Der Plattenindustrie geht es finanziell schlecht. Sie haben den notwendigen Sprung zum Internetgeschäft viel zu spät erkannt und müssen jetzt die Hauptlorbeeren Online-Shops wie iTunes überlassen. Doch jetzt kommt’s erst recht knüppeldick: Eine kleine Klausel im US-Gesetz könnte einen Massenbankrott auslösen…
Musikindustrie mit Verlusten
2009 wurden in den USA gerade mal die Hälfte der Platten verkauft, die noch zehn Jahre zuvor, 1999, über den Ladentisch gingen. Die Verkäufe der Plattenlabels brechen ein. Die Global Player im Musikbusiness, Universal, EMI, Warner und Sony schreiben Verluste am laufenden Band. Trotz selben Namens gehören beispielsweise Universal und Warner nicht mehr zu den Filmkonzernen, die ihre Musiksparten mangels Rendite oder bei Fusionen auslagerten. Obwohl sich längst die Verlagerung des Geschäfts ins Internet abzeichnete, verpassten die Unternehmen diesen Sprung. Mittlerweile hat man zwar mit den neuen Tonangebern wie Branchenprimus Apple Verträge zur Veröffentlichung der Stücke abgeschlossen, doch die Online-Verkäufer sitzen am längeren Hebel. Bisher konnten die Unternehmen die grossen Löcher jedoch mit einem As im Ärmel ausgleichen: Dem Backkatalog.
Der Backkatalog umfasst Lieder, deren Erscheinungsdatum Jahrzehnte zurückliegt, Klassiker, um sie beim Namen zu nennen. Obwohl die Veröffentlichungen von Pink Floyd und Konsorten bereits Jahrzehnte zurückliegen, sind sie immer noch begehrte Artikel, und spülen demzufolge auch das ersehnte Geld in die Kassen der Plattenfirmen. Doch diese Einnahmequelle könnte jetzt wegfallen und damit die Industrie an den Rand ihres Ruins bringen.
Künstler können ihre Rechte zurückkaufen
Dank einer bisher vernachlässigten Passage im US-amerikanischen Urhebergesetz, das 1978 verabschiedet wurde, können Künstler die Rechte an den Songs, deren Publizierung 35 Jahre zurückliegt, zurückkaufen. Die Phrase gilt für alle Kompositionen, die nach 1978 auf den Markt kamen. Das heisst, das der Satz ab 2013 seine grosse Bedeutung erhalten wird. Wer von der Klausel Gebrauch machen will, muss das zwei Jahre im Voraus melden, also frühestens dieses Jahr. Bereits angemeldet hat sich unter anderem die Folklegende Bob Dylan und sein Musikerkollege Tom Waits.
Sollten weitere Künstler aus der Generation der beiden nachziehen, könnten die Musikfirmen um ihre Existenz gebracht werden. Denn auch Bruce Springsteen, die Eagles oder AC/DC sind heute noch viel gehörte Künstler. Die Musiker sind der Klausel nicht gerade abgeneigt, denn ihrer Ansicht nach habe die Musikindustrie mit ihren Werken mehr verdient als die Künstler selber. Doch nicht nur die Einnahmen durch die Plattenverkäufe würden Warner und Co. in Zukunft entgehen, sondern auch Tantiemen, die durch die Verwendung der Lieder in Filmen oder Werbespots entstehen.
Streitfrage um britische Bands
Sicher ist, dass das US-Urhebergesetz auf US-Bands und Barden zutrifft, jedoch ist es unklar, wie es mit ihren britischen Kollegen auf sich hat. Von der Insel haben nach 1978 Kaliber wie die Rolling Stones, Led Zeppelinb oder Johnny Rottens Sex Pistols ihre Spuren im Musikbusiness hinterlassen und haben Alben auf den Markt gebracht, die sich heute noch verkaufen. Sollten auch die britischen Künstler, und mit ihnen auch solche aus der restlichen Welt, dem Urhebergesetz in den Staaten unterstehen, so wird es in manchem Konkursamt vermutlich Anmeldung von Plattenfirmen geben. Dann würden vermutlich die Rechte von insolventen Unternehmen versteigert, was womöglich einen weiteren Teufelskreis mit sich ziehen wird.
Prozesse befürchtet
Da die Plattenfirmen ja freilich nicht von sich aus die Rechte an die Musiker verkaufen werden und auf die Beibehaltung pochen, steht die Industrie vor einer Prozesswelle. Die betroffenen Künstler wollen ihre Rechte vor Gericht einfordern, was wiederum für Irritationen sorgen kann. Bob Dylan oder auch Neil Diamond veröffentlichen noch in den jetzigen Dekaden Alben, die sich als Verkaufsschlager auf dem Musikmarkt gegenüber neusten Trends wie Lady Gaga oder David Guetta hervorragend behaupten. Die Plattenfirmen laufen Gefahr, dass ihre langjährigen Erfolgsgaranten mit ihnen brechen und somit auch ihre neusten Errungenschaften nicht mehr bei ihnen veröffentlichen werden, woraufhin noch mehr Geld flöten geht.
Bruce Springsteen beispielsweise hat seine Drohung bereits wahrgemacht und die Recording Industry Association of America (RIAA), die Vereinigung der US-amerikanischen Plattenindustrie, auf Herausgabe der Rechte an seinen Songs verklagt.
Das Schwierige an der ganzen Sache ist, dass nicht geklärt ist, ob die Künstler “Angestellte” der Unternehmen sind. Die Musiker ihrerseits berufen sich auf ihre Selbständigkeit, während die Musikfirmen die Lieder als Erzeugnisse ihrer Angestellten sehen, da die Künstler seinerzeit einen Plattenvertrag unterschrieben haben, um ihre Ware ausschliesslich im eigenen Hause zu veröffentlichen und nicht etwa bei einem Rivalen.
Mit Musikrechten lässt sich viel Kohle machen
Der Kauf von Musikrechten ist ein recht begehrter Weg, um Geld zu machen. Der 2009 verstorbene Poptitan Michael Jackson kaufte zusammen mit Sony über das gemeinsame Unternehmen Sony/ATV Music Publishing einen gigantischen Musikrechtekatalog auf, der nebst 251 Beatles-Songs auch andere Welthits wie Bob Dylans Blowin’ in the wind oder Sweet Caroline von Neil Diamond enthielt. Jackson bezahlte 1987 47 Millionen Dollar für die Rechte. Er wollte sich von seinen Anteilen auch in den grössten finanziellen Krisen, vor allem nach dem Missbrauchsskandal, nicht lösen, auch wenn sie ihm nach einer Schätzung von 2006 auf einen Schlag über eine Milliarde Dollar eingebracht hätten. Heute gehört Sony/ATV und damit auch die Rechte je zur Hälfte an Sony und Jacksons Erben. Auch dank dieses Katalogs gehört Jackson zu den Topverdienern unter den toten Künstlern, und stiess 2010 gar seinen Ex-Schwiegervater Elvis Presley vom Thron, der sich nun auf Platz zwei zurückgesetzt findet.
In der Buchindustrie ist es anders
Etwas anders, aber nicht weniger umstritten verhält es sich in der Buchindustrie. Dort erlöschen nach 70 Jahren die Rechte der Autoren, so dass jeder mit diesen Büchern machen kann, was er will. Google hatte mal vor, sie alle im Internet zu publizieren, was aber vor allem bei Bibliotheken auf grossen Widerstand stiess und so Google zum Zurückziehen seiner Tentakeln zwang.