No Billag-Initiative: Eine Gefahr für Bildung, Demokratie und Gesellschaft

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Am 4. März 2018 muss das Schweizer Stimmvolk über die No Billag-Initiative befinden. Diese besagt, dass die Gebühren für Radio und Fernsehen nicht mehr entrichtet werden müssen. Tönt verlockend? Ja, ist aber mit einem massiven Einschnitt in der Qualität der medialen Versorgung des Landes verbunden. Deshalb ist die Initiative eine Gefahr für die Gesellschaft und ist unbedingt abzulehnen
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Das Volk und die Tragweite seiner Entscheidungen

Wären bei No Billag gefährdet: Die Beiträge der Tagesschau (Copyright: SRG SSR/Schweizer Radio und Fernsehen)
In letzter Zeit wurden über zahlreiche populistische und für das Land eher ungesunde Initiativen abgestimmt: Minarettverbot, Ausschaffungsinitiative, Masseneinwanderungsinitiative oder Durchsetzungsinitiative, nur um einige Beispiele zu nennen. Hier wurde ganz klar das Schlupfloch ausgenutzt, dass Volksinitiativen unter anderem nur dann nicht zugelassen werden dürfen, wenn sie beispielsweise gegen unkündbare Verträge verstossen. Eine Menschenrechtskonvention ist de jure ein kündbarer Vertrag, deshalb dürfen Initiativen gegen diese verstossen. Auch sonst waren die Folgen angenommener Volksinitiativen nicht selten verheerend, so kämpft man heute noch mit möglichen Auswirkungen der Masseneinwanderungsinitiative vom Feburar 2014. Leider ist sich das Stimmvolk den Auswirkungen nicht mehr bewusst, man hört lieber auf meist unwahre Stammtischparolen, als sich mit den Vorlagen zu befassen. In dieser Hinsicht ist die halbdirekte Demokratie, wie sie die Schweiz kennt, für die Zukunft des Landes nicht förderlich. Den Karren aus dem Dreck ziehen dürfen dann meistens andere – so führt beispielsweise keiner der Initianten gegen Masseneinwanderung Verhandlungen mit der Europäischen Union, sondern überlässt das lieber den Anderen.


Die SRG SSR als Landesversorgung – Service public

Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hat den Auftrag, alle Landesteile mit Information und einem ausgewogenen Programm zu versorgen. Dies tut sie mit den vier Untergesellschaften für jede Sprache – SRF, RTS, RSI und RTR – mit sieben Fernsehkanälen, siebzehn Radioprogrammen und etlichen Auftritten in den sozialen Netzwerken. Insbesondere letzteres wird kritisiert, da es nicht zu einer Grundversorgung gehöre, Archivvideos auf Facebook zu teilen. Doch wie soll die Gesellschaft heute erreicht werden? Staatliche Institutionen wie die SRG, die SBB oder die Post geniessen in der Gesellschaft leider keinen grossen Kredit mehr – doch sind sie in infrastrukturieller Sicht von grösster Bedeutung und ein Anker für die Schweiz. Und just diesen droht die No Billag-Initiative zu versenken. Heute bietet beispielsweise das SRF im Fernsehen mit der Tagesschau, der Rundschau, Schweiz aktuell oder 10vor10 beziehungsweise im Radio mit dem Echo der Zeit, dem Rendezvous am Mittag oder den diversen Regionaljournals hervorragende Informationen über das Tagesgeschehen, garniert mit Hintergrundreportagen aus nahen und fernen Gegenden dieser Welt. Die Pendants in der Romandie, im Tessin und im rätoromanischen Sprachgebiet stehen dem SRF in dieser Angelegenheit in nichts nach. Auch im Sport schwingt die SRG obenauf: Fussball, Skisport, Tennis, Eishockey – hochwertige Übertragungen und Produktionen. Nicht umsonst ist die SRG an der Produktion bei olympischen Spielen beteiligt. Zudem konnte sie als einzige staatliche Rundfunkanstalt weit und breit weiterhin die Rechte an der UEFA Champions League sichern. Die Rundfunkgebühren, welche ab 2019 nicht mehr durch die Swisscom-Tochtergesellschaft Billag erhoben werden, sind eine wichtige Grundlage für solche Investitionen, die am Ende jedermann und jederfrau dienen.


Information oder Trash?


Man muss freilich nicht helle Freude daran haben, dass jedesmal, wenn man SRF 1 einschaltet, Sven Epiney auf der Mattscheibe erscheint oder auf SRF zwei stetig Übertragungen von Roger Federer-Matches über den Äther laufen. Dennoch erhält man für künftig nur einen Franken pro Tag ein ausgewogenes Programm mit Nachrichten, Sport, Unterhaltung und Diskussionssendungen mit auf den Weg. Leider ist sich das gemeine Volk zu schade, sich mit Tagesschau, Schawinski, Literaturclub oder den sonntäglichen Sternstunden zu bilden, weil man lieber bei Blick am Abend oder die ProSieben-Intelligenzbestie taff verweilt. Just solche Leute entscheiden über Ja oder Nein. Was fernab jeglicher Gebühren produziert wird, sieht man gut am Beispiel von 3+: Statt Nachrichten sieht man auf diesem Kanal beim Zickenkrieg zwischen 21 mehr oder weniger weiblichen Personen zu, wie sie um Rosen kriegen, welche sie bei Coop zu einem Spottpreis erhalten würden. Ist dies das Ziel? Lieber einen Franken pro Tag investieren und noch einen Funken Niveau erhalten. Aber eben – Niveau ist heutzutage ein seltenes Gut, was deutlich wird, wenn solche inhaltloser Populismus, wie die No-Billag-Initiative einer ist, einen solch hohen Stellenwert erhalten kann.

Was würde eine Annahme der Initiative bedeuten?

Übrigens: Auch Sendungen wie das rätoromanische Telesguard würden dann der Vergangenheit angehören. Solches darf man einer Minderheit niemals antun. Zudem hängt nicht nur die SRG am Tropf der Gebühren, sondern auch alle konzessionierten regionalen Sender wie Tele 1 oder Tele Top. Dann müsste man für jede Fernseh- oder Radiosendung bezahlen, denn es gäbe keine staatliche Kontrolle und keine allgemeine Finanzierung mehr, genauso wie eine hochwertige und neutrale Berichterstattung fehlen würde. Freilich würde nichts günstiger für den Konsumenten, eher im Gegenteil. Auch hier würde dann eine staatliche Kontrolle der Kosten fehlen. Heute bestehen 75 Prozent der SRG-Einnahmen aus Gebührengeldern. Wenn diese fehlen und das Unternehmen gezwungen ist, seine Investitionen selbst zu erwirtschaften, dann wird man sich auf rentable Sparten fokussieren – just auf solche, bei denen Pay-TV funktioniert: Sport, Serien und Filme.
Die Produktion von Informationssendungen ist Bestandteil des Leistungsauftrages der Schweizerischen Eidgenossenschaft, deshalb laufen bei den SRG-Sendern Nachrichten, bei Privatsendern wie 3+ jedoch nicht. 3+ ist es nicht verboten, Nachrichtensendungen zu produzieren, doch sind solche zuwenig rentabel.

Die mediale Schlacht um die No Billag-Initiative

Wenngleich noch einige Monate bis zur Abstimmung ins Land ziehen werden, der Abstimmungskampf ist lanciert. Eine bedeutende Rolle kommt da den Medien zu. Gewisse Publikationen aus dem Hause Ringier hatten für Aufsehen gesorgt, in dem sie prominenten Personen unterstellt hatten, die SRG, welche sie gefördert hatte, im Stich zu lassen – dies nur, weil sie sich zur Thematik noch nicht geäussert haben. Seither vergeht kaum ein Tag, in der die No Billag-Initiative in den Medien nicht behandelt wird, selbst die SRG ist in die Offensive gegangen.

Links

  • Die Haltung der SRG (PDF-Datei)
  • Website des Initiativkomitees
  • Nein zum Sendeschluss
  • Infoseite des Bundes zur No Billag-Initiative
  • Die No Billag-Initiative im Wortlaut