichen Alaska auflief. Das Schiff selbst hatte Mängel, es war nicht mit einer Doppelhülle ausgestattet, welche das Auslaufen vermutlich verhindert hätte. Zudem waren die Behörden mit der Situation überfordert, was die ganze Situation noch verschlimmerte.

1999 zerbrach in der Bretagne der Tanker Erika in zwei Teile, während 2002 vor Galizien die Prestige im Atlantik während eines Sturms havarierte. Das Schiff schlug Leck, Wasser drang ein, und sechs Tage nach dem Unfall zerbrach und sank das Schiff. 64’000 Tonnen Rohöl drangen aus. 250’000 Seevögel starben bei der Ölpest, knapp 3000 Kilometer der französischen und spanischen Küste wurden verschmutzt.

ExxonMobil soll die Klimapolitik behindern

Was an dem Deal noch weiter stört, sind die Beteiligten. ExxonMobil sieht sich mit zahlreichen Kritikpunkten konfrontiert. Die deutschsprachige Wikipedia hat solche an der Firma aufgezählt, die einem den Magen umdrehen lassen. So soll der Ölkonzern den internationalen Klimaschutz behindern und zudem seine Macht für Menschenrechtsverletzungen missbrauchen, Bürgerkriege und den Waffenhandel finanzieren. Zudem soll die Firma Skeptiker des Klimawandels sponsern und Institute, die sich gegen den UNO-Klimabericht wehren, unterstützen. Eines der solchen hat sogar 10’000 Dollar Belohnung ausgeschrieben, wenn man Thesen des Klimaberichts widerlegen kann. Und dies nur im Interesse des eigenen Geschäfts – die Ölbranche befürchtet den Verlust ihrer Gewinne, Gewinne, die sie meist dank dem hohen Ölpreis eingestrichen haben. Laut der Zeit sprudelt seit 20 Jahren aus einem Bohrloch in der Nordsee Methan, das um ein Vielfaches klimaschädigender ist als Ozon. Exxon stiess bei einer Ölbohrung auf dieses Gas. 1998 wurde die Untersuchung von Exxon und der britischen Regierung eingestellt, es sei nicht gefährlich, hiess es. Ist ja auch teilweise wahr: Im Wasser ist es ungefährlich, es dient gar Muscheln als Nahrung. Doch die Wirkung über der Wasseroberfläche ist erschreckend, und trotzdem forderte die britische Regierung ExxonMobil niemals auf, das Leck zu schliessen. Und es ist nicht mal der Gipfel: Seit 39 Jahren tritt aus einem falsch gesetzten Bohrloch in der Wüste Turkmenistans Methan aus, die UdSSR zündete es an, damit statt Methan CO2 in die Atmosphäre gelangt. Der Flammenkrater trägt den Namen Das Tor zur Hölle.

Auch wenn die Exxon-Gerüchte nicht der Wahrheit entsprechen sollten, es ist überhaupt kein gutes Image.

Es gäbe doch Alternativen

Wieso sind Hybrid-Autos nicht Standard? Sie besitzen zwar noch einen Vebrennungsmotor, benötigen aber wesentlich weniger Benzin oder Diesel für den Betrieb. Weiters sind zur Zeit weitere Antriebskräfte in der Forschung, weit ausgereift und auch auf dem Markt vertreten sind die Elektroautos, die Reichweite kann sich mittlerweile sehen lassen. Treibstoff sparen liesse sich auch mit der Mehrbenützung von Bus und Bahn, wobei die heutige Nutzung der öffentlichen Verkehrsmitteln bereits heute positiv ist. Doch trotzdem wird immer über die steigenden Preise gemeckert und viele Auto-Aktivisten regen sich über die ihrer Meinung nach überteuerten Investitionen vor allem im Bahnbereich (NEAT, NBS, neue Fahrzeuggeneration) auf. Doch überlegt mal, liebe Autoverfechter, was wäre los, wenn jeder, der in einem Bus oder einem Zug sitzt, auch mit dem Auto unterwegs wäre? Dazu kommt eine weitere Frage meinerseits: Ist es das Auto wirklich wert, tagtäglich im Stau zu stehen? Für viele wäre das zu stressig. Klar, wenn man keine andere Alternative hat, dann ist es okay, mit dem Auto zur Arbeit zu gehen. Aber das gilt sicher nicht als Ausrede für solche, die in der Innenstadt Zürichs oder anderen Städten ihren Pflichten nachgehen.

Dazu kommt noch, dass der sonntägliche Weg zum Bäcker doch auch zu Fuss zu absolvieren wäre. Vor allem, wenn man mit Schusters Rappen fast schneller ist. Wer weiterhin unschlüssig ist, hat Hilfsmittel zur Verfügung, die dem Nutzer helfen, sich für das richtige Verkehrsmittel zu entscheiden.

Schlacht in der Nordsee (Update)

Im Jahr 2013 bohrt der staatliche russische Ölkonzern Gazprom in der Arktis nach Gasvorkommen. Auch die anderen Anrainerstaaten haben Lunte gerochen und ihr Rüstungskontingent verstärkt. Zudem konnte 2013 zum ersten Mal ein Frachter die Nordwestpassage eisfrei durchqueren, was einer Abkürzung gegenüber dem Panamakanal/Suezkanal/Magellanstrasse für den Verkehr Amerika/Europa-Asien mit sich bringt.
Greenpeace versuchte als Protest gegen Gazprom eine Bohrplattform zu entern, woraufhin die Aktivisten Bekanntschaft mit der russischen Polizei machten und nun in Murmansk mutmasslich 15 Jahren Gefängnis entgegenschauen. Während des Fussball-Champions League-Spiels zwischen dem FC Basel und dem FC Schalke 04 (0:1) am 1. Oktober 2013 seilten sich zu Spielbeginn achtzehn Greenpeace-Aktivisten vom Dach des St. Jakob-Parks ab und entrollten ein Transparent, um gegen Gazprom zu protestieren – und bewirkten vor allem Pfiffe im Stadion und einen fünfminütigen Spielunterbruch. Gazprom ist Hauptsponsor der UEFA Champions League und Trikotsponsor des FC Schalke 04, was offenbar nirgends zu kritischen Fragen wegen Gazproms Tätigkeiten und allfälligen Gewissenskonflikte führte. Der britische Telekommunikationskonzern Vodafone musste 2006 seine Tätigkeit als Trikotsponsor von Manchester United aufgeben, um Hauptsponsor der UEFA Champions League zu werden.
Die UEFA hat ein Disziplinarverfahren gegen den FC Basel wegen Vernachlässigung der Sicherheitspflicht eingeleitet. Schon um den potenten Geldgeber aus Russland (40 Millionen Franken jährlich buttert Gazprom in die Champions League) nicht zu verärgern, wird die UEFA wohl Sanktionen aussprechen. Die Stadionbetreiberin Basel United hat wiederum Klage wegen Hausfriedensbruchs gegen Greenpeace eingereicht.

Warum Greenpeace eher kontraproduktiv wirkt

Greenpeace möchte mit ihren Aktionen auf die Vorkommnisse in der Nordpolarregion aufmerksam machen, wirkt aber trotz des erreichten Ziels der Medienpräsenz eher kontraproduktiv. Mit ihrer Seilparkaktion in Basel schuf sich Greenpeace keine Freude, die Pfiffe im Stadion waren ein untrügliches Indiz dafür. Doch wer pfeift Gazprom wegen ihres Drangs zu neuen Gasvorkommen aus? Wohl erst jemand, wenn diese sich vom Stadiondach abseilen. Den in Murmansk festgenommenen Greenpeace-Mitglieder drohen Prozess und Haft – Gazprom hat sich unbeeindruckt gezeigt und fördert weiterhin die Gasmengen. Fakt ist: Verständnis für die Aktion in Basel zeigt niemand, denn jeder macht sich dem Ärger über den fünfminütigen Unterbruch Luft, mit der Materie beschäftigt man sich kaum. Zyniker wären geneigt zu sagen, dass das Klientel, dass ich um die Zukunft der Arktis sorgt, nicht unbedingt demjenigen entspricht, das in Fussballstadien anzutreffen ist – Greenpeace hat sich also den falschen Ort zum Abseilen ausgesucht.

Links

  • In der Arktis entbrennt ein Kampf um Bodenschätze (Welt Online)
  • Greenpeace-Aktion mit juristischem NachspielNZZ Online vom 2. Oktober 2013
  • Kampf um Ölreseeven: Eindriling Greeanpeace störtSchweizer Radio und Fernsehen Online
  • Schützt die Arktis – Plädoyer der Greenpeace-Organisation
  • Medienmitteilung von Greenpeace zur Aktion in Basel